Politik
'In Politik gewöhnt man sich Fremdschämen ab'
"Heute"-Chefredakteur Christian Nusser besuchte Bürgermeister Michael Häupl und befragte ihn über Bundesheer und die Koalition.
"Heute"-Chefredakteur Christian Nusser besuchte Bürgermeister Michael Häupl und befragte ihn über Bundesheer und die Koalition.
"Heute": Herr Bürgermeister, hat das Berufsheer Sonntag noch eine Chance?
Michael Häupl: Selbstverständlich. Mir haben Sozialwissenschafter schon vor drei Wochen gesagt: Niemand weiß, wie die Abstimmung ausgeht.
"Heute": Warum engagieren sie sich so stark in dieser Sache? Für den Kahlenberg ist ja keine Lawinen-Katastrophe erwartbar …
Häupl: Nein (lacht). Aber, nach dem Sturm Kyrill ist das Bundesheer in den Hochquellwasserschutzwäldern mit seinen Hubschraubern und schwerem Gerät eine große Hilfe für uns gewesen. Das waren echte Profis. Aber die Rahmenbedingungen haben sich geändert.
"Heute": Die Wehrpflicht halten sie nicht für reformierbar?
Häupl: Nein, man muss das Bundesheer so aufstellen, wie man es braucht. Ich bin 1968 eingerückt, drei Monate davor ist der Warschauer Pakt in der Tschechoslowakei einmarschiert. Heute gibt es keine unmittelbare Bedrohung, keine russischen oder türkischen Heere vor den Toren von Wien. Das Heer muss professionell sein im Katastrophenschutz, bei Auslandseinsätzen Dafür braucht man eben Profis.
"Heute": Das weiß man aber schon länger…
Häupl: Ja! Die Bundesheer-Reformkomission unter Vorsitz meines Amtsvorgängers Zilk, die 2003 eingesetzt wurde, hat schon damals empfohlen, ich zitiere: „Die Gliederung des Bundesheeres 2010 ist so zu gestalten, das spätere Entwicklungen, etwa auch die Aussetzung der Wehrpflicht und die Umstellung auf ein Freiwilligenheer, möglich ist.
"Heute": Soll man den Wehrdienst auf vier Monate verkürren?
Häupl: Nein, dann kann man ihn gleich abschaffen
"Heute": Haben sie sich in den letzten Wochen für die Qualität der politischen Diskussion geschämt?
Häupl: Fremdschämen gewöhnt man sich in der Politik rasch ab.
"Heute": Hält die Koalition im Bund bis zum September?
Häupl: Das kommt darauf an. Der Herr Vizekanzler hat auch zu anderen Themen einen Ton angeschlagen, der wohl nicht bis zum September durchhaltbar ist.