Niederösterreich
Angeklagtes Trio im Fall Leonie kam im feinen Zwirn
Prozessauftakt am Wiener Landl: Drei Afghanen (19, 20, 23) müssen sich sieben Tage für den Tod der 13-jährigen Leonie verantworten.
Großer Medienrummel im dritten Stock des Wiener Landesgerichtes am Dienstag - von ORF, Servus TV, allen Print- und tragenden Onlinemedien sowie der Bild-Zeitung und RTL waren alle führenden Medien des Landes und eben auch deutsche Medien vertreten und ritterten bereits um 10 Uhr um die besten Plätze im Saal im dritten Stock des Wiener Straflandesgerichtes. Drei Afghanen müssen sich wegen Vergewaltigung mit Todesfolge (es gilt die Unschuldsvermutung bis zur Rechtskräftigkeit des Urteils) verantworten.
Prozessstart verzögerte sich
Der geplante Prozessauftakt um 10.30 Uhr verzögerte sich ein wenig, da ein Laienrichter nicht rechtzeitig erschienen war. Im Gerichtssaal waren auch die Eltern des 23-jährigen Angeklagten (Anwalt Haas, Verteidiger Arbacher-Stöger hatte kurz vor Prozess das Handtuch geworfen - alles dazu hier), der mit seiner Flucht nach England für Aufsehen gesorgt hatte.
Tatverdächtige mit Mappen vor Gesicht
Erst um 11 Uhr erschien der letzte Geschworene, die Angeklagten betraten um 11.03 Uhr mit vorgehaltenen Mappen den Gerichtssaal. In Summe sieben Justizwachebeamte sorgten mit ihrer Präsenz im Gerichtssaal für Ordnung und Sicherheit.
Die Angeklagten hatten sich für den Prozess allesamt fein rausgeputzt, alle trugen Hemd und Anzug. Der 23-Jährige trug dazu Lackschuhe, die jüngeren beiden Angeklagten erschienen in schneeweißen Sneakers.
Dolmetscher
Mit hoher, brüchiger, recht leiser Stimme begann der 23-Jährige, ein Boxer und Kampfsportler, mit seinem Übersetzer zu reden. Auch der 20-Jährige, der von Ex-Detektiv und Anwalt Andreas Schweitzer vertreten wird und der stets angegeben hatte, erst 16 Jahre alt zu sein und Leonies Freund gewesen zu sein, benötigte die Hilfe eines Übersetzers. Nur der zweitangeklagte Wohnungsinhaber (Anwalt Thomas Nirk), der zuletzt als Küchenhilfe rund 700 Euro verdient hatte, spricht gutes Deutsch.
Und nur der Wohnungsinhaber will sich - wie berichtet - schuldig bekennen. Dies ließ Anwalt Thomas Nirk bereits vor dem Prozess durchsickern - alles dazu hier. Und Anwalt Nirk wird versuchen, die Glaubwürdigkeit des 23-Jährigen in Zweifel zu ziehen.
Anwalt Thomas Nirk im "Heute"-Interview kurz vor dem Prozess
Prozess öffentlich
Die Opferanwälte hatten bereits vor Wochen schriftlich einen Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Um 11.20 Uhr wurde der Antrag auf Ausschluss schließlich vom hohen Gericht beraten. Nach kurzer Beratung wurde der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit abgewiesen. Das heißt: Der Prozess ist öffentlich, nur bei einigen, heiklen Videostellen soll die Öffentlichkeit nicht dabei sein dürfen.
Das angeklagte Trio soll Ende Juni 2021 die 13-jährige Leonie aus Tulln an der Donau (NÖ) in einer Mini-Wohnung in Wien-Donaustadt unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und teils gefilmt haben. Die leblose Schülerin wurde dann einfach an einen Baum angelehnt - mehr dazu hier.
Alle Fotos - so kamen die Angeklagten zum Prozess
In seinem Eröffnungsplädoyer richtete sich der Staatsanwalt an die Laienrichter, verwies auf die umfangreichen Medienberichte. "Heute ist der Tag gekommen, an dem sich die Angeklagten für ihr Verbrechen rechtfertigen müssen", so der Staatsanwalt. Es habe ein sehr umfangreiches Ermittlungsverfahren gegeben und die Beweise würden alle am Tisch liegen. Der 23-Jährige sowie der Wohnungsmieter (23, 19) wären seit 2015 in Österreich, der 20-Jährige wäre indes erst im April 2021 über Serbien nach Österreich gekommen.
"Leonie wollte mit den Angeklagten nur 20 Minuten mit und kam niemals wieder" - der Staatsanwalt im Eröffnungsplädoyer
Das Alter des angeblichen Freundes von Leonie hatte dieser stets mit 16 beziffert, dies wurde aber laut Staatsanwalt eindeutig widerlegt. Auch, dass der 20-Jährige eine Beziehung mit Leonie gehabt hätte, stütze das Ermittlungsverfahren überhaupt nicht.
Zahlreiche Gutachten ("Heute" liegen sämtliche Gutachten, Ermittlungsakt (mehr als hundert Seiten) sowie Anklage vor, verzichtet aber bewusst auf bestimmte, erniedrigende Details aus den Expertisen, Anklage oder Verhandlungstagen) belasten die Angeklagten schwer. Und laut einem psychologischen Gutachten wäre Leonie eher ängstlich gewesen, wollte eigentlich nur 20 Minuten mit den Angeklagten mitgehen.
"Und sie kam nie wieder", so der Staatsanwalt mit ernster Stimme. Drei Minuten vor 6 Uhr wurde dann von den Angeklagten das verstörende Video gedreht - mehr dazu hier. Laut Staatsanwalt würden sich alle Angeklagten nicht schuldig bekennen, was ja Anwalt Thomas Nirk kurz vor dem Prozess jedoch ganz anders dargestellt hatte - mehr dazu hier. Denn der 20-Jährige hatte bis vor Kurzem behauptet, nur Leonies Hand gehalten zu haben.
23-Jähriger hielt Leonie für 18plus
"Eine Anklage wegen Mordes war nicht möglich, da wir keinen Vorsatz nachweisen konnten, aber der Tod von Leonie wurde fahrlässig in Kauf genommen. Daher sind die Angeklagten im Sinne der Anklage zu verurteilen", so der Staatsanwalt abschließend.
Der 23-jährige Kampfsportler bekannte sich zum Missbrauch einer Unmündigen nicht schuldig. "Er hat sie älter, über 18 Jahre, geschätzt", so sein Anwalt Haas. Und er habe dem Mädchen keine Suchtmittel verabreicht. Und nur durch die Flucht nach London hätten ihn die anderen beiden Angeklagten so schwer belastet. "Fällen Sie ein faires Urteil", so der Verteidiger in Richtung der Geschworenen.
Die Tatnacht
Wie berichtet, hatte Leonie den Abend des 25. Juni mit ihrer besten Freundin (15) in Tulln verbracht, schrieb über das Handy der Freundin (Leonies Handy war kaputt bzw. hatte die Mutter es immer wieder einkassiert) einen 27-Jährigen an und bat diesen, sie nach Wien zu chauffieren. Leonie verabschiedete sich von ihrer Freundin und traf den 27-Jährigen kurz vor Mitternacht.
Der Autoteileverkäufer brachte das Mädchen zum Donaukanal, Leonie verschwand in der Menge, traf auf den 20-Jährigen und 23-Jährigen (damals 18 Jahre und 22 Jahre) und bekam eine Ecstasy-Pille. Die eine Tablette dürfte bei Leonie allerdings kaum eine Wirkung gezeigt haben: Gegen 2 Uhr früh ging Leonie mit zwei jungen Männern mit in die Wohnung nach Wien-Donaustadt; sie soll dort sieben XTC-Tabletten in einem Eistee untergejubelt bekommen haben. Das Mädchen kippte weg, soll in weiterer Folge mehrmals vergewaltigt worden sein. Wie brutal und herablassend mit Leonie umgegangen worden sein soll, untermauern mehrere Gutachten und das Verletzungsbild der 13-Jährigen.
Als das Mädchen das Bewusstsein verloren hatte, stellten es die Männer unter die Dusche, flößten ihm Joghurt ein. Das Trio bemerkte schließlich, dass Leonie nicht mehr zu retten war, sie legten den leblosen, eilig bekleideten Körper schließlich auf einem Grünstreifen unweit der Wohnung ab. Der 22-Jährige erkannte sofort den Ernst der Lage, packte eilig seine Sachen und bereitete seine Flucht vor.
Festnahmen und Rechtfertigungen
Der 19-Jährige und der 20-Jährige wurden binnen kurzer Zeit festgenommen. Der 20-Jährige gab sich als 16-Jähriger aus und gab an, mit Leonie eine Beziehung geführt zu haben und am Tatabend selbst betäubt worden zu sein und sich nach einer Dusche an nichts mehr erinnern zu können. Der 19-jährige Wohnungsbesitzer gab zu Protokoll, bei der mutmaßlichen Vergewaltigung durch den 23-Jährigen lediglich Leonies Hand gehalten zu haben. Der 23-Jährige wurde nach seiner abenteuerlichen Flucht in England von Zielfahndern festgenommen - alles dazu hier.
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Wien sollen die drei Beschuldigten bereits beim Betreten der kleinen Wohnung in Wien-Donaustadt beschlossen haben, Leonie unter Drogeneinfluss zu setzen und gemeinsam zu vergewaltigen. Den Tod sollen sie jedoch nicht geplant haben, dies bewahrte sie auch vor einer Mordanklage. Dennoch ist das Strafausmaß gleich hoch wie bei Mord: Bis zu lebenslanger Haft erwartet den Erstangeklagten (23). Die anderen beiden Beschuldigten waren bei der mutmaßlichen Tat erst 18 Jahre alt (oder älter, aber unter 21 Jahre, Anm.), sie haben vorm Schwurgericht eine Höchststrafe von bis zu 20 Jahre zu befürchten.
Bemerkenswert ist auch noch der Verschleiß an renommierten Anwälten: Staranwalt Peter Philipp warf nach Drohungen das Handtuch - mehr dazu hier. Aber auch Staranwältin Astrid Wagner oder Matthias Burger warfen das Handtuch - mehr dazu hier. Dann übernahm der Mann für spezielle und grobe Fälle, Anwalt Manfred Arbacher-Stöger, das Mandat, letzte Woche kam es aber auch zwischen dem Top-Advokat und dem 23-jährigen zum Zerwürfnis - mehr dazu hier.
Ein Urteil soll es erst am siebenten Prozesstag (6. Oktober 2022) geben. Auch eine Mahnwache vor dem Gericht soll am ersten Prozesstag abgehalten werden. Für alle Tatverdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.
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