Klimaschutz
Diese Daten wollen Klima-Leugner nicht wahrhaben
Heuer mussten die Eigenheime länger eingeheizt werden, der Frühling war kühl und überdurchschnittlich nass. Ist der Klimawandel damit widerlegt?
Nein. Das war die kurze Antwort.
Die Lange: Der meteorologische Frühling 2023 beschenkte uns nach einem milden März mit einem unterkühlten April. Auch der Mai präsentierte sich anfangs kaum als Wonnemonat, zum Ende hin dominierte aber vielerorts der Sonnenschein und Sommertage mit Temperaturen über 25 Grad.
"In der Gesamtbilanz liegt der Frühling 2023 ungefähr im Durchschnitt der jüngeren Vergangenheit und war deutlich wärmer als ein Frühling in früheren Jahrzehnten", berichten die Wetter- und Klimaforscher der GeoSphere Austria, der früheren ZAMG, am Dienstag.
GSA-Klimatologe Alexander Orlik erklärt: "Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Frühling im Zeitraum 1991 bis 2020 lag der Frühling 2023 im Tiefland Österreichs 0,1 Grad unter dem Mittel und auf den Bergen um 0,3 Grad." Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Frühling der dreißig Jahre davor (Zeitraum 1961 bis 1990) war der Frühling 2023 im Tiefland Österreichs um 1,3 Grad zu warm und auf den Bergen um 1,1 Grad.
Es ging aber schon mal wärmer: "In der Reihe der wärmsten Frühlinge der Messgeschichte liegt 2023 im Tiefland Österreichs auf Platz 41 und auf den Bergen auf Platz 37", weiß der Wissenschaftler. Allerdings hatte es seit den 1990ern fast durchgehend überdurchschnittlich warme Frühlinge gegeben. Das zeigen auch die Grafiken in der folgenden Bildstrecke:
Ähnliches zeigt sich in der Auswertung des Mais alleine. Im Bezugszeitraum 1991-2020 fällt der noch laufende Monat mit -0,5 Grad bisher "zu kühl" aus. Blickt man aber zurück auf 1961-1990 war er selbst trotz aller Widrigkeiten um 0,9 Grad wärmer als das damalige klimatologische Mittel.
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Nassester Frühling seit 2006
Mit dem subjektiv kühl erscheinenden Wetter in diesem Jahr geht auch eine geringere Anzahl an Sonnenstunden und ein Mehr an Niederschlag einher. Der Frühling 2023 war einer der 15 trübsten und nassesten Frühlinge der Messgeschichte.
Im Laufe des Frühlings 2023 ging die schon einige Monate anhaltende Trockenheit zu Ende. Eine Serie von Tiefdruckgebieten brachte im Großteil Österreichs sogar sehr große Niederschlagsmengen. Damit liegt die Niederschlagsmenge im Frühling 2023 in der österreichweiten Auswertung 25 Prozent über dem Mittel. "Das war der nasseste Frühling seit dem Jahr 2006", rechnet Orlik vor. Im bisherigen Rekordjahr waren es +34 Prozent an Regen.
Ungleiche Regen-Verteilung
Besonders ungewöhnlich nass verlief der Frühling in Vorarlberg und im Tiroler Oberland sowie im äußersten Süden der Steiermark, im Nordburgenland und stellenweise im Marchfeld. Hier erreichten die Abweichungen zum Mittel 1991-2020 45 bis 75 Prozent.
Weitgehend ausgeglichene Niederschlagbedingungen (Abweichung -10 bis +15 %) gab es im Frühling 2023 in der Obersteiermark, Oberösterreich, Waldviertel und entlang der niederösterreichisch-steierischen Grenze. Defizite gab es in diesem Frühjahr nur vom Schneeberg bis ins Mürztal hinein.
Der feuchte Frühling linderte ein wenig die Schneearmut im Hochgebirge. Im Februar wurde am Sonnblick Observatorium auf 3.106 m Seehöhe noch mit 162 Zentimeter die niedrigste maximale Schneehöhe in einem Februar gemessen. "Im Mai lagen dann am Sonnblick immerhin bis zu 369 Zentimeter Schnee. Das ist allerdings immer noch 90 Zentimeter weniger als in einem durchschnittlichen Mai", so der Klimatologe.
Trübster Frühling seit 1991
Auch die Zahl der Sonnenstunden lag etwa um 25 Prozent unter dem Durchschnitt, Kaiserwetter und strahlender Sonnenschein war nur selten zu beobachten. Im Flächenmittel schien die Sonne in Österreich nur rund 400 Stunden. Das entspricht einer Sonnenscheindauer, die um 25 Prozent geringer ist als das Klimamittel 1991-2020. Damit ist der Frühling 2023 der sonnenärmste seit dem Frühling 1991 (Abweichung -28 %) und gehört zu den 15 sonnenärmsten der vergangenen 100 Jahren.
Die negativen Sonnenscheinabweichungen verteilen sich relativ gleichmäßig über das Bundesgebiet. Nur vom Wilden Kaiser bis zu den Hohen Tauern war es relativ gesehen, mit Anomalien von -30 bis -42 %, noch etwas trüber.
Am Ende zeigen besonders die Temperaturdaten, dass es in Österreich, trotz Ausreißer wie jetzt im Mai / Frühling, über die Jahrzehnte gemessen immer wärmer wird.
Dem widersprechen Leugner des Klimawandels immer wieder mit Aussagen wie: "Aha, deshalb musste man bis Mitte Mai heizen am Abend" oder "Und das wollen die uns nach dem wohl kältesten Mai seit langem vormachen". In verschiedensten Abwandlungen tauchen diese Woche um Woche, Monat für Monat immer wieder auf. Im Kern widerlegen sie aber gar nichts. Das sind die Gründe:
Schwankungen in Wetter und Klima werden von Klimatologen nicht in Abrede gestellt. Im Durchschnitt (!) betrachtet verringert sich die Zahl der Heiztage aber durch die landesweite Erwärmung stetig. Das zeigen auch die Messstationen in Wien und dem Umland. Besonders deutlich wird dieser Trend ab den 1970er Jahren.
Das zeigen die Daten
"Heute" hat die Daten der GeoSphere-Austria-Messstationen auf der Hohen Warte (Wien-Döbling), in der Inneren Stadt und Groß-Enzersdorf am grünen Stadtrand verglichen. Groß-Enzersdorf deswegen, um mögliche Abweichungen durch das Phänomen der Städtischen Hitzeinsel (Urban Heat Effect) abzubilden.
Bei allen drei Stationen, egal ob in der City-"Betonwüste" oder außerhalb, zeigt sich dieselbe Entwicklung: Es wird im Durchschnitt wärmer und damit geht auch die Zahl der sogenannten Heiztage, an denen die mittlere Außentemperatur unter 12 Grad bleibt, überall merklich zurück:
Als Beginn der Datenreihe für obige interaktive Grafik wurde das Jahr 1936 gewählt, da ab hier in Groß-Enzersdorf (blau) mit Ausnahme 1945/46 durchgehend aufgezeichnet wird. Die Reihe der Hohen Warte – hier in Rot dargestellt als 15-jähriges gleitendes Mittel – gingen viel weiter zurück, in der Inneren Stadt (gelb) wird erst seit 1985 gemessen.
Der Urban Heat Effect zeigt sich insofern, als dass man in Innenstadt-Lagen ganz allgemein beim Heizen sparen kann, während draußen am Stadtrand die Öfen zwischen 7 und 22 Tage länger befeuert werden müssen.
Allerdings verlaufen die Schwankungen an beiden Stationen parallel, wenn auch in der City manchmal gedämpfter. Heißt: Die allgemeine Jahrestemperatur in der Region ist ausschlaggebend, markante Ausscherungen durch den Urban Heat Effect sind nicht zu beobachten.
Die Messdaten der Inneren Stadt und Groß-Enzersdorf zeigen auch starke Schwankungen der Heiztage von Jahr zu Jahr. Mal einen knappen Monat mehr oder weniger im Vorjahresvergleich heizen zu müssen, ist keine Seltenheit. Insofern war das aktuelle "Heizen bis in den Mai" in unseren Breiten weder unüblich, noch widerlegt es den generellen Trend der Erderwärmung zu unser Lebzeit.