Direktorin schildert Lage

"18 von 25 Volksschülern können gar kein Deutsch"

Eine Volksschul-Direktorin berichtet über die angespannte Situation: Fehlende Lehrkräfte und Deutschkenntnisse sowie Kinder mit psychischen Problemen.

Wien Heute
"18 von 25 Volksschülern können gar kein Deutsch"
Die Lage in den Klassenzimmern ist angespannt (Symbolbild).
Getty Images/iStockphoto

Lehrermangel, hohe Krankenstände, immer mehr Schüler mit psychischen Problemen und oft fehlende Deutschkenntnisse: Die Herausforderungen für Lehrer sind enorm. Oft tun sich auch Wissenslücken bei Schülern auf, mit denen die Pädagogen gar nicht gerechnet haben: So konnten etwa 16-jährige Poly-Schüler bei einer Schularbeit die Uhr nicht lesen – "Heute" berichtete.

Wie prekär die Lage ist, berichtet auch eine Wiener Volksschuldirektorin im "Falter": "Die Stimmung ist angespannt. Viele sind überarbeitet, die Krankenstände sind hoch. Solange wir genügend Personal hatten, haben wir alles hingekriegt, unsere Ergebnisse waren immer super. Aber das ist inzwischen gekippt."

Wenn ein Kind den halben Tag weint oder herumläuft oder davonläuft, kann das den Unterrichtsbetrieb extrem stören
Volksschul-Direktorin
über die psychischen Probleme der Kinder

Laut der Schulleiterin werden die Klassen in der Regel mit 25 Kindern und mehr vollgestopft. Hinzu kommt: "Es ist keine Seltenheit, dass 18 von diesen 25 gar kein Deutsch können, die restlichen nur mangelhaft." Zudem haben immer mehr Kinder psychische Probleme: "Wenn ein Kind den halben Tag weint oder herumläuft oder davonläuft, kann das den Unterrichtsbetrieb extrem stören. Gerade für diejenigen Kinder, die es ganz dringend brauchen würden, gibt es keine Unterstützung mehr, also zum Beispiel Autistenhilfe."

Die Direktorin kritisiert weiters im "Falter", dass das eigene Sonderschullehramt abgeschafft wurde, die Schulpsychologin am Standort derzeit nicht im Dienst sei (und auch nicht nachbesetzt werde) – und: "Die Sozialarbeiterin hat man uns weggenommen."

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    Sabine Hertel (Fotomontage)

    Viele Lehrer zerbrechen irgendwann

    An diesem hohen Druck zerbrechen viele Lehrkräfte – vor allem Quereinsteiger und Junge seien überfordert oder verzweifeln an ihren Ansprüchen: "So viele, die sich wirklich engagieren, zerbrechen irgendwann daran. Manche lassen sich versetzen, andere kündigen. An meiner Schule hat ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer den Schulstandort gewechselt oder gekündigt. Das war früher undenkbar!", erzählt die Schulleiterin.

    Schon im Mai hatte sie nach eigenen Angaben begonnen, nach Lehrkräften für das kommende Schuljahr zu suchen: "Weil ich bereits befürchtete, dass eine Lehrerin weggehen würde. Bis Ende August ist keine einzige Bewerbung eingetroffen. Im August hat die Kollegin dann tatsächlich gekündigt – drei Wochen vor Schulanfang. Ein paar Tage nach Schulbeginn hat eine zweite Lehrkraft aufgegeben. Ihre Klasse war unbesetzt, weil sonst niemand verfügbar war, musste ich eine Lehrerin aus einer Integrationsklasse abziehen. Nun haben wir einen vorübergehenden Notplan, der wohl nie vorübergeht."

    Auch hohe Schüler-Fluktuation

    Laut der Direktorin gibt es neben der hohen Lehrer- auch eine hohe Schüler-Fluktuation: "Gerade Zuwanderer leben häufig prekär und ziehen entsprechend oft in der Stadt um – das bedeutet auch einen häufigen Schulwechsel. Das ist für die Kinder belastend, für die Verwaltung aber auch. Heuer hatten wir zu Schulbeginn 40 Schülerinnen und Schüler, die dazu oder weggekommen sind. Was auch immer stärker spürbar wird, ist eine fatale Mischung aus bildungsfernem Elternhaus und sozialer Marginalisierung."

    Was bleibt, ist neben der Verzweiflung und Desillusionierung der Ausblick auf die Pension: "Die nächste Abgangswelle ist schon in Sicht: Die Generation Ende 50, Anfang 60 wird sich demnächst in die Pension verabschieden – ich persönlich kenne niemanden, der freiwillig länger bleibt, es reicht einfach", so die Schulleiterin abschließend im "Falter".

    Auf den Punkt gebracht

    • Eine Wiener Volksschuldirektorin schildert im "Falter"-Interview die prekäre Lage an ihrer Schule: Lehrermangel, hohe Krankenstände, fehlende Deutschkenntnisse bei vielen Schülern und zunehmende psychische Probleme belasten den Schulalltag enorm
    • Die Direktorin kritisiert zudem die Abschaffung des Sonderschullehramts und den Mangel an Schulpsychologen und Sozialarbeitern
    • Es kommt daher zu einer hohen Fluktuation bei Lehrern und Schülern
    red
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