Forderung zum Abschied
Ansage von Kardinal Schönborn: "Keine Angst vor Islam"
Nach 30 Jahren als Wiener Erzbischof legt Christoph Schönborn im Jänner sein Amt zurück. Zum Abschied spricht er über Flüchtlinge und den Islam.
Nach fast 30 Jahren als Wiener Erzbischof tritt Christoph Schönborn schon in Kürze ab. Schon am 18. Jänner 2025 feiert der 79-Jährige einen Abschiedsgottesdienst im Stephansdom, dann ist Schluss! In der "ORF-Pressestunde" sprach das scheidende Oberhaupt der Katholiken in Österreich über Flüchtlinge, den Islam und die Zukunft der Kirche.
"Vielleicht war ich ein bisschen zu wenig kantig und zu harmonisch", erklärt Schönborn auf die Frage, was er rückblickend hätte besser machen können. In den letzten Jahrzehnten hat Schönborn die katholische Kirche in Österreich entscheidend mitgeprägt. 20 Jahre war er Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz, im Jänner wechselt er in den Ruhestand.
Geflüchtete "so behandeln, wie man behandelt werden möchte"
Komplett aufhören will Schönborn auch nach seinem Rückzug nicht. Er werde weiterhin in Wien bleiben und für die Gemeinden da sein. Einmischen will er sich aber nicht mehr. "Das Feld soll frei sein für meinen Nachfolger", betont der 79-Jährige, der sich besonders auf sein Verhältnis zu allen 800 Priestern in der Erzdiözese Wien stolz zeigt.
Kardinal Schönborn - er tritt nun ab
Eine klare Haltung hat der Geistliche beim Thema Migration und Flüchtlinge. Zwar gebe es mit der Verfassung "unverhandelbare Grundwerte", Schönborn mahnt jedoch zu Sachlichkeit statt Emotionen. Migration sei immer eine wechselseitige Situation – alle Seiten würden voneinander lernen. Man solle Geflüchtete "so behandeln, wie man behandelt werden möchte", fordert Schönborn in der "ORF-Pressestunde".
Erst diese Woche sorgte das Rechtsextremismus-Barometer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) für Aufsehen, "Heute" berichtete. Demnach wollen 38 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nicht neben Roma und Sinti leben, 36 Prozent nicht neben Muslimen. Mit etwas Abstand werden auch generell zugewanderte Personen (17 Prozent), Transgenderpersonen (16 Prozent), Juden (10 Prozent), Homosexuelle (acht Prozent) und Menschen anderer Hautfarbe (sieben Prozent) als Nachbarn abgelehnt.
"Nur in Feindschaft zu leben, wird nicht funktionieren"
Man solle "keine Angst vor dem Islam haben", forderte der Erzbichof. Stattdessen plädiert er dafür, Menschen kennenzulernen und persönliche Kontakte auch mehr zu pflegen. "Nur in Feindschaft zu leben, wird nicht funktionieren."
In den letzten 30 Jahren als Erzbischof ist Schönborn viel herumgekommen, im letzten Jahr war er etwa in Saudi-Arabien: "Dort habe ich festgestellt, dass es auch im Islam viele Kräfte gibt, die Angst vor den Radikalen innerhalb der Glaubensrichtung haben", betont das Oberhaupt der heimischen Katholiken. Wichtig sei es, ohne Naivität Brücken zu bauen.
Als Brückenbauer sieht sich der 79-Jährige auch auf politischer Ebene: Man dürfe einander nicht verteufeln. Den Gebrauch von christlichen Sprüchen für Wahlkampagnen, wie "euer Wille geschehe" bei der heurigen Nationalratswahl oder "so wahr mir Gott helfe" bei der Bundespräsidentschaftswahl 2016, will der Erzbischof nicht kommentieren. "Das ist die Verantwortung desjenigen, der das macht. Ich möchte als Bischof nicht der Lehrer der Nation sein, der den Finger erhebt." Vielmehr wolle er auf die christlichen Werte hinweisen.
Auch zur Zukunft der Kirche äußerte sich der Erzbischof, der in der Vergangenheit auch als künftiger Papst gehandelt wurde – ohne aber selbst je Ambitionen gezeigt zu haben. Frauen für Kirchenämter zuzulassen, etwa als Diakoninnen, sei ein Thema, das weiter am Tisch bleibe: Es müsse aber nicht zwangsläufig ein Amt als Priesterin sein: "Weltweit sind Frauen überall in Leitungsfunktionen" – auch in Wien werde eine Gemeinde von einer Frau geleitet. Dass der nächste Papst aus Asien oder Afrika kommt, kann sich Schönborn ebenfalls vorstellen.
"Ich liebe die Kirche"
"Wenn sie nur in ihrer institutionellen Form betrachtet wird, dann geht sie langsam zugrunde", warnt Kardinal Schönborn, der am 22. Jänner seinem 80. Geburtstag feiert. Stattdessen lebe die Kirche von der Sinnsuche. Hier sei sie weltweit auch für jüngere Menschen wichtig: "Vielleicht nicht beim Sonntagsgottesdienst, sondern in neuen Formen", hofft Schönborn, der seit 2024 auch Wiener Ehrenbürger ist. "Ich liebe die Kirche", wurde er am Ende des TV-Interviews emotional.
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Auf den Punkt gebracht
- Kardinal Christoph Schönborn tritt nach fast 30 Jahren als Wiener Erzbischof im Januar 2025 zurück und betont in seiner Abschiedsrede die Wichtigkeit von Toleranz und Offenheit gegenüber dem Islam und Flüchtlingen.
- Er fordert dazu auf, keine Angst vor dem Islam zu haben und betont die Notwendigkeit, Brücken zu bauen und persönliche Kontakte zu pflegen, um Feindschaft zu überwinden.