Schärfere Asylregeln
20.000 Euro pro Migrant – das ist das neue EU-Asylpaket
Die EU verschärft ihre Asylregeln und beschließt ein umstrittenes Asylpaket. An den Außengrenzen sind Lager für Flüchtende vorgesehen.
Man wollte Lehren aus den Jahren 2015 und 2016 ziehen, als Hunderttausende Menschen nach Europa flohen: Nach langem Streit hat das Europaparlament jetzt abschließend die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) beschlossen.
Worum geht es?
Im Kern geht es bei den Gesetzestexten um schärfere Asylregeln. Hauptankunftsländer wie Italien oder Griechenland sollen entlastet werden. Die Asylagentur der Europäischen Union hatte im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen Anträge verzeichnet, den höchsten Wert seit 2016.
Was ist an Europas Außengrenzen vorgesehen?
Erstmals soll es dort Asylverfahren geben, um Migranten mit geringen Aufnahmechancen an der Weiterreise zu hindern. Dies betrifft etwa Menschen aus Marokko, Tunesien oder Bangladesch, die in der EU eine höchstens 20-prozentige Anerkennungsquote haben.
In die Grenzverfahren kommen zudem Migranten, die als Sicherheitsgefahr eingestuft werden, oder die Behörden in die Irre geführt haben, etwa mit einem falschen Pass. Betroffene sollen einen kostenlosen Rechtsbeistand erhalten.
Was passiert bei den Grenzverfahren?
Die Migranten sollen in Grenznähe festgehalten und von dort aus direkt abgeschoben werden. Juristisch werden sie als nicht in die EU eingereist betrachtet. Das Asylverfahren und die Rückführung sollen im Regelfall bis zu zwölf Wochen dauern. Die Mitgliedsländer wollen zunächst 30.000 Plätze in Grenzlagern schaffen, nach vier Jahren sollen es 120.000 sein.
Wo soll es noch Asylverfahren geben?
Die Mitgliedsländer können Asylbewerber künftig in "sichere Drittstaaten" wie Tunesien oder Albanien zurückschicken. Voraussetzung ist, dass Migranten eine Verbindung zu dem Drittstaat haben, etwa durch Angehörige. Eine Durchreise reicht nicht aus. Eine EU-Liste sicherer Länder gibt es bisher nicht, sie soll aber erarbeitet werden.
Was ist bei der Verteilung von Migranten geplant?
Auch künftig ist das Land der ersten Einreise in der Regel für einen Asylantrag zuständig. Es greift aber ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus. So will die EU jährlich mindestens 30.000 Migranten aus Italien oder Griechenland umverteilen.
Etwa auf Deutschland kämen theoretisch rund 6600 Menschen pro Jahr zu. Allerdings können Vorjahresankünfte abgezogen werden. Staaten wie Ungarn können sich von einer Aufnahme zudem freikaufen, im Gespräch sind 20.000 Euro pro Migrant. Alternativ können sie Grenzbeamte entsenden oder Projekte in Drittländern finanzieren.
Was ist mit der Erfassung der Migranten?
Bislang kommen zahlreiche Menschen unregistriert in EU-Ländern an. Dies soll sich mit der Reform ändern. Grenzländer wie Italien oder Griechenland sollen biometrische Fingerabdrücke oder Fotos der Migranten in der Eurodac-Datenbank der EU registrieren.
Erstmals sind Kinder ab sechs Jahren davon betroffen, bisher galt 14 als Untergrenze. Wer ein Sicherheitsrisiko darstellt, soll speziell gekennzeichnet werden, vor allem bei Verbindungen zu Terrorgruppen. Der Schnell-Check soll maximal sieben Tage dauern.
Was passiert bei Ankunft besonders vieler Geflüchteter?
Das regelt eine Krisenverordnung. Auch Migranten mit bis zu 50-prozentiger Anerkennungsquote sollen dann die Grenzverfahren durchlaufen. Sie können dann sogar 18 statt zwölf Wochen festgehalten werden.
Wenn Russland oder andere Drittländer Geflüchtete "instrumentalisieren", müssen sie vollständig in Grenzverfahren. Das träfe dann auch Syrer oder Afghanen, die mit die höchsten Anerkennungschancen in Europa haben.
Wie geht es weiter?
Vor den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni wollen die EU-Länder den Asylpakt noch formell billigen. Danach haben sie zwei Jahre Zeit zur Umsetzung. Im Sommer, wenn wieder besonders viele Migranten in Europa erwartet werden, greift die Reform also noch nicht.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Das Europaparlament stimmt über die umstrittene EU-Asylreform ab
- Demnach sollen Staaten an den EU-Außengrenzen zu einheitlichen Grenzverfahren verpflichtet werden
- Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen künftig nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen
- Dort soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat
- Wenn nicht, wird er umgehend zurückgeschickt
- Ein "Solidaritätsmechanismus" regelt neu die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten
- Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten – zur Diskussion stehen 20.000 Euro pro Migrant