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270 Tote, 2600 Verletzte– darum eskaliert Lage im Sudan

Im nordafrikanischen Sudan herrschen seit Tagen Gewalt und Chaos. Bisher soll es 270 Tote und 2.600 Verletzte geben. Das musst du dazu wissen.

Bei schweren Kämpfen im Sudan wurden bisher 270 Menschen getötet.
Bei schweren Kämpfen im Sudan wurden bisher 270 Menschen getötet.
REUTERS

Bei den andauernden Kämpfen im Sudan hat die Intensität der Luftangriffe vor allem auf Ziele in der Hauptstadt Khartum in den frühen Morgenstunden am Mittwoch zugenommen.

Seit Ausbruch der Kämpfe in dem nordafrikanischen Land vor fünf Tagen sind laut den Vereinten Nationen 270 Menschen ums Leben gekommen, 2.600 wurden verletzt. Mittlerweile sind Tausende Zivilisten in ihren Wohnungen und Häusern gefangen, oft ohne Strom und ohne Möglichkeit, Essen, Wasser oder Medikamente zu besorgen.

Warum ist die Gewalt ausgebrochen?

Hintergrund der gewalttätigen Auseinandersetzungen ist der Machtkampf zweier Generäle. Dabei stehen sich Machthaber und Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und sein Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, Anführer der paramilitärischen RSF-Miliz (Rapid Support Forces), gegenüber. Gemeinsam hatten sie 2021 gegen die Übergangsregierung geputscht, die nach dem Sturz des Autokraten Omar al-Baschir seit 2019 amtierte. Dann übernahm Burhan die Führung und Daglo, genannt "Hemeti", wurde sein Vize.

Doch: "Das war nie ein echtes Bündnis, sondern eine Zweckehe", sagt der Politikwissenschaftler Hamid Chalafallah. Die Differenzen vertieften sich und eskalierten schließlich, als die RSF-Miliz in die reguläre Armee eingegliedert werden sollte – eigentlich ein Schritt hin zur Bildung einer zivilen Regierung.

Worum kämpfen die beiden Lager?

Letztlich geht es im Konflikt zwischen al-Baschirs Soldaten der regulären Armee und "Hemetis" RSF-Milizen um die Macht im Sicherheitsapparat – und damit um den Einfluss auf den Sudan insgesamt. Denn die Sicherheitskräfte im Sudan kontrollieren große Teile der Wirtschaft und damit auch Ressourcen wie Gold und Öl.

Wer sind "Hemeti" und seine RSF-Miliz?

Milizenführer "Hemeti" ist ein Kamelhändler, dem es gelungen ist, zu einem der mächtigsten Männer des Sudan aufzusteigen. Er wurde von Langzeitdiktator al-Baschir unterstützt und wurde reich durch die Kontrolle über Goldminen. So konnte er mit der RSF eine eigene Truppe aufbauen, die fast gleich stark wie die sudanesische Armee ist.

Der paramilitärischen Truppe gehören Tausende ehemalige Kämpfer der berüchtigten arabischen Dschandschawid-Miliz an. Diese hatte Diktator al-Baschir seit 2003 gegen nicht-arabische ethnische Minderheiten in der westlichen Region Darfur eingesetzt. Im Darfur-Konflikt wurden 300.000 Menschen getötet und 2,5 Millionen vertrieben.

Die RSF hat auch sonst Blut an den Händen: 2015 schloss sich die RSF der von Saudi-Arabien geführten Koalition im Krieg im Jemen an und soll auch in Libyen gekämpft haben. 2019 sollen die Milizionäre in Khartum prodemokratische Demonstranten getötet haben.

Und die reguläre Armee?

Auch Armeechef al-Burhan ist kein Unschuldslamm. Sein Militär hat die Macht an sich gerissen, die Zivilgesellschaft spielt für ihn kaum eine Rolle. Der seit dem Sturz von Diktator al-Baschir erhoffte Demokratisierungsprozess macht kaum Fortschritte.

Viele Bewohnerinnen und Bewohner des Sudans fühlen sich vom Militär mittlerweile verraten. Diese Empfindung macht sich auch RSF-Führer "Hemeti" zunutze. Er beschuldigt seinen Kontrahenten, Reformen zu vereiteln. Ganz unrecht hat Daglo damit nicht: "Noch immer sind viele staatliche Einrichtungen mit Loyalisten des alten al-Baschir-Regimes besetzt. Diese haben den Demokratisierungsprozess von Beginn an abgelehnt", sagt Gerrit Kurtz, Sudan-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Kommt es im Sudan jetzt zum Bürgerkrieg?

Ja, das befürchten Beobachter zunehmend. Je länger die Kämpfe im Land anhalten, desto mehr bestehe die Gefahr, dass sie sich zu einem Bürgerkrieg ausweiten. Denn beide Generäle haben lokale Unterstützer und beide Seiten sind etwa gleich stark. Selbst wenn eine Partei in der Hauptstadt siege, "wird der Krieg anderswo im Land weitergehen", befürchtet Alan Boswell vom Thinktank "Crisis Group". "Wir befinden uns bereits in einem Worst-Case-Szenario und steuern auf noch dramatischere Ereignisse zu."

Was heißt "noch dramatischere Ereignisse"?

Dass der Konflikt eskaliert und sich ausweitet. Denn: "Der Sudan ist nicht irgendein Land. Es hat echten politischen Einfluss und ist für Mächte wie Ägypten, aber auch für die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien oder für Russland von Bedeutung, das plant, einen Marinestützpunkt im Roten Meer zu errichten", so etwa die Zeitung "Les Dernières Nouvelles d’Alsace".

Die engen Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien könnten aber auch eine Chance sein, dass diese Länder eine wichtige Rolle bei Vermittlungen um Frieden spielen.

Was ist mit der Bevölkerung?

Tausende Menschen fliehen wegen der schweren Kämpfe aus der Hauptstadt Khartum. Sie berichteten, die Straßen seien mit Leichen übersät. Andere sitzen in ihren Wohnungen fest, gefangen zwischen den Fronten der Häuserkämpfe. Ihre Lage wird zunehmend hoffnungslos: Die Nahrungsmittelvorräte schwinden, der Strom fällt aus, Trinkwasser fehlt. Die Aussicht auf eine Evakuierung der Menschen am Dienstag war zerstört worden, nachdem eine humanitäre Feuerpause nur Minuten nach ihrem Inkrafttreten wieder gebrochen worden war.

Schlimm ist die Situation in den Spitälern: Aufgrund der anhaltenden Kämpfe im Sudan sind in Khartum 39 der insgesamt 59 Krankenhäuser und Kliniken außer Betrieb. Einige wurden bombardiert, andere angegriffen und geplündert. In den vergangenen Tagen waren bereits Menschen aus unterschiedlichen Krankenhäusern evakuiert worden. Viele Einrichtungen haben mittlerweile weder Strom, Medikamente noch Trinkwasser oder Nahrungsmittel. Auch Kinderkrankenhäuser sind betroffen.

Was passiert mit den Ausländern im Land?

Es herrscht ziemlich große Aufregung. Deutschland wollte in einer Geheimoperation Dutzende deutsche Diplomaten, Bundespolizisten, Entwicklungshelfer und andere deutsche Staatsbürger ausfliegen. Doch die Rettungsmission wurde Spiegel.de zufolge wegen der heftigen Kämpfe und Luftangriffe kurzfristig abgebrochen. Auch andere Nationen, die auf eine Feuerpause zur Rettung ihrer Staatsbürger gehofft hatten, hätten ihre Operationen abgebrochen.

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