Österreich
"Seisenbacher radelte in der Nacht durch Kiew"
Das Protokoll von Seisenbachers Alltag als Justiz-Flüchtling: Er sportelte in der Nacht, bekam Geld von Freunden und sitzt jetzt im Höllen-Knast.
Selbst auf der Flucht wollte Ex-Judoka Peter Seisenbacher (57) um jeden Preis fit bleiben: Immer, wenn es abends dunkel wurde, fuhr der von Interpol 225 Tage lang Gejagte mit dem Fahrrad durch Kiew. „Heute" hat das Protokoll seiner Verhaftung – und skizziert seinen Alltag im Untergrund.
Er wechselte ständig den Wohnort
Allee der Helden in Kiew. In Haus Nummer zehn, einem schlichten, grauen Plattenbau, hat sich er ins Bodenlose gestürzte Doppel-Olympiasieger zuletzt verschanzt. Vier Tage, bevor er im Dezember des Vorjahres in Wien vor Gericht gestanden wäre, reiste er von Georgien aus in der Ukraine ein und führte ein Leben im Verborgenen. Zumindest eine Zeit lang. Vor drei Monaten schließlich kam ihm die ukrainische Polizei auf die Spur. „Er wechselte aber regelmäßig die Wohnung und seine Telefonnummern", schildert ein Justiz-Insider.
Unterstützung von alten Freunden
Ein Leben auf der Flucht, noch dazu mit ständigen Umzügen, ist nervenaufreibend und sehr kostspielig. Peter Seisenbacher bekam Geld, um über die Runden zu kommen, von alten Freunden aus Aserbaidschan. Der 57-Jährige war dort einst als Judo-Trainer tätig.
Seine Mama war sein Schicksal
Weil er immer wieder seine Familie in Österreich – darunter seine in Wien lebende Mutter – telefonisch kontaktierte, schnappte die Falle zu: Vor drei Wochen nämlich fanden Polizisten dank einer Handypeilung zu Seisenbachers letztem Versteck. Die Cops hefteten sich daraufhin an die Fersen des Ex-Judoka: Er wurde über Wochen rund um die Uhr observiert. „Seisenbacher ging üblicherweise nur nachts auf die Straße. Dann war er mit dem Fahrrad unterwegs, um sich fit zu halten und seinen Körper zu trainieren", erfuhr „Heute".
Sechs Handys, Kreditkarten aus Russland
In enger Absprache mit dem österreichischen Bundeskriminalamt wurde der Zugriff schließlich für Montag terminisiert – doch just in dieser Nacht kam er nicht aus seiner Erdgeschoß-Wohnung in der Allee der Helden. Eine Armada an Elite-Polizisten wartete die ganze Nacht geduldig vor dem Bau, stürmte dann im Morgengrauen schließlich das Haus.
Seisenbacher war sichtlich überrascht, trug nur eine Unterhose. Sofort drückten ukrainische Beamte auf den Auslöser, schickten Fotos und ein Video nach Wien. Zum Zeitpunkt der Verhaftung war Peter Seisenbacher alleine – seine georgische Lebensgefährtin, die ihn monatelang begleitet haben soll, war nicht zuhause. Die Cops stellten in der kleinen Unterkunft sechs Handys, unzählige SIM-Karten sowie Bankomat- und Kreditkarten russischer Geldinstitute sicher.
Im Höllenknast wartet er auf Heimreise
Bevor er abgeführt wurde, durfte sich der von Interpol Gesuchte Jeans, ein speckiges Hemd und Schuhe anziehen. Nun wartet er im völlig veralteten Lukjaniwska-Gefängnis auf seine Auslieferung an Österreich. Diese soll binnen 40 Tagen über die Bühne gehen. Diese Zeit könnte aber lange werden, denn teilweise werden in dem Kiewer Häf'n bis zu 20 Delinquenten in einen Raum gepfercht. Der Knast ist zudem völlig veraltet, schwer baufällig und nicht mit österreichischen Gefängnissen vergleichbar. Daheim in Wien drohen dem Sportler, zu dem junge Menschen einst aufblickten, bis zu 10 Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft legt ihm schweren sexuellen Missbrauch minderjähriger Mädchen zur Last. Am 19. Dezember des Vorjahres hätte ihm der Prozess gemacht werden sollen, doch Peter Seisenbacher war nicht erschienen. Warum nur? Wie auch immer: Für den einstigen Sportstar gilt die Unschuldsvermutung.