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"Ich war einen Tag lang Sex-Shop-Mitarbeiter"

Ein Reporter aus Wien jobbte in einem Erotik-Geschäft. Zu seinen Kunden zählten auffallend viele junge Frauen. Was er sonst noch so erlebte.

Heute Redaktion
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Klassische Sexshops gehen der Reihe nach pleite. Zu hartnäckig hält sich das Schmuddel-Image und zu unzeitgemäß ist es, sich in unserer heutigen Zeit noch in einen Laden zu bemühen, wenn man online die gleichen Produkte bequem nachhause bestellen kann – meistens sogar noch zu einem günstigeren Preis.

Das letzte Mal habe ich einen derartigen Shop vor gut zehn Jahren betreten. Da lebte ich noch in Wien und wollte meinen Freunden beweisen, wie furchtlos und cool ich sein konnte. An viel erinnere ich mich nicht, außer, dass mich die Verkäuferin damals missbilligend gemustert hatte und ich von der Auswahl an Porno-DVDs mit anstößigen Titeln eingeschüchtert war.

"Twerking Butt"

Heute stehe ich also das erste Mal nach Ewigkeiten wieder vor einem Sexshop. Aus Wien wurde Winterthur und hier werde ich einen Tag als Praktikant verbringen. Meine Vorgesetzte für den Tag heißt Andrea, ist 33 und arbeitet seit über einem Jahrzehnt als Verkäuferin im Erotikbusiness.

Selten habe ich eine Person getroffen, die so wohlwollend von ihrem Job spricht und auch nach zwölf Jahren immer noch so motiviert zu sein scheint, wie am ersten Tag. Wissbegierig sauge ich die Infos auf, die sie mir in einem Crashkurs vermittelt.

Geduldig zeigt sie mir die Ware. Dessous, Penispumpen, Fetisch-Zeugs, eine gigantische Auswahl an Kondomen, Gleitmitteln und Massagekerzen, Sexpuppen, ein paar Pornofilme und Vibratoren in allen Farben und Formen. Mein persönliches Highlight: «Twerking Butt» – ein vornübergebeugter Frauenunterkörper aus Silikon, der tatsächlich twerkt und vibriert. Kostenpunkt: über 1.000 Franken (937 Euro). Und das Teil wird verkauft wie warme Semmeln, erfahre ich.

Viele junge, hübsche Frauen

Nach meiner Einführung darf ich Andreas Kollegin Suzanna hinter der Kasse helfen. Ein älterer Herr kauft Sexspielzeug. Während Suzi dem Kunden geduldig erklärt, wie man das Teil nach der Verwendung reinigt und desinfiziert, darf ich den Sicherungsstreifen entfernen und die Schachtel in eine neutrale schwarze Plastiktasche platzieren.

Es ist Samstag und das bedeutet Hochbetrieb. Neben zwei großen Gruppen, die einen Junggesellenabschied planen und auf der Suche nach Gag-Geschenken sind, kommen jede Menge Pärchen, die sich vor allem für sexy Reizwäsche für romantische Stunden zu zweit interessieren und ein paar freche Teenies (die wir höflich aber direkt wieder aus dem Laden verweisen, nachdem sie sich nicht ausweisen können).Und Es sind erstaunlicherweise vor allem junge, hübsche Frauen, die alleine hier reinkommen.

Ein Mädchen um die Zwanzig spricht mich direkt an und erzählt mir lang und breit von ihren Problemen, zum Orgasmus zu kommen. Nervös werfe ich Andrea einen hilfesuchenden Blick zu. Eine Viertelstunde später verabschiedet sie sich zufrieden und vollbepackt mit Toys, die ihr hoffentlich viel Freude bereiten werden. "Du bist hier eben nicht nur Verkäuferin, sondern auch Psychologin, Freundin, Sexualberaterin. Die Kunden wissen, dass sie mit ihren Anliegen zu uns kommen können und wir ihnen zuhören und sie ernst nehmen", sagtmeine Chefin auf Zeit.

Vibrierender Hintern

Das sei auch der Grund, aus dem Läden wie dieser wohl niemals ganz von den grossen Online-Anbietern verdrängt werden können. "Die sind vielleicht billiger, aber viele wollen einfach mehr als nur einen schnellen Einkauf. Gerade in dieser Branche ist persönliche Beratung oft ausschlaggebend."

In den letzten Stunden bis Feierabend verkaufe ich einem Hipsterboy einen aufblasbaren Analplug, sortiere erektionsfördernde Cremetuben nach Farbe. Dann ist der Tag vorbei. Fazit: Sollte ich jemals das Bedürfnis verspüren, mir einen vibrierenden Hintern zulegen zu müssen, dann werde ich den definitiv nicht online bestellen.