Vorweg einmal: Auch wenn in meiner Brust zwei Herzen schlagen, wenn es um die Kastration bei Hunden geht – nämlich das Herz für den Tierschutz, das unter keinen Umständen weitere, vielleicht ungewollte Welpen verzeiht und das Herz der Hundemama, die natürlich schon weiß, dass Hormone eine wichtige Funktion erfüllen, hat sich die Frage einer RÜDEN-Kastration nie gestellt.
Mein wunderbarer "Kirby" (du fehlst so sehr!) war nämlich durch seine intakte Männlichkeit bis zum Schluss weder gestresst noch eingeschränkt. Es soll ja Buben geben, die während der Läufigkeit der Mädchen sogar das Fressen verweigern und völlig erledigt sind, wenn auch nur der Hauch einer "Willigen" durch den Hausflur weht. Oder auch Rüden, die plötzlich den zwei Meter hohen Gartenzaun überqueren, um die hitzige Nachbarshündin zu besuchen.
Ich kannte das alles nicht – das einzige Mal, womit mir Kirby das eventuelle Interesse am anderen Geschlecht signalisierte war, als er mitten im Lauf aus dem Agility-Parcours ausbrach, weil eine läufige Hündin vor ihm dran war – na, es sei ihm verziehen. Ansonsten war er vielleicht nur ein wenig schnüffelnder zu der duftenen Zeit unterwegs, aber noch lange kein Fall für die Kastration. Mit "Keks" ist das eine andere Geschichte…
Wer meinen Blog verfolgt, weiß, dass "Keks" in vielerlei Hinsicht sehr besonders ist. Abgesehen davon, dass sein sibirisches Mischlingsblut für die notwendige Kommunikationstreue sorgt (*bell*grummel*brumm*pfeif*) ist das Schäfer-Collie-artige in ihm, für den Frust, den Stress und die Ungeduld zuständig – Yippieh. Nachdem er aber jetzt mit knapp drei Jahren wohl wirklich erwachsen und seine Charakterbildung abgeschlossen sein dürfte, entschloss ich mich dazu, den Keks chemisch kastrieren zu lassen.
Anders nämlich als "Kirby" ist "Keks" der Weiblichkeit nämlich komplett verfallen und vergisst mich am anderen Ende der Leine, wenn er einen köstlichen Geruch entdeckt – dann wird geschnüffelt, geleckt (*geh, pfui deifel*) und sich dabei sogar am Boden festgekrallt, um jedes Duftpartikel zu erwischen. Seine Pupillen sind erweitert, die Konzentration ist am Poppes und sein Cortisolspiegel liegt vermutlich im selben Bereich wie bei Hunden mit Cushing-Syndrom. Am schlimmsten jedoch ist, dass dem hyperallergischen Keks fremder Harn bestimmt noch weniger zuträglich ist als anderen Rüden und er schon alleine deshalb damit aufhören muss.
Da ich aber zunächst einmal feststellen möchte, wie sich weniger Testosteron bei "Keks" auswirkt, bevor ich mich vielleicht für eine operative Kastration entscheide, bekam er am 30. Jänner den Halbjahres-Chip. Im Best-Case reduziert sich einfach sein Stress und er kann entspannter und fröhlicher durch die Welt marschieren. Im Worst Case wird er aber vielleicht sogar arbeitsunwillig und faul.
Der Chip selbst ist ein Klacks und wird dem Hund zwischen die Schultern verabreicht. Mit einer Tube seiner veganen Hanfpaste lässt "Keks" wie ein Frettchen beim Tierarzt sowieso alles über sich ergehen.
In der ersten Woche konnte ich noch keine Veränderung bei "Keksi" feststellen. Fürchte mich aber besonders vor Woche drei und vier – denn was man beim Chip wissen sollte? Zuerst steigt der Testosteron-Spiegel ordentlich an, bis er dann sukzessive abflaut.
Öha, die Männlichkeit dürfte sich schon etwas breiter machen, als noch vor ein paar Tagen, denn plötzlich wird nicht nur draußen alles markiert, sondern auch noch nach jedem Tropferl tüchtig hinterher gescharrt.
Und zack – die dritte Woche heißt jetzt nur noch die "Todeswoche" aka "so mach’ ich das Frauli schiarch". Beim frühmorgendlichen Spaziergang sind die Hunde eigentlich immer an der Schleppleine und wir fahren zu diesem Zweck auch zu den passenden Feld- oder Waldwegen. Immerhin sollen sie mich ja brav arbeiten lassen und dürfen sich deshalb um 06:30 Uhr ordentlich ausschnüffeln. "Ausschnüffeln" – aha.
Keks hatte es aufgrund seines Testosterons-Zenits etwas missverstanden, wechselte in einem Affentempo plötzlich die Richtung und rannte in die Zehn-Meter-Leine. So schnell konnte ich gar nicht schauen, küsste ich mit meinem Jochbein den Schotterweg und musste im ersten Schock erstmal fühlen, ob noch alle Zähne da sind, bis ich mein blau-blutiges Wangerl im Handy erblickte. Es folgte eine ziemlich eindeutige Diskussion mit dem "Hormon-Kräcker" – "alles wird akzeptiert, aber das Frauli entstellen gilt nicht!"
Die vierte Woche war zwar immer noch ziemlich verschnüffelt und auch unkonzentriert, aber kleine Nuancen eines weniger gestressten Hundes waren erkennbar.
Jackpot! Keks ist seit der fünften Woche ein entspannter und wesentlich fröhlicherer Hund. Man hat so das Gefühl, dass sein kleines Hundehirn nun nicht mehr durch den Hormonnebel berauscht ist, sondern er imstande ist, seine Umwelt besser einzuschätzen, bevor er reagiert. Das beste allerdings ist seine Aufmerksamkeit. Er dürfte nun von dieser Ambivalenz zwischen "Frauli gefallen" und "Duftnoten erraten" befreit sein und auch sein Sozialverhalten gegenüber anderen Hunden ist viel toleranter.
Eh logisch – wenn das Sexualhormon nicht ständig auf Konkurrenz hinweist, kann man schließlich auch männliche Freunde haben und muss nicht immer mit geschwellter Brust durch die Hundezone marschieren. Nicht falsch verstehen – "Keks" war nie unverträglich, aber er hat schon bei frechen Jungs seinen Standpunkt vertreten, während er jetzt sofort abrufbar ist, sich umdreht und mit mir aus der Situation geht.
Ein paar Wochen haben wir noch, um auch die "schlimmste" Duftzeit mit den Mädels genau zu überprüfen, aber wenn es so bleibt, wie es ist, sehe ich keine Veranlassung dazu, den Zustand wieder mit Stress und Überforderung zu füllen. Ich weiß allerdings noch nicht, ob er tatsächlich operativ kastriert wird, oder einfach der Chip seine Wirkung tun soll – bis er vielleicht im höheren Alter die Hormone wieder bräuchte …? Wie siehst du das? Schreib mir gerne auf "tiere@heute.at" oder in den Kommentaren deine Meinung.
Christine Kaltenecker wurde bereits in ein Haus mit Hund hinein geboren und entschied sich bewusst für ihren ersten, eigenen Hund mit 14 Jahren aus dem Tierheim in Graz (1997 – 2011).
Seelenhund "Kirby" (14.10.2008 bis 06.03.2025) wurde ihr als Notfallwelpe zur Flaschenaufzucht von einem Tierschutzverein aus der Slowakei überbracht und ihr Mädchen "Kennedy" (8) machte aus ihr ebenfalls einen Pflegestellen-Versager.
Zuletzt zog Terrorkrümel "Keks" am 16. August 2022 aus dem Wiener Tierquartier ein und stellt den Alltag in jeglicher Hinsicht auf den Kopf.