Österreich
"Gewalttaten werden unterschätzt!"
Wiener Gewaltschutzexpertinnen fordern nach Mord am Bahnsteig in Frankfurt Multi-institutionelle Kommissionen zur Gewaltprävention.
Erschütterung, Trauer, Wut, Unverständnis und eine Welle von Mitgefühl für Opfer und Hinterbliebene verbreitete sich europaweit nach dem Mord an einem acht Jahre alten Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof.
Vor der Tat: Gewaltausbruch gegenüber eigener Familie
Der 40-jähriger Eritreer, Habte A., der in der Schweiz lebte, soll am Montag den achtjährigen Buben und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen haben. Der Bub starb noch im Gleisbett, seine Mutter konnte sich retten und wurde verletzt. Gegen den mutmaßlichen Täter wurde am Dienstag ein Haftbefehl erlassen. Seine Motive sind noch unklar.
Wiener Interventionsstelle
Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie ist eine staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtung, die im Februar 1998 ihren Betrieb aufnahm. Die Stelle bietet muttersprachliche Beratung in Armenisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Georgisch, Farsi/Persisch, Russisch und Türkisch an. Außerdem können Beratungen in Englisch, Französisch, Italienisch, Slowenisch und Spanisch durchgeführt werden.
Mo-Fr (werktags): 08:30-20:00 Uhr
Sa (werktags): 08:30-13:00 Uhr
Neubaugasse 1/3
1070 Wien
Tel.: 01/585 32 88, Fax: 01/585 32 88-20
E-Mail: [email protected]
Autonome Österreichische Frauenhäuser
Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF ) st das Netzwerk von 15 Autonomen Frauenhäusern in Österreich. Seit 1999 ist auch die Frauenhelpline gegen Gewalt 0800 / 222 555 im Verein AÖF angesiedelt. Die Frauenhelpline ist die österreichweite telefonische Beratungsstelle rund um das Thema häusliche Gewalt. Das Beratungsangebot ist rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, anonym und kostenlos verfügbar.
Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser
Bacherplatz 10/4
1050 Wien
Telefon: 01 / 544 08 20,
Vier Tage vor der Bluttat in Frankfurt zeigte ihn bereits seine Ehefrau an, nachdem er sie, seine Kinder und eine Nachbarin in seiner Wohnung eingesperrt und mit einem Messer bedroht hatte. Wie die Züricher Polizei vorgestern bei der Pressekonferenz bekannt gab, sei die Öffentlichkeit nicht gewarnt worden, weil man keine Gefahr für die Allgemeinheit gesehen hätte.
Wiener Interventionsstelle: "Auch in Österreich wird häusliche Gewalt unterschätzt"
Habte A. wurde nach dem Vorfall in seiner Schweizer Heimat häusliche Gewalt und Bedrohung vorgeworfen. Solche Übergriffe sind keine Seltenheit. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Fahndung war in den Augen der Ermittler nicht gegeben. Gegen den 40-jährigen Eritreer wurde lediglich ein nationaler Haftbefehl erlassen.
Wiener Gewaltschutzexperten reagieren darauf mit einer Forderung für Österreich: „Gewalttaten werden immer noch unterschätzt und verharmlost, auch in Österreich, speziell wenn sie im häuslichen Bereich verübt werden", so Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle.
„"Häusliche Gewalt sind Anzeichen einer Gefahr"“
"Es wird auch immer wieder übersehen, dass viele Täter, die im häuslichen Bereich Gewalt ausüben auch allgemein aggressiv sind und für Personen im Umfeld und in der Öffentlichkeit eine Gefahr darstellen. Dies zeigen die Erfahrungen der Gewaltschutzeinrichtungen."
„"Gewalttätiges Verhalten verschwindet nicht einfach"“
„Gewalttätiges Verhalten – ob durch eine psychische Erkrankung verursacht oder nicht – verschwindet nicht einfach, Gewalt schlägt zu und wir wissen nie genau wann und wo, daher ist größte Wachsamkeit geboten", warnt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser.
Forderung nach Gewaltpräventionsstelle, die sich über Institutionen hinweg setzen kann
Sowohl die Wiener Interventionsstelle als auch der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser appellieren an die Regierung um eine Installation einer Multi-institutionellen Kommission zur Prävention von Gewalt. Diese sollte sich in Akutfällen rasch damit beschäftigen, Gewalttäter zu stoppen. Und zwar nicht erst dann, wenn Gewalt eskaliert ist, sondern bereits im Vorfeld.
Dies sei notwendig, um Menschen zu schützen und Menschenleben zu retten, so die Forderung. Opferschutzeinrichtungen wie die Wiener Interventionsstelle und die autonomen Frauenhäuser könnten allgemein und im Einzelfall
lediglich wichtige Hinweise geben. Behörden müssten aber auch auf sie hören, so die Opferschutzstellen in einer Aussendung. (no)