Unschuldig in Haft

Baby Antonia stirbt – Vater wird des Mordes beschuldigt

Florian S. (32) soll sein Baby zu Tode geschüttelt haben – vor Gericht wird er freigesprochen. In "Unschuldig in Haft" erzählt er seine Geschichte.
Österreich Heute
28.02.2025, 05:30

172 Tage saß Florian S. (32) unschuldig in U-Haft. Der Kärntner wurde beschuldigt, seine damals sechs Wochen alte Tochter zu Tode geschüttelt und mit dem Kopf gegen einen stumpfen Gegenstand geschlagen zu haben. In der ersten Folge von "Unschuldig in Haft" (1.3., 20.15 Uhr, ATV und Joyn) erzählt der Kärntner seine Geschichte. Am 8. März geht es dann mit Thomas (Name geändert) weiter, der wegen Vergewaltigung einer 15-Jährigen in U-Haft saß.

2018 arbeitet Florian S. als Tischler, seine Freundin Anika P. ist mit Zwillingen schwanger. Das Paar hat zudem einen 1,5-jährigen Sohn namens Louis. Im Juni 2018 kommen die Mädchen Antonia und Olivia als Frühchen zur Welt: "Antonia war von Anfang an viel zierlicher und hat nur ganz langsam zugenommen", erinnert sich der heute 32-Jährige.

Antonia atmete kaum noch

Am 20. Juli geht Anika P. mit Louis einkaufen, Florian S. bleibt mit den Zwillingen allein daheim – er merkt, dass mit Antonia etwas nicht stimmt: "Ich habe sie hochgenommen. Sie hatte noch Schluckreflexe, hat aber kaum noch geatmet. Ich habe dann Reiztests gemacht – mehr oder weniger erfolglos", erzählt der Kärntner.

Aufgrund des besorgniserregenden Zustands von Antonia ruft Florian S. die Rettung, nach etwa fünf Minuten sind Sanitäter und Notarzt da: "Mir wurde dann vorgeworfen, dass ich sie nicht reanimiert habe. Aber sie hat ja noch geatmet", meint der 32-Jährige. Über eine Stunde lang wird das Baby reanimiert, dann mit dem Hubschrauber ins Landesklinikum Klagenfurt gebracht.

Florian S. wird zum Hauptverdächtigen

Fünf Tage lang kämpfen die Ärzte um das Leben des kleinen Mädchens, doch aufgrund des Sauerstoffmangels ist der erlittene Hirnschaden zu groß. Am 25. Juli stirbt Antonia im Alter von sechs Wochen: "Wir haben sie dann noch nottaufen lassen", erklärt Florian S.

Während das Paar um sein Kind trauert und sich in den Alltag zurückkämpft, beginnen die Behörden nach einem Bericht, wonach einige Verletzungen von Antonia auffällig sind, wegen fahrlässiger Tötung zu ermitteln: "Bei diesen ganzen Ermittlungen waren wir zuerst beide die Hauptverdächtigen. Dann ist Anika weggefallen, weil ich mit Antonia allein war, war ich dann automatisch der Hauptverdächtige", berichtet Florian S.

„Wenn ich mich an dieser Angst festgehalten hätte, ich glaube, ich wäre da drinnen zugrunde gegangen“
Florian S.über seine Zeit in U-Haft

Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragtes Gutachten eines Grazer Kinderchirurgen belastet Florian S. zudem schwer: Demnach kann ein Tod durch Schütteln sowie stumpfe Gewalt gegen Antonias Kopf nicht ausgeschlossen werden. Am 30. November 2019 wird Florian S. verhaftet, ihm wird der Mord an seiner Tochter vorgeworfen.

Das Leben in der U-Haft ist hart für den Kärntner: "Viele wissen nicht, was da in der Justizanstalt tatsächlich passiert. Die werden da drinnen teilweise wie Schweine gehalten", meint Florian S. Dem Tischler droht eine lebenslange Haftstrafe: "Wenn ich mich an dieser Angst festgehalten hätte, ich glaube, ich wäre da drinnen zugrunde gegangen."

Anwalt Todor-Kostic übernahm den Fall

Sein Vater nimmt Kontakt zum bekannten Strafverteidiger Alexander Todor-Kostic auf: "Ich habe mir vorher überlegt, soll ich das überhaupt übernehmen? Der Vorwurf war doch sehr massiv", erklärt Todor-Kostic. Der Anwalt lässt das Umfeld von Florian S. überprüfen und übernimmt schließlich dessen Fall.

Der Anwalt weiß: Es wird sehr schwierig sein, gegen das Gerichtsgutachten anzukommen. Währenddessen plagen Florian S. in der U-Haft Zweifel: "Ich habe mir schon oft die Frage gestellt: 'Hab' ich irgendwas falsch gemacht? Hab' ich sie irgendwie falsch angegriffen?' Aber ich bin immer sehr behutsam mit den Kindern umgegangen."

Rechtsanwalt Alexander Todor-Kostic übernahm den Fall von Florian S.
ATV/Ostfilm

Plötzlicher Kindstod als Todesursache

Todor-Kostic sieht die einzige Chance in einem Privatgutachten, beauftragt wird der renommierte Kinderarzt und gerichtlich beeidete Sachverständige Nikolaus Neu von der Uni-Klinik in Innsbruck. Dieser kommt zu dem Schluss: Das Baby wurde nicht geschüttelt, der Kopf sei auch nicht aufgeschlagen worden. Man hätte äußere Verletzungen feststellen müssen – die habe es aber nicht gegeben: "Mir ist schnell klar geworden, dass es sich bei der Ursache um einen plötzlichen Kindstod handeln dürfte", sagt Neu.

Im April 2020 startet schließlich der Prozess gegen Florian S. Das Privatgutachten von Neu wird von der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen, darf den Geschworenen auch nicht vorgelesen werden. Anwalt Todor-Kostic erwähnt es in seinem Plädoyer trotzdem immer wieder, schürt damit Zweifel. Als letzte Möglichkeit wendet sich Florian S. direkt an die Geschworenen und beteuert seine Unschuld.

„Ein Kind zu verlieren, ist das Allerschlimmste. Es wird immer präsent sein“
Florian S.über den Tod von Antonia

Mit Erfolg: Der Kärntner wird im Mai 2020 einstimmig freigesprochen: "Ich bin in Tränen ausgebrochen. Das war irre, das kann man sich gar nicht vorstellen", erzählt Florian S. Nach 172 Tagen – also fast sechs Monaten – in Haft kommt der Tischler frei. Langsam versucht er, mit seiner Familie ein neues Leben zu beginnen: "Ein Kind zu verlieren, ist das Allerschlimmste. Es wird immer präsent sein, dass wir Antonia verloren haben."

{title && {title} } red, {title && {title} } 28.02.2025, 05:30
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