Grüne Kandidatin im Strudel
Affäre "Lügen-Lena" – die Fakten zum Polit-Skandal
Grün-Kandidatin Lena Schilling soll Liebesaffären, Belästigungs- und Gewaltvorwürfe erfunden haben. "Heute" hat die Details – und was dahintersteckt.
Seit Dienstagabend stehen die Grünen mit dem Rücken zur Wand. Nachdem der "Standard" in einem Artikel Vorwürfe gegen die Grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling thematisiert hatte, wonach die 23-Jährige existenzbedrohende Gerüchte über Personen in ihrem Umfeld verbreitet habe, müssen Polit-Senkrechtstarterin Schilling und ihre Erfinder bei den Grünen ein Debakel fürchten, noch ehe der EU-Wahlkampf richtig Fahrt aufgenommen hat. In sozialen Netzwerken wird die Jung-Politikerin als "Lügen-Lena" bezeichnet. Doch was steckt wirklich hinter den Anschuldigungen?
"Heute" fasst hier zusammen, worum es im Schilling-Skandal geht.
1. Brisantes Gerichtsdokument
Im Zentrum der Vorwürfe steht eine Unterlassungserklärung, die Lena Schilling am 12. April 2024 unterschrieben hat. Darin verpflichtet sie sich, Aussagen über ein ehemals mit ihr befreundetes Ehepaar, wonach der Mann seine Frau schlage und diese in Folge eines solchen Gewaltakts eine Fehlgeburt erlitten habe, zu unterlassen.
2. Das betroffene Ehepaar
Bei dem Ehepaar handelt es sich um die Öko-Aktivisten und Buchautoren Veronika und Sebastian Bohrn Mena. Diese haben das auf X (vormals Twitter) bestätigt und auch Stellung genommen. Veronika Bohrn Mena sprach von "frei erfundenen" Vorwürfen ihrer früheren Freundin Schilling.
3. Erfundene Belästigung und Affären
Schilling soll außerdem Belästigungsvorwürfe und Affären lanciert haben, die nicht der Wahrheit entsprechen. Der "Standard" hat für seine Enthüllungsstory mit mehr als 50 Personen gesprochen, die übereinstimmend von einem problematischen Verhältnis der Grünen Kandidatin zur Wahrheit berichten, aber vorerst anonym bleiben wollten. Einem Journalisten eines Privatsenders hat Schilling demnach Belästigung vorgeworfen – dieser bekam daraufhin Ärger mit seinem Arbeitgeber, eine interne Untersuchung wurde eingeleitet, bei der sich die Vorwürfe als unwahr herausstellten. Einem weiteren bekannten TV-Journalisten soll Schilling – für sie gilt die Unschuldsvermutung – eine Affäre mit sich und anderen Grünen angedichtet haben.
4. Grün-Abgeordneter musste zurücktreten
Unklarheiten gibt es im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Grünen Nationalratsabgeordneten Clemens Stammler im Herbst des Vorjahres. Er hatte in alkoholisiertem Zustand im Wiener Klub U4 einen Journalisten tätlich angegriffen und leicht verletzt – zu der Attacke kam es angeblich, weil Stammler zuvor eine junge Aktivistin – Lena Schilling – belästigt habe und der Journalist ihr zur Seite gesprungen war. Berichtet wurde damals, die Grüne Klubchefin Sigi Maurer habe von Belästigungsvorwürfen gegen Stammler gesprochen – heute betont Maurer jedoch, rund um Stammlers Rücktritt sei es nicht um Belästigung gegangen. Stammler selbst äußerte sich jetzt in einem Statement gegenüber Medien: "Sigi Maurer hat recht mit ihrer Behauptung, dass es nie eine Belästigung meinerseits gab. Was es allerdings schon gab, waren die Belästigungsvorwürfe."
5. So reagieren die Grünen
Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Tag nach Publikwerden der Vorwürfe gegen Schilling stellte sich die Grüne Parteispitze geschlossen hinter Schilling. Es handele sich um eine gezielte Kampagne gegen eine junge Frau. Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler sprach von "anonymem Gefurze". Inhaltlich gingen weder Schilling noch die Grünen Granden auf die Vorwürfe ein; sie wurden also auch nicht dementiert. Das Ganze sei Privatsache und habe nichts mit der politischen Agenda für den EU-Wahlkampf zu tun.
6. Auch Gerüchte über Grüne Maurer
Bei der Pressekonferenz stand auch die Grüne Klubchefin Sigi Maurer Seite an Seite mit Schilling und bekundete ihre Loyalität. Allerdings könnte es da hinter den Kulissen kräftig brodeln. Denn Schilling soll auch Gerüchte über Maurer verbreitet haben. Sie habe ihr Affären mit anderen Grün-Politikern und mit Journalisten angedichtet, schreibt der "Standard". Außerdem habe Schilling behauptet, Maurer habe sie selbst "unangenehm und übergriffig bedrängt". Das soll Schilling Freunden, anderen Grünen sowie Journalisten erzählt haben.
Schilling selbst reagierte darauf am Freitag via "X": Ich habe nie behauptet, dass Sigi Maurer mir gegenüber übergriffig war. Sigi ist eine Freundin und ich bin froh, sie in meinem Leben zu haben", postete die Klimaaktivistin. Und: Sie habe öfter Gerüchte über Affären gehört und ohne groß nachzudenken weitererzählt – "Ich weiß, dass das nicht g'scheit war und das tut mir leid."
7. Der Zeitpunkt
Auffällig ist der Zeitpunkt, an dem die ganze Causa öffentlich wurde. Nämlich just zu einem Datum, an dem es den Grünen formal gar nicht mehr möglich gewesen wäre, Schilling vom EU-Wahlzettel zu nehmen. Am vergangenen Mittwoch war hier der Stichtag. Selbst im Falle eines Rücktritts wäre Schilling am Wahlzettel geblieben. Pikant: Die "Standard"-Enthüllungen kamen nur wenige Stunden nach dem offiziellen Wahlkampfauftakt der Grünen am Wiener Karlsplatz.
8. Grüne wussten schon länger Bescheid
Eine mögliche Affäre Schilling machte seit einigen Wochen die Runde. Und spätestens mit der gerichtlichen Unterlassungserklärung, datiert mit 12. April, musste die Grüne Parteiführung Bescheid wissen. Lena Schilling wurde von der gleichen Anwältin (Maria Windhager) vertreten, die auch die Grünen vertritt. Pikanterweise ist sie auch Anwältin des "Standard". Dafür, dass sie schon seit einigen Wochen wussten, was da auf sie zurollen würde, waren die Grünen jedenfalls schlecht vorbereitet, wird vielfach kritisiert.
Wahlkampfauftakt wenige Stunden vor Veröffentlichung der Vorwürfe
9. Schilling wischt Vorwürfe im TV weg
Am Donnerstagabend trat Lena Schilling erstmals nach Bekanntwerden der Vorwürfe im TV auf – in der "Elefantenrunde" mit allen EU-Spitzenkandidaten auf "Puls 4". Eingangs waren auch hier die Vorwürfe gegen die junge Grüne Kandidatin Thema. Es gehe "ganz viel um Gerüchte und Behauptungen", wischte sie die Anschuldigungen vom Tisch und sagte in Bezug auf den außergerichtlichen Vergleich mit den Bohrn Menas: "Bei dem Vergleich geht es darum, dass ich mir Sorgen um meine Freundin gemacht habe und in ehrlicher Sorge mit Menschen darüber geredet habe, ob man da handeln muss, weil die Sorge war, ob es Gewalt in einer Beziehung gibt." Dass das nun nach außen getragen worden sei, bedaure sie zutiefst.
10. Wie es weiter geht
Polit-Experten rechnen nach dem Angriff auf die Glaubwürdigkeit der Spitzenkandidatin Lena Schilling mit Stimmenschwund für die Grünen. Immerhin gehe es um alles andere als Kleinigkeiten. "Es geht ja in diesem Fall nicht darum, ob Schilling irgendeinen Schokoriegel hat mitgehen lassen. Sexuelle Belästigung ist für die Grünen ein relevantes Themenfeld, egal ob vermeintliches Opfer oder vermeintlicher Täter. Dort hat sich jeder einwandfrei zu verhalten", so Meinungsforscher Peter Hajek gegenüber "Newsflix".
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