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Assassin's Creed Odyssey ist blutiger denn je

Assassin's Creed Odyssey ist anders als bisherige Assassinen-Teile. Gewöhnungsbedürftig, aber außergewöhnlich.

Heute Redaktion
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So viel Rollenspiel gab es in Assassin's Creed noch nie. Und auch eine so lange Story nicht. Das neue Assassin's Creed Odyssey für PlayStation 4, Xbox One und PC wirft viele bisherige Erkennungsmarken der Serie über den Haufen, weiß damit aber gehörig zu punkten. Auch wenn sich wieder ein paar Makel der bisherigen Titel einschleichen.

Assassin's Creed Odyssey spielt im Antiken Griechenland, im Jahr 431 vor Christus. Erstmals in der Geschichte der Reihe darf der Spieler das Geschlecht des Charakters wählen – und somit als Alexios oder Kassandra losziehen. Dabei steht man nicht nur seriengemäß den Templern gegenüber, sondern muss sich mit Schild, Speer, Schwert und Co. auch mythischen Gestalten wie dem Minotaurus oder der Medusa erwehren.

Ubisoft hat gelernt, dass sich kaum jemand mehr für die Sci-Fi-Handlung in der Gegenwart rund um den Animus interessiert. Die Handlung von Origins wird in dieser Ära mit denselben Charakteren fortgesetzt, kann aber zum Glück getrost ignoriert werden und fällt vergleichsweise sehr kurz aus. Im Antiken Griechenland wird hingegen eine viel spannendere Handlung erzählt – und diesmal geht es nicht um einen generischen Rachefeldzug. Stattdessen setzt Ubisoft auf ein Familiendrama, das sich über die gesamte griechische Welt erstreckt.

Heimliche Umstellung

Wer in Odyssey einsteigt, wird zuerst einmal kaum einen Unterschied zu Origins feststellen. Dabei ist die Veränderung aber größer als kaum in einem Serienteil zuvor. Was sich erst nach und nach zeigt. Odyssey ist zu einem echten Rollenspiel-Titel geworden, ohne den Schleich-Part, der die Serie geprägt hat, zu vernachlässigen. Was nicht heißt, dass es auch direkt brutal zugeht. Nahkampf und Gefechte sind mindestens so wichtig, wie einem Gegner heimlich die Klinge in den Rücken zu rammen.

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Auffällig wird, dass sich Odyssey im Kampf mehr an verschiedene Spielstile anpasst. Das geschieht vor allem durch die drei Fertigkeitenbäume, in denen man per Levelaufstieg neue Fähigkeiten freischalten kann. Entgegen dem Vorgänger Origins überschneiden sich die Bäume "Jäger", "Kämpfer" und "Assassine" kaum, was eine Spezialisierung des Charakters ermöglicht.

Wer gerne schleicht, wählt Fähigkeiten, bei denen man schwer entdeckt wird und sorgt mit der Verstärkung kritischer Angriffe für ein Ass im Ärmel, wenn es doch in den Nahkampf geht. Wer gerne in Schlachten zieht, boostet die Angriffstärke und kann auf Gift setzen. So lässt sich der Gegner langsam zermürben, sollte man im Nahkampf doch zu schwach sein. Dass solch strategische Planung bei der Charakterentwicklung möglich ist, kannte man bisher von Assassin's Creed nicht. Bis zu je vier Spezialfähigkeiten kann man sich im Nah- und Fernkampf auf die Schnell-Buttons legen, ihre Aktivierung geht schnell ins Blut über.

Zwang zu Nebenmissionen

Auch wenn es wählbare Schwierigkeitsgrade gibt, eine Herausforderung bleibt Odyssey in jedem Fall. Das deshalb, weil zwischen Hauptmissionen teils heftige Sprünge bei den Levelanforderungen auftreten. Und gerade zu beginn hat man als Level-3-Charakter kaum eine Chance gegen einen Level-5-Kopfgeldjäger. So zwingt Ubisoft Spieler in Nebenmissionen, um die Leiter der 50 möglichen Levels hinaufzuklettern. Ein zweischneidiges Schwert.

Großteils bieten die Nebenschauplätze auch anregende Geschichten und ganz eigene Handlungen, viele nützen sich aber auch schnell ab. So sind ein, zwei Tauchgänge in überfluteten Höhlen zwar nett, ab dem dritten Mal werden sie aber zur lästigen Pflicht. Und man kommt dabei nicht ganz umhin, einen kleinen Wink hin zum Investieren von Echtgeld zu sehen. Assassin's Creed Odyssey bietet passenderweise einen eigenen Shop, der auf Echtgeld-Käufe ausgerichtet ist.

In diesem separaten, von den Händlern in der Spielwelt abgetrennten Bereich, können echte Euro in virtuelle Helix-Credits umgetauscht werden. Mit dieser Währung können Rohstoffe, Drachmen, besondere Rüstungssets und sogar ein Pegasus als Reittier gekauft werden. Problematisch wird es bei den Boosts, die permanent die verdienten Erfahrungspunkte oder Drachmen verdoppeln. In der Kampagne fühlt man sich stellenweise unterlevelt und wird gezwungen zu grinden, um den Gegnern ebenbürtig zu sein. Es fühlt sich merkwürdig an, wenn das Spiel gleichzeitig einen Weg verkauft, das Problem zu umgehen.

Verändern Sie die Geschichte

Keine simple Kosmetik sind die über drei Stunden interaktive Dialoge im Spiel. Interaktiv heißt hier, dass sich die Handlung von Odyssey je nach gewählter Antwort verändert, entweder sofort sichtbar, teils aber auch erst Stunden später. Es können kleine oder große Entscheidungen sein, die man da trifft: Umarmt man die Figur, die gerade etwas Nähe zu brauchen scheint? Opfert man eine Figur, um die Geschichte voranzutreiben? So oder so, beide Entscheidungen können das Game grundlegend verändern. zwar nicht bis ins Letzte, etwa wer den Peloponnesischen Krieg, der im Hintergrund schwelt, gewinnt, aber doch genug, um das Spiel später noch einmal ganz anders in Angriff zu nehmen.

Dramatisch verändert sich aber, wie der eigene Charakter wahrgenommen wird. Hilft man Armen und ist bei jedem Anliegen zu Stelle, wird man zwar überall gerne gesehen, aber auch ausgenutzt. Lehnt man alle Anliegen ab, fällt man nicht nur um ein paar spektakuläre Nebenmissionen um, sondern gilt auch als gierig und hartherzig, wird dafür aus Angst aber schon mal gerne bevorzugt behandelt.

Diese Änderungen zeigen sich allerdings nur langsam, weswegen man anfangs dem Eindruck verfällt, dass die Dialogoptionen wenig Auswirkungen haben. Später ist man durch die Wendungen aber umso beeindruckter. Odyssey erlebt man so authentischer: alle Missgeschicke, alles was aus dem Ruder läuft, aber auch alle Erfolge wirken selbst erarbeitet, statt von einer "höheren Macht", den Entwicklern, bestimmt. Einzig schade ist, dass sich Alexios und Kassandra eine Storyline teilen, nur einige wenige Dialoge unterscheiden sich geschlechtsbedingt.

Brutal und blutig

Vieles aus Origins wurde aber auch beibehalten. So kann die Umgebung wieder per steuerbarem Adler ausgekundschaftet werden, das Ausrüstungsmenü mit Waffen oder Rüstungen samt Statuseffekten ist beinahe identisch. Dafür sind die Effekte zahlreicher und spürbarer. Zurück sind auch die Schiffschlachten und das Selbstentdecken, an der Steuerung hat sich nicht viel geändert. Wer anfangs den Explorationsmodus wählt, dem werden keine Missionen serviert, sondern sie sind nur durch Herumlaufen und Dialoge auffindbar. Schiffschlachten sind nun auch tiefergehender: zahlreicher Upgrades machen aus einem Kahn ein Schlachtschiff, auf dem man besiegte Gegner als Mannschaftsmitglieder anheuern kann.

Etwas überraschend ist, wie sehr Ubisoft die Schrauben im Kampf angedreht hat. Das schon leicht herausfordernde Gameplay von Origins wurde noch ein Zacken anspruchsvoller und die Szenen, sowohl im Kampf als auch in Zwischensequenzen, ist blutiger denn je. Im Kampf kommt es zu einer realistischeren Verzögerung beim Blocken: wer den Block-Button drückt, reißt den Schild oder das Schwert zur Abwehr im Spiel etwas verzögert hoch. Zwar steckt man anfangs viele Treffer ein, bis man das Timing inne hat, der Kampf wirkt so aber authentischer und man muss den Gegner genauer im Auge behalten. Die vier belegbaren Fähigkeiten löst man im Kampf zudem fließend aus, während man die Adrenalinleiste füllt. Da reißt Kassandra im Kampf schon mal das Schild des Gegners an sich, nur um es ihm gegen den Kopf zu pfeffern und einen Speerhieb nachzulegen.

Klar erkennbar ist der Gewaltanstieg, schon im spielbaren Vorspann mit dem voll hochgelevelten und ausgerüsteten Leonidas, der die Spartaner gegen die Perser in den Krieg führt. In "300"-Manier mäht man hier durch Gegnermassen, kämpft erbittert inmitten von Leichenbergen und bekommt in Zwischensequenzen zu sehen, wie einem Feind ein Speer durch Mund und Kopf gerammt wird. Übrigens gleichzeitig auch einer der stärksten Beginne, die ein Spiel überhaupt zu bieten hat. Den "Das ist Sparta"-Tritt schaltet man übrigens später auch frei, um Gegner über Klippen in die Tiefe zu treten.

Serie hat sich stabilisiert

Grafisch und musikalisch ist Odyssey jeder Kritik erhaben. Das Game-Griechenland wurde so stark umgesetzt, dass man sich nicht satt sehen kann. Grandios schon der Auftakt, bei dem der Adler zu passenden Klängen an der Statue von Zeus vorbei durchs Land fliegt. Landschaften, Details, Figuren, Bewegungen, Gesichter, alles wirkt gestochen scharf und beeindruckend. Aufpoliert wurde bis in die letzte Ecke. So sind nun auch bekannte Figuren wie Perikles oder Hippokrates nicht nur historische Aufhänger. Wer will kann mit Sokrates über Moral und Gerechtigkeit, die Todesstrafe und Feindschaft diskutieren.

Ubisoft hat in den letzten Jahren viel in Sachen Open-World-Design gelernt. Assassin's Creed Odyssey ist riesig, wunderschön und voll mit kleinen und großen Aufgaben. Trotzdem wird die Spielkarte noch immer von unzähligen Fragezeichen-Locations bevölkert, die oft einfach dasselbe sind. Eine Wolfshöhle hier, ein kleines Militärlager dort. Anfangs macht das Erkunden noch Spaß, aber sobald man immer wieder dasselbe tut, will man sich einfach nur noch auf die Story konzentrieren.

Von der gibt es allerdings genug. Will man alle Dialoge und Szenen alleine in der Haupt-Storyline erleben und seinen Charakter möglichst hochleveln, kommt man auf gut 50 Stunden und mehr. Nebenquests und andere Handlungsstränge kommen beinahe noch einmal auf diese Zeit. Das passt, denn vom Game-Griechenland bekommt man kaum genug, Atmosphäre, Grafik und Handlung begeistern. Neuerungen wie die Dialoge, Romanzen mit beiderlei Geschlecht, die starken Rollenspielelemte und der verfeinerte Kampf setzen Odyssey die Assassin's-Creed-Krone auf.