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Experte: SO könnte die Demokratie in den USA zerbrechen
Im dritten Teil der "Heute"-Analyse zu Bidens Präsidentschaft geht es um eine mögliche Rückkehr von Donald Trump.
Joe Biden feiert in den Jahrestag seiner Präsidentschaft. Gesprochen wird aber noch immer viel über seinen Vorgänger. Im dritten und letzten Teil der Analyse der "Heute" zum einjährigen Amtsjubiläum werfen wir einen Blick auf die Republikaner und die Chance eines Comebacks von Donald Trump.
Alles beim Alten, alles beim Schlechten
Die USA haben sich im letzten Jahr nicht maßgeblich verändert – nicht strukturell, nicht kulturell und auch nicht unbedingt politisch. Im Hintergrund der Präsidentschaft von Biden trumpelt es demnach bereits gewaltig – im wahrste Sinne des Wortes.
Das politische System in den USA steht vor einem Scheideweg. Obwohl Biden versprochen hatte, das Land wieder zu einen, ist er an der Mammut-Aufgabe gescheitert. Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft in den Keller rasseln lassen. Die Inflation ist mittlerweile so hoch wie in den letzten 40 Jahren nicht, die Stimmung ebenso aufgeheizt.
Mittlerweile sagen 25 Prozent der US-Amerikaner und Amerikanerinnen, dass sie bereit wären, mit Waffengewalt einen politischen Umsturz des Systems zu unterstützen. Die Demokratie befindet sich in einer Krise, das ist der einzige Konsens den Demokraten und Republikaner derzeit noch finden. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung stimmt diesem düsteren Statement nämlich zu. Schuld seien daran jeweils die anderen Parteien.
Der Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch, der der "Heute" diese Zahlen mitgeteilt hat, glaubt wie seine amerikanischen Kollegen mittlerweile daran, dass es bald knallt. "Generell gehen wir Politologen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die USA in ein autoritäres System abrutschen, bereits bei über 50 Prozent liegt“, so Heinisch.
Trump plant sein Comeback
Die selbsternannte Vorzeigedemokratie könnte also schon bald Geschichte sein. Das Zentrum der westlichen Welt steht vor einem Systemwandel – nach über 240 Jahren Demokratie könnte schon bald ein Autokrat in den USA herrschen. Wer das sein könnte? Ein alter Bekannter.
Donald Trump setzt alles daran, 2024 wieder ins Weiße Haus einzuziehen. Seine Wahlniederlage aus dem November 2020 erkennt er nicht an und spricht stattdessen von der "großen Lüge“, die dazu führte, dass ihm und seinen Anhängern die Wahl gestohlen wurde.
Die Republikaner, die vor zehn Jahren noch den moderaten Mitt Romney gegen Barack Obama ins Rennen um das Weiße Haus geschickt haben, sind mittlerweile radikalisiert und Trump-fanatisch. Die einstige Volkspartei hat den Weg der Rechtsstaatlichkeit in vielen Bereichen verlassen.
Der Sturm auf das Kapitol, der von Trump provoziert wurde, um die Wahl Bidens zu verhindern, wird von führenden Republikanerinnen und Republikanern mittlerweile kleingeredet. Laut den amerikanischen Behörden handelte es sich bei der gewaltsamen Demonstration um Terrorismus. Vier Trump-Anhänger sowie ein Polizist starben dabei, vier weitere Polizisten, die am 6. Jänner 2021 Dienst hatten, begingen in der Folge Selbstmord.
Republikaner wie eine "ÖVP unter Kickl"
Die Partei ist nun eine andere, demokratische Aufarbeitung. „Es wäre, als würde Herbert Kickl die ÖVP übernehmen“, meint Heinisch zum Wandel der Republikaner. Die rechtsradikale Bewegung der Tea Party hat an Einfluss gewonnen, sie lehnen das Establishment ab und grenzen sich stark von den übrigen Gruppen der christlichen Fundamentalisten, der Geschäftsleute, der Neo-Konservativen sowie der moderaten Republikaner ab.
Mittlerweile versuchen diese Gruppierungen innerhalb der Republikaner, die Demokratie schrittweise stark zu beschädigen. Schwarzen und anderen typisch demokratischen Wählerschichten wird der Zugang zur Wahlen erschwert. Was unmöglich klingt, passiert ganz offen.
Schwarzer Bevölkerung wird Wahlzugang erschwert
In den USA muss man nicht mit einem Ausweis wählen gehen, sondern mit irgendeinem Dokument, das die Identität bestätigt. „Ich bin immer mit meiner Stromrechnung wählen gegangen“, erzählt Heinisch. Wenn nun Staaten aber Führerscheine verlangen würden, wäre die Schwarze Bevölkerung benachteiligt, da viele von ihnen aufgrund ihres sozio-ökonomischen Stands keinen Ausweis hätten.
"Auch kann man Wahllokale einfach an die Außengrenzen der Städte verlegen, wo keine Busse oder andere öffentliche Verkehrsmittel leicht hinkommen“, meint Heinisch, der berichtet, dass genau das mittlerweile geschieht. Republikaner verbieten nun auch, dass Menschen, die in Warteschlangen zur Wählregistrierung warten, kein Wasser erhalten dürfen – alles dient dazu, Leute von der Wahl fernzuhalten. Denn eines ist klar, je niedriger die Wahlbeteiligung, desto besser stehen die Chancen für Rechtspopulisten wie Trump, die auf eine breite Basis vertrauen können.
Zudem kann auch leicht das Wahlrecht geändert werden. Die US-Verfassung beinhaltet keinen Absatz, dass die Wahlmänner vom Volk gewählt werden müssten. In republikanischen Staaten könnten stattdessen einfach lokale Parlamente die Wahlmänner beauftragen, republikanisch zu wählen – daran wäre nichts verfassungswidrig.
Demokraten-Hoffnungen ruhen auf homosexuellem Ex-Bürgermeister
"Wenn er bis dahin noch gesund ist, wird er antreten und dann gehe ich davon aus, dass er gewinnt“, meint Heinisch zu einem möglichen Comeback von Donald Trump im Oval Office. Und wenn Trump nicht mehr antritt, haben die Republikaner mittlerweile genug Hardliner, die den gleichen Kurs verfolgen, beispielsweise Ted Cruz oder Ex-Vizepräsident Mike Pence. Demokratische Zukunftshoffnungen finden sich hingegen wenige. Als möglicher Nachfolger Bidens wird der ehemalige Bürgermeister von South Bend, Pete Buttigieg, gehandelt. Trotz guter Umfragewerte ist eine Präsidentschaft für den 40-Jährigen schwierig. Als schwuler Mann in einem konservativen Land rechnet ihm Heinisch nur bedingt Chancen aus.