Science

23 Jahre im Eis: Aufgetauter Hoden bildet wieder Sperma

Vorpubertären Buben, die wegen einer Chemotherapie drohen unfruchtbar zu werden, könnte zuvor gesundes Hodengewebe entnommen und eingefroren werden. 

Sabine Primes
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Die Keimzellen werden bei -196°C gelagert. In diesem "Kälteschlaf" sind sie für mehrere Jahre überlebensfähig.
Die Keimzellen werden bei -196°C gelagert. In diesem "Kälteschlaf" sind sie für mehrere Jahre überlebensfähig.
Getty Images/iStockphoto

Die Behandlung von Krebs bei Kindern ist zunehmend erfolgreich, führt jedoch dazu, dass viele präpubertäre Buben im späteren Leben an verminderter Fruchtbarkeit leiden oder gänzlich unfruchtbar sind. Eine Chemotherapie zur Behandlung von Krebs kann Stammzellen in den Hoden töten, die Spermien produzieren. Erwachsene können vor dieser Behandlung Samenproben einfrieren lassen, aber das ist keine Option für Kinder, die noch nicht in der Pubertät sind. 

Eine mögliche Behandlung wäre das Entnehmen, Einfrieren und Wiedereinpflanzen von Hodengewebe, das Stammzellen enthält. Aber für präpubertäre Jungen mit Krebs ist eine Reimplantation möglicherweise erst ein Jahrzehnt oder länger nach der Entnahme möglich, was die Frage aufwirft, wie lange gefrorene spermatogene Stammzellen (SSCs) lebensfähig bleiben können. 

Die Kryokonservierung bezeichnet ein schonendes und aufwendiges Verfahren zum Einfrieren von Keimzellen (Eizellen und Samenzellen). Dies ist ein Vorgang, der computergesteuert über mehrere Stunden abläuft, bis letztendlich die Keimzellen im flüssigen Stickstoff bei ca. -196°C gelagert werden. In diesem "Kälteschlaf" sind die Keimzellen für mehrere Jahre überlebensfähig. Viele Frauen lassen etwa ihre Eizellen für den späteren Bedarf einfrieren. Durch die extrem tiefen Temperaturen findet praktisch kein Stoffwechsel in der Eizelle statt und damit auch kein Alterungsprozess.

Um dieser Frage nachzugehen, tauten die Forscher spermatogene Stammzellen von Ratten auf, die mehr als 23 Jahre in ihrem Labor kryokonserviert worden waren, und implantierten sie in Mäuse, die zuvor mit Medikamenten unfruchtbar gemacht wurden und ein defektes Immunsystem hatten, sodass sie das Transplantat nicht abstoßen konnten. HIER geht's zur Studie.

Zwei Drittel weniger

Sie verglichen die Fähigkeit der lang eingefrorenen SSCs, lebensfähige Spermien zu erzeugen, mit Stammzellen, die nur wenige Monate lang eingefroren waren und mit frisch entnommenen SSCs. Dabei zeigte es sich, dass die 23 Jahre alten Stammzellen ihre Zeit im Eis überlebt haben und in den Hoden neue spermienproduzierender Zellen bildeten. Diese Zellgruppen aus den implantierten Stammzellen produzierten dann reife Spermien, jedoch nur etwa ein Drittel so viel wie bei Implantaten von frischen oder nur kurz eingefrorenen Zellen.

Die Studie von Whelan und seinen Kollegen gibt dennoch Anlass zu Optimismus. "Unsere Studie hat gezeigt, dass 23 Jahre eingefrorene Spermatogonien-Stammzellen von Ratten in ein unfruchtbares Empfängertier transplantiert und die Fähigkeit zur Spermienproduktion regeneriert werden konnte - wenn auch mit reduzierter Rate. Dies könnte eine Methode zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit bei präpubertären Jungen darstellen, die wegen Krebs behandelt wurden." Eine Studie am Menschen steht noch aus.