Coronavirus
"Lockdown schneller zurück, als wir uns vorstellen"
Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres warnt die Regierung: "Wir laufen Gefahr, die Fehler des vergangenen Sommers exakt zu wiederholen."
Die Corona-Zahlen sinken, am Samstag wurden österreichweit nur 136 Neuinfektionen gemeldet. Ab 1. Juli folgen weitere Öffnungsschritte. So dürfen auch Clubs und Diskotheken mittels "3G-Regel" wieder aufsperren, die Sperrstunde sowie die FFP2-Maksenpflicht fällt.
Angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante sehen einige Experten die Regelung kritisch. "Wir laufen Gefahr, die Fehler des vergangenen Sommers exakt zu wiederholen", warnt etwa Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. "Auch damals haben die politisch Verantwortlichen gedacht, das Virus sei nun einfach verschwunden. Wenige Monate später haben wir uns in einem Lockdown mit vollen Intensivstationen wiedergefunden", betont er in einer Aussendung.
Hälfte noch ungeimpft
Der einzige Unterschied sei, dass es nun Impfstoffe gibt. "Diese müssen wir nun dringend kaufen und schnell verimpfen", appelliert Szekeres. Vor allem angesichts der Delta-Variante des Coronavirus sei das wichtiger denn je – denn bei dieser Variante brauche es für einen effektiven Schutz das vollständig erfüllte Impfschema. "Derzeit ist die Lage aber so, dass fast die Hälfte der impfbaren Bevölkerung noch nicht einmal einen Stich erhalten hat und völlig ungeimpft ist. Das Impftempo muss dringend erhöht werden und die Organisation muss verbessert werden", fordert er.
Er könne auch nicht verstehen, warum der Bundeskanzler schon jetzt eine Million Impfdosen an das Ausland verschenke. "Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind noch nicht geimpft – es ist noch nicht die Zeit für großzügige Spenden gekommen."
Neun unterschiedliche Impftempi
Derzeit gebe es in den neun Bundesländern neun unterschiedliche Impfstrategien und unterschiedliche Tempi. "Daher hinken einzelne Bundesländer bei der Durchimpfungsrate nach - beispielsweise Wien, wo man offensichtlich großes Misstrauen gegen die eigenen Hausärztinnen und Hausärzte hegt. Anders ist die mangelnde Versorgung der niedergelassenen Ärzte, die ihre riesige Impfbereitschaft jederzeit unter Beweis gestellt haben, nicht zu erklären", sagt Szekeres. Doch gerade auf die Vertrauensärzte komme es jetzt an. "Es braucht jetzt vermehrt Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, die am besten der behandelnde Arzt leisten kann", so der ÖÄK-Präsident.
Laut Szekeres sei es naiv zu glauben, dass die Delta-Variante in England bleiben werde. "Wir befinden uns aktuell in einem Wettlauf mit dem Virus, es müssen dringend Impfstoffe besorgt werden. Es sieht derzeit nicht so aus, als hätten Bund und Länder etwas aus den bisherigen Infektionswellen gelernt. Es muss ein Einkauf im großen Stil stattfinden und es muss eine einheitliche und schnelle Verimpfung unter verstärkter Einbindung der niedergelassenen Ärzte stattfinden. Die aktuellen Öffnungen sind zu begrüßen – sie sind ein Zeichen für die Erfolge, die wir gemeinsam im Kampf gegen die Pandemie erreicht haben und die Bevölkerung hat sich diese Erleichterungen verdient. Aber wenn wir keine Strategie hinter den Öffnungen verfolgen, dann kehrt der Lockdown schneller zurück, als wir uns aktuell vorstellen können", warnt Szekeres abschließend.