Politik

"Alles voller Blut": Politiker leidet nach Corona stark

Grünen-Abgeordneter Michel Reimon hatte sich völlig unbemerkt mit Corona infiziert, jetzt leidet er unter schlimmen Long-Covid-Symptomen. 

Roman Palman
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Nationalratsabgeordneter Michel Reimon (Grüne), Archivbild 2019.
Nationalratsabgeordneter Michel Reimon (Grüne), Archivbild 2019.
Michael Gruber / EXPA / picturedesk.com

Die Geschäfte haben offen, Lokale dürfen wieder besucht werden und bald wird auch die Sperrstunde weiter nach hinten geschoben. Schon jetzt benehmen sich junge Menschen in ganz Österreich aber so, als ob es das Coronavirus plötzlich nicht mehr geben würde. Doch die Gefahr ist immer noch real und bleibt oft unbemerkt.

Welche fatalen Folgen das für die Gesundheit eines jeden einzelnen haben kann, musste der Grüne Nationalratsabgeordnete Michel Reimon am eigenen Leib erfahren. In einem emotionalen Facebook-Beitrag schildert er, wie sein Körper über Monate hinweg, ohne, dass die Ärzte eine Diagnose stellen konnten, langsam auf einen Kollaps zusteuerte. Erst vor einem Monat erfuhr er die Ursache: Long Covid.

"Wann genau weiß ich nicht. Vielleicht schon ab November, jedenfalls spätestens im Dezember, begannen meine Probleme. Ich war oft müde und hatte starke Leistungsschwankungen. Ein paar Tage Vollgas, ein paar Tage kaputt...", beschreibt Reimon seine Probleme. Anfangs habe er sich wegen seines anstrengenden Jobs nicht sonderlich darüber gewundert. Corona hatte er als Ursache eigentlich für sich ausgeschlossen, denn sämtliche Schnelltests verliefen negativ.

Doch ab Dezember sei er immer öfter an sein Limit gekommen und musste kürzer treten: Selbstreflektiert berichtet er, wie er Freundschaften und Social-Media-Aktivitäten gekappt und auch viele Herzensprojekte abbrechen musste, um seinen Job als Mandatar weiter versehen zu können. 

Blutüberströmt aufgewacht

Ende Jänner gipfelten die Symptome in einem schockierenden Erlebnis: "Ich sitze in meinem Schlafzimmer auf dem Boden, alles ist voller Blut. Vor mir stehen zwei Sanitäter und einer sagt 'Ah, jetzt kommt er zu Bewusstsein... Hallo, hören Sie mich? Sie kennen sich jetzt nicht aus, oder?'"

Er hatte einen epileptischen Anfall erlitten, schildert Reimon. Dabei hatte er sich eine leichte, aber blutende Verletzung zugezogen. Trotzdem musste er in Folge ins Spital. Obwohl es ihm körperlich gleich wieder besser gegangen sei, kamen die Ärzte auf keine stimmige Diagnose.

Er habe noch an einen Zufall geglaubt, so der Grünen-Politiker weiter. Also habe er trotz anhaltender Erschöpfung weitergearbeitet – bis zu einem zweiten Anfall Mitte April.

Erst durch einen Tipp einer Freundin ließ er einen Antikörpertest bei sich durchführen. Zwei Tage später lag das Ergebnis vor: positiv. Reimon hatte sich unbemerkt mit dem Coronavirus infiziert.

Unterschiedliche Symptome

Mit seiner Leidengeschichte möchte der Politiker öffentlich auf die Gefahren durch Long Covid hinweisen. Viele hätten mit den Symptomen zu kämpfen, wüssten aber vielleicht wie er nicht, warum es ihnen so schlecht geht. Dass die Symptome mannigfaltig und bei jedem Menschen anders sind, macht die Identifizierung der Krankheit nicht leichter.

Im Gegensatz zu vielen anderen Betroffenen habe er keine Atemprobleme, stattdessen würde sein Immunsystem weiter Viren bekämpfen, die schon längst nicht mehr in seinem Körper sind, was bei ihm eine neurologische Entzündung auslöse.

Gehirn hat "Aussetzer"

"Bei starker Belastung habe ich Konzentrationsstörungen, vor allem Multitasking fällt mir schwer. Etwa alle 1-2 Wochen kommt es in konzentrierten Situationen zu 'Aussetzern' von rund einer Minute."

Dabei sei er desorientiert, könne Gespräche nicht fortsetzen und müsse sich sammeln. Zehn Minuten später gehe es ihm aber wieder "okay" und er könne weiterarbeiten, sogar Radfahren. Einen weiteren Anfall habe er aber durch Reduktion seines Aufgabenpensums zum Glück bisher verhindern können.

"Suchen erst den Weg durch den Nebel"

Doch warum jetzt diese persönliche Enthüllung? "Ich schreibe das so ausführlich, weil es ein politisches Problem ist. Wenn wir auf mehr als 100.000 Long Covid-Fälle zusteuern, ist die Pandemie noch nicht besiegt, wenn die Infektionszahlen gering sind". Long Covid werde uns noch lange beschäftigen, mahnt der Nationalratsabgeordnete. Eine eigene Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium unter Wolfgang Mückstein werde sich nun detailliert damit befassen. 

"Was mich besonders beunruhigt: Ich hatte Corona, sagt der Antikörper-Test, aber ich habe es monatelang nicht bemerkt. Wie viele Menschen sind da draußen, denen es auch so geht? Wir wissen es nicht."

Reimon warnt: "Dass alle eure Nasen-Rachen-Tests negativ waren, heißt nur, dass ihr zu diesen Zeitpunkten das Virus nicht hattet und niemanden anstecken konntet. Es heißt nicht, dass ihr es nie hattet".

Sein Appell an alle: "Wenn euch an euch oder euren Lieben etwas seltsam vorkommt, macht im Zweifelsfall einen Antikörpertest und redet mit ÄrztInnen. Es ist medizinisch noch so viel unklar, wir suchen erst den Weg durch den Nebel. Wir müssen das politisch gemeinsam tun, aber es schadet nicht, wenn man gleichzeitig auch auf sich selbst schaut."

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    Karl Schöndorfer / picturedesk.com