Gesundheit
Ärzte fordern monatliche Spritze für Drogenabhängige
Streit um Spritze! Die Ärztekammer möchte, dass ein neues Substitutionsmedikament von der Gesundheitskasse übernommen wird. Die steht auf der Bremse.
Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in der Ärztekammerzentrale Wien wurden Argumente geliefert, warum die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) moderne Formen der Opiat-Substitutionstherapie bezahlen sollte. Derzeit müssen sich die etwa 17.000 Betroffenen in Österreich täglich in Apotheken ihre Tabletten holen. Norbert Jachimowicz, Leiter des Referats für Opioid-Substitutionsangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer, fand klare Worte: "Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Substanzgebrauchsstörung wird von Österreichischen Gesundheitskasse leider sehr stiefmütterlich behandelt."
Spritze wirkt ein Monat
Für ihn sind die neuen Präparate mit Depotwirkung, die ein ganzes Monat lang Wirkung zeigen, die Zukunft. Den großen Vorteil des von Ärzten injizierte Depotmedikament Buvidal (Buprenorphin) sehen die Vortragenden in der selteneren Anwendung. Im Gegensatz zu den täglich einzunehmenden Tabletten würde dadurch der Alltag der psychisch Kranken vereinfacht, das Rückfall-Risiko reduziert und die Stigmatisierung bekämpft. Darüber hinaus seien missbräuchliche Verwendung sowie Handel de facto ausgeschlossen und der Kontakt zur Opiatszene würde an Bedeutung verlieren.
Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz an der Medizinischen Universität Wien, hat Erfahrungswerte: "Wir verabreichen dieses Medikament erfolgreich im AKH. Die Patientinnen und Patienten und auch das interdisziplinäre Behandlungsteam berichten über positive Erfahrungen, einer guten Verträglichkeit und dem Vorteil, nicht täglich oder wöchentlich in der niedergelassenen Apotheke die Medikation beheben zu müssen und so eine vorteilhafte Integration in den Arbeitsalltag ermöglicht wird."
Kostenfaktor als Streitthema
Bislang wird das im Jahr 2018 von der EMA zugelassene Medikament Buvidal R neben der Krankenhausapotheke auch in österreichischen Gefängnissen, die ein eigenes unabhängiges Budget haben, verabreicht. Die Kosten für die moderne Depotarzneiform werden pro Patient und Monat mit etwa 500 Euro beziffert, so Gabriele Fischer.
Damit ist es im Vergleich zu oral einzunehmenden Präparaten fünf- bis sechsmal so teuer. Norbert Jachimowicz und Gabriele bevorzugen den Vergleich mit anderen psychischen Krankheiten. Für Schizophrenie oder bipolarer Störung Erkrankte gibt es seit Längerem injizierbare Depotpräparate, die von der ÖGK bewilligt wurden. Jachimowicz ist verwundert: "Warum dann nicht auch bei Patienten mit Substanzgebrauchsstörungen?“ Gabriele Fischer führt aus: "Das ist wahnsinnig günstig im Vergleich zu anderen Medikamenten, die psychisch Kranke bekommen. Der Preis für die Präparate, die Schizophrene bekommen, liegt bei 700 Euro und wir sprechen hier von vergleichbaren Gruppen.“
Appell an ÖGK
Im Jänner 2021 hätte Jachimowicz noch positive Signale wahrgenommen, als ihm die ÖGK angeblich mitgeteilt habe, dass nur noch die Preisfrage mit dem Pharmakonzern geklärt werden müsse. Im Juni hätten Verantwortliche der ÖGK auf seine Mail nicht geantwortet, weshalb er den Schritt in die Öffentlichkeit wählte. Dem vorausgegangen war ein "Rundschreiben der ÖGK an alle niedergelassenen Ärzte, dass das nicht bewilligt wird."
Für ihn geht es auch darum, einer Zwei-Klassen-Medizin entgegenzuwirken: "Damit wird vielen Patienten eine wesentliche Erleichterung bei der Therapie vorenthalten. Psychiatrisch Kranke werden damit in ihren Behandlungsmöglichkeiten diskriminiert." Er appelliert nun an die ÖGK auch die Folgekosten zu berücksichtigen, die sich durch Rückfälle, Missbrauch und intravenösem Konsum der oral einzunehmenden Formen mit all seinen negativen Gesundheitsfolgen ergeben.