Politik

Aufstand gegen Maulkorb für ORF-Redakteure

Neue Social-Media-Regelungen für ORF-Redakteure sorgen für Wirbel. Politische Kommentare sollen den Journalisten auch privat untersagt sein.

Heute Redaktion
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Wie berichtet ist am Dienstag ein Entwurf der neuen umstrittenen Social-Media-Regeln für ORF-MitarbeiterInnen an die Öffentlichkeit gelangt. Demnach sollen Angestellte des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks künftig keine politischen Kommentare auf ihren Sozialen Netzwerken kundtun dürfen. Die Maßnahme wird seit geraumer Zeit vom ORF-Stiftungsrat gefordert. Nun, da Norbert Steger (FPÖ) den Vorsitz übernommen hat, wird sie wohl umgesetzt. Begründet werden die Richtlinien mit der zu gewährleistenden "Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit".

Das sorgt bei den betroffenen Redakteuren und auch sonst bei vielen für ein Läuten der Alarmglocken. Einen Maulkorb wolle man sich nicht verpassen lassen. Immerhin gehe es dabei um massive Einschnitte in die Presse- und Meinungsfreiheit, wogegen man sich jedenfalls wehren wolle.

"ZiB 2"-Moderator Armin Wolf reagierte bereits und gab seine persönliche "Twitter-Richtlinie" bekannt: "Ich twittere nichts, was ich nicht auch bei einer Podiumsdiskussion oder in einem Interview sagen würde. Auch wenn dort das ORF-Gesetz nicht gilt, ist mir immer bewusst, was und wo ich arbeite. Hat bisher tadellos gereicht."

Gleich nach Bekanntwerden der Pläne von Generaldirektor Alexander Wrabetz und dem Stiftungsrat zwitscherte Wolf zudem einen Auszug aus der Europäischen Menschenrechtskonvention: "Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung."

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Der Betriebsrat des ORF sieht das Vorhaben ebenfalls äußerst kritisch. Der Entwurf der Richtlinien wirke wie "ein Kniefall des amtierenden Generaldirektors" vor den Wünschen von FPÖ und ÖVP. Außerdem stellte der Betriebsrat klar, dass die Leitlinien nicht in Kraft seien, solange man ihnen nicht zugestimmt habe.

Grundsätzlich sollten diese am Donnerstag in einer Sitzung des Stiftungsrats eingebracht werden. Allerdings ging der Entwurf "irrtümlich" an einige Radioredakteure.

Kommentare verboten

Die "Social-Media-Leitlinien" sollen konkret die privaten Äußerungen der Redakteure zu politischen Themen stark einschränken, wie es im geleakten Entwurf vermerkt ist. ORF-Mitarbeiter sollten demnach "auch im privaten Umfeld" auf folgendes verzichten: "Öffentlichen Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und 'Polemik' gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitglieder zu interpretieren sind."

Auch indirekte Meinungsbekundungen durch "Likes, Dislikes, Recommends, Retweets oder Shares" sollten eingeschränkt werden. "Im Zweifel ersuche ich darum von einer Meinungsäußerung Abstand zu nehmen", heißt es in dem Papier, das von Wrabetz gezeichnet ist.

Regierung von Maßnahme überrascht

Im Rahmen des Pressefoyers zum Ministerrat am Mittwoch erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Nachfrage, dass er von den Regelungen "mehr als überrascht sei." Er stehe dem sehr skeptisch gegenüber: "Ich halte die Meinungsfreiheit für ein sehr hohes Gut. Insofern sehe ich persönlich den Erlass sehr skeptisch." Vizekanzler Strache pflichtete den Ansichten von Kurz bei, was die Bedeutung von Meinungsfreiheit anbelangt. Grundsätzlich sei das ganze aber eine "interne Angelegenheit des ORF". Dass ein öffentlich-rechtlicher Sender aber immer und überall neutral und unabhängig berichten müsse, sei außer Frage gestellt.

(red)