"Angstreaktion"
Experte macht nach OMV-Gas-Knaller Preis-Ansage im ORF
Die OMV zeigt Gazprom nach "grundlegende Vertragsverstöße" die Tür. Welche Auswirkungen das für Österreicher haben wird, schätzt Walter Boltz ein.
Fast drei Jahre nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine bricht jetzt auch die OMV mit Putins Regime. Am Mittwochabend machte das Unternehmen diesen Schritt über eine Mitteilung auf Gashub.at öffentlich: "OMV Gas Marketing & Trading GmbH (OGMT) hat soeben beschlossen, den österreichischen Liefervertrag mit Gazprom Export (GPE) mit sofortiger Wirkung zu kündigen, da GPE grundlegende Vertragsverstöße begangen hat". Die Kreml-kontrollierte Gazprom hatte per 16. November alle Lieferungen an die OMV – nicht aber nach Österreich – einseitig eingestellt.
"Russland wollte Energie als Waffe gegen uns einsetzen – das hat nicht funktioniert. [...] Österreich lässt sich von Russland nicht erpressen", kommentierte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) das Ende des vielkritisierten Vertrag. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht von einem "notwendigen Schritt in Richtung Energieunabhängigkeit".
BILDSTRECKE: Kurz und Putin besiegeln Gas-Schicksal Österreichs bis 2040
Das erst 2018 mit großem politischem Bahö (siehe Bildstrecke oben) bis 2040 verlängerte Vertragswerk zwischen OMV und Gazprom ist weiterhin streng geheim. Nur wenige Experten in Österreich wurde bisher Einsicht gewährt, einer davon ist der ehemalige E-Control-Vorstand Walter Boltz. In der ZIB2 Mittwochnacht ließ er mit seiner Einschätzung aufhorchen.
"Aufgrund der Tatsache, dass die Gazprom die Lieferung freiwillig eingestellt hat und keinerlei höhere Gewalt oder ähnliche Begründungen angeben kann – weil sie liefert noch Gas nach Österreich –, stehen die Chancen recht gut, dass dieser Vertrag außerordentlich gekündigt werden kann", so Boltz im TV.
Er gehe davon aus, dass sich die OMV diesen Schritt "sehr genau überlegt" habe und der Zeitpunkt so gewählt wurde, dass er "die besten juristischen Chancen" biete.
"Kaum eine Auswirkung auf Preise"
An der Gasversorgung Österreichs werde sich vorerst "recht wenig" ändern: "Im Moment, und wahrscheinlich bis zum Jahresende, liefert Russland Gas nach Österreich, nur nicht an die OMV. Das hat aber für die Preise jetzt kaum eine Auswirkung."
Ob auch 2025 noch Transit durch die Ukraine möglich ist, sei unklar. "Aber selbst wenn diese Transite stoppen, brauchen wir uns in Österreich eigentlich keine Sorgen machen. Wir haben nicht nur sehr gut gefüllte Speicher, sondern auch der europäische Gasmarkt ist sehr gut versorgt." Die OMV, aber auch andere Lieferanten, hätten sich woanders Gas organisiert.
Boltz ist zuversichtlich, dass es zu keiner neuerlichen Preisexplosion kommt: "Es sollte weitgehend ohne Probleme gehen. Kurzfristig kann es aus einer Angstreaktion heraus etwas höhere Preise am Großhandelsmarkt geben. Grundsätzlich Engpässe sind nicht zu erwarten."
Ex-OMV-Manager: Versorgung nicht in Gefahr
Trotz des radikalen Schritts soll Österreichs Versorgung nicht in Gefahr sein: "Ich sehe die Gasversorgung für diesen Winter gesichert", sagte auch Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss vor Kurzem im Ö1-Morgenjournal zur aktuellen Lage. Der frühere Top-Manager geht davon aus, dass künftig weiterhin kleine Mengen russisches Gas über Slowakei oder Ungarn nach Österreich kommen werden.
Der Konflikt zwischen dem russischen Energiegiganten Gazprom und dem österreichischen Unternehmen OMV hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen Streitpunkt in der europäischen Energiepolitik entwickelt. Die tiefgreifenden Veränderungen in der geopolitischen Landschaft, insbesondere der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, haben die Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen stark belastet.
Das Protokoll des OMV-Streits mit Gazprom:
- Herbst 2021: Gazprom liefert weniger Erdgas an Europa, füllt seine Speicher hierzulande nicht auf.
- 24. Februar 2022: Krieg! Russische Truppen überfallen in einem Großangriff die gesamte Ukraine.
- Sommer 2022: Gazprom drosselt immer wieder die Gas-Durchflussrate Richtung Europa, auch die OMV ist davon betroffen.
- September 2022: Gazprom stellt die Gaslieferungen über Nord Stream 1 nach Deutschland mit Monatsbeginn ganz ein, um ein Ende der Sanktionen zu erpressen. [1] Erst drei Wochen später kommt es zum Pipeline-Anschlag.
- Jänner 2023: Zur Wahrung ihrer Ansprüche leitet die OMV ein Schiedsgerichtsverfahren ein. [2]
- Dezember 2023: Putin beschlagnahmt OMV-Beteiligungen in Russland. [3]
- 13. November 2024: Das Schiedsgerichtsurteil unter den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) spricht der OMV 230 Millionen an Schadenersatz für den Lieferstopp 2022 zu. [2]
- Die OMV kündigt gleichzeitig an, den zugesprochenen Betrag mit den Verbindlichkeiten aus dem österreichischen Gasliefervertrag gegenzurechnen.
- 16. November 2024: Gazprom stoppt einseitig die Lieferung an die OMV. [4]
- 11. Dezember 2024: Die OMV kündigt den Vertrag mit Gazprom aufgrund "grundlegender Vertragsverstöße" auf. [5]
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die OMV hat den langfristigen Liefervertrag mit Gazprom aufgrund grundlegender Vertragsverstöße seitens Gazproms gekündigt.
- Experten und Politiker betonen, dass die Gasversorgung Österreichs trotz dieses Schritts gesichert bleibt und keine signifikanten Preissteigerungen zu erwarten sind.
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