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Balkan-Popstar arbeitet jetzt als Prostituierte

In Serbien ist Electra Elite (45) ein Popstar und LGBTIQ-Aktivistin. In ihrer Wahlheimat Schweiz und verdient sie ihr Geld als trans Prostituierte.

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    An der Zürcher Langstraße fühlt sich Electra Elite am wohlsten. Seit 13 Jahren arbeitet sie dort als trans Sexarbeiterin.
    An der Zürcher Langstraße fühlt sich Electra Elite am wohlsten. Seit 13 Jahren arbeitet sie dort als trans Sexarbeiterin.
    privat

    "Just Cash" poppt auf dem Handydisplay auf, wenn Electra Elite auf Whatsapp Nachrichten versendet. "Entschuldige bitte, es war eine lange Nacht. Oh Gott, es ist schon dunkel und ich bin erst gerade aufgestanden", sagt die 45-Jährige verschlafen in einer Sprachnachricht – um 17.43 Uhr. Nur wenig später steht sie mit ihren 1,83 Metern und zusätzlichen zwölf Zentimeter High Heels gestylt an der Langstraße. Damit überragt sie ihre Arbeitskolleginnen auf dem Straßenstrich locker um zwei Köpfe. Trotz Minustemperaturen lässt sie es sich nicht nehmen, ihr Dékolleté gekonnt in Szene zu setzen.

    Im Zürcher Ausgehviertel fühlt sie sich als "stolze Prostituierte", wie sie selbst sagt, am wohlsten. "Der Kreis vier ist mein zweites Zuhause. Dieser Ort hat mir im Leben so viel gegeben", sagt sie zu 20 Minuten. Selbstbewusst meint sie weiter: "Meine Lebensgeschichte mag fiktiv klingen, ist aber pure Realität", und zieht genüsslich an ihrer Slim-Zigarette.

    Die Liebe zieht Electra Elite in die Schweiz

    Geboren wird Electra "als Kind Jugoslawiens" in Bosnien und Herzegowina. Als Sohn eines Polizisten und einer Arbeiterin wächst sie mit ihrer serbischen Familie schließlich im heutigen Kroatien auf. "Ich hatte bis zum Kriegsausbruch eine wunderschöne und unbeschwerte Kindheit", erinnert sie sich. Bereits zu dieser Zeit habe sie Interesse an den Kleidern und Schminke ihrer Mutter verspürt, dies gleichzeitig aber verdrängt. "Auf dem Balkan waren Homosexualität, geschweige denn Transsexualität, noch komplett unbekannte Begriffe, weshalb ich meine Vorlieben und Gefühle unbewusst in den Hintergrund gestellt habe", erklärt sie.

    1998 besucht Electra Verwandte in der Schweiz und verliebt sich während eines Discobesuchs unsterblich in eine Schweizerin mit serbischen Wurzeln. Die beiden heiraten zwei Jahre später, kriegen Kinder. "Alles aus Liebe", beteuert sie. Zu dieser Zeit arbeitet sie als Sozialarbeiterin bei der Pfarrer-Sieber-Stiftung. Während sie anderen hilft, gerät ihr Privatleben ins Wanken. "Unser Zusammenleben war bloß noch Gewohnheit." Nach sieben Ehejahren lassen sich Electra und ihre Frau scheiden. Trotz allem bleiben sie beste Freundinnen.

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      Mick Blue und seine Ehefrau und Pornostar Anikka Albrite
      Mick Blue und seine Ehefrau und Pornostar Anikka Albrite
      Instagram/ mickblueracing

      Ex-Freund weckt ihre Begeisterung für Prostitution

      Nur wenig später lernt sie einen Spanier kennen. Er verdient sein Geld als Callboy und Model. Electra wagt auf eigene Initiative hin denselben Versuch – mit großem Erfolg. Ihr neuer Job gefällt ihr immer mehr, sie macht die Prostitution zu ihrer Haupteinnahmequelle. Ein halbes Jahr später fällt sie den Entschluss, ihren Körper ihrer Geschlechtsidentität anzugleichen. "Ich bin unglaublich froh, dass ich ein Umfeld hatte, das mir dabei beigestanden ist – nicht zuletzt auch meine Kinder." Das Familienleben habe diesen Schritt in keiner Weise beeinflusst. «Für sie hat sich nichts verändert. Sie haben immer noch einen Vater und eine Mutter", meint sie und scherzt: "Nur, dass Papa jetzt besser aussieht als Mama." Weiter erklärt sie: "Meine Tochter und mein Sohn sind die einzigen, die mich im männlichen Geschlecht ansprechen dürfen. Ich war und bleibe ihr Vater."

      Inzwischen ist Electra seit mehr als 13 Jahren als trans Sexarbeiterin an der Zürcher Langstraße tätig. Während dieser Zeit habe sie viel erlebt, ein Ereignis werde sie aber nie vergessen: "Damals sind 17 junge Soldaten in ihren Uniformen zu mir gekommen und haben sich auf mich gestürzt", berichtet sie begeistert. Ihr Kundenstamm besteht laut eigenen Aussagen fast ausschließlich aus heterosexuellen Männern – oftmals aus der Oberschicht —, die auf "meine Expertise" setzen. Besonders beliebt seien ihre "oralen Künste". Für diesen Service würden ihre Klienten tief in die Tasche greifen. Genaue Zahlen will sie nicht nennen. Nur so viel: "Ein Limit nach oben gibt es nicht."

      Mit "Porno Folk" will die Neo-Sängerin am ESC gewinnen

      Electra weiß, wie sie die Menschen um sich herum in ihren Bann ziehen kann. Das macht sie sich zunutze und versucht sich während der Corona-Pandemie als Sängerin. Sie veröffentlicht ihren ersten Song "Mafijas". Es folgt eine Zusammenarbeit mit der Rapperin Angellina (25), was ihr schließlich zum Durchbruch verhilft. Mittlerweile zählen ihre Videos Millionen Aufrufe und schaffen es in die Charts ihrer Heimat. Auf die Frage nach Vorbildern blockt Electra ab. Sie habe keine. Vielmehr sei es ihr gelungen, ein eigenes Genre zu schaffen: "Porno Folk". Mit dem will sie die Welt erreichen. "Die Schweiz könnte mich an den ESC schicken. Ich bin mir sicher, dass ich den Sieg nach Hause holen würde."

      Dass Electra auch ruhige Töne anstimmen kann, will sie mit ihrer in Kürze erscheinenden Ballade "Zivote Moj" zeigen. "Ich habe diesen Song einem Mann gewidmet, dem ich mich vor zwei Jahren emotional hingegeben habe. Es passiert selten, aber Liebe kann auch mich treffen", erzählt sie. Doch weiter darauf eingehen möchte sie nicht. "Für meinen Job ist es wichtig, den Männern ihre Fantasien nicht zu verderben und alles offenzuhalten. Auch die Vorstellung, dass ich ihre Frau bin."

      Electra setzt sich für LGBTIQ-Rechte ein

      Trotz ihres Efforts, ganz auf die Musik will sie nicht umsteigen. Zu sehr liebe sie ihren eigentlichen Job. Zudem meint sie: "Ich bin doch nicht wahnsinnig, um für zwei-, dreitausend Franken auf der Bühne zu stehen, wenn ich ein mehrfaches davon in einer Nacht machen kann. Ich halte weiterhin lieber die Mikrofone meiner Klienten in der Hand", sagt sie mit einem Augenzwinkern.

      Mit ihrer Geschichte ist Electra im sonst eher konservativen Serbien ein beliebtes Gesicht der Boulevardpresse. Seit Monaten regiert sie die Schlagzeilen. Mit ihrem Ruhm will sie Themen vorantreiben, die ihr persönlich viel bedeuten. Sie macht sich im Balkanraum stark für die Rechte von Sexarbeiterinnen und -arbeitern, fordert die Legalisierung der Prostitution und verspricht: "Wenn ich das schaffe, trete ich an den nächsten Präsidentschaftswahlen an." Auch macht sie der queeren Community Mut und rüttelt die breite Öffentlichkeit auf. "Ich habe auf dem Balkan eine Revolution angestoßen. Bis diese nicht beendet ist, trete ich nicht in meinen eigenen Schatten!"

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        Austro-Pornostar Mick Blue hat in seiner Karriere bereits mit unzähligen Frauen vor der Kamera Sex gehabt. "Heute" gibt eine (kleine) Auswahl >>>
        Instagram / Screenshot