Politik

Tofupaste, Tränen und eine Einladung nach "Odili"

Heute Redaktion
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Mit wohlklingenden Worten und allen militärischen Ehren wurde Österreichs Delegation in China offiziell willkommen geheißen - und revanchierte sich mit einer Gegeneinladung.

Am zweiten Tag des Staatsbesuches in China teilte sich die größte Delegation aller Zeiten, in eine kleine größte Delegation aller Zeiten und in eine große größte Delegation aller Zeiten. Wie immer bekam die kleine, elitäre Gruppe das Gratisessen und die Freigetränke, das ist überall auf der Welt so, warum also in China nicht?

Ich schicke voraus, dass einiges von dem, was es hier heute zu lesen gibt, aus zweiter Hand ist, was ja nichts Übles sein muss. Ich gehörte, wie man richtig mutmaßen könnte, zur großen größten Delegation, zu den kleinen Leuten also.

Ehe sich die größte Delegation aller Zeiten teilte, wurde sie aber sogar noch größer, denn der Kanzler kam an. Er landete irgendwann knapp vor fünf Uhr früh, aber niemand am Frühstückstisch nur drei Stunden später fragte ihn, ob er in der „Air China" Economy oder Business geflogen war. Er könnte jetzt also langsam damit aufhören. Mich würde das jedenfalls nicht stören.

Bei Schönwetter drinnen

Am Frühstückstisch war Sebastian Kurz fast so gut aufgelegt wie der neben ihm sitzende Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, aber diese Messlatte scheint unerreichbar, selbst wenn man die Nacht davor durchgeschlafen hat oder eben genau nicht. Kurz tat so als wäre er immer schon da gewesen, so wie es Schüler machen, wenn sie den Bus für den Schikurs verpassen und dann am nächsten Morgen über eine Schüssel Cornflakes hinweg mit allen mitscherzen, weil sie glauben, das hätte keiner mitgekriegt.

Die größte Delegation aller Zeiten (da war sie noch zusammen) traf sich dann, um Verträge mit China zu unterschreiben. Es ging im Hotel „Four Seasons" in Peking sehr feierlich zu. Insgesamt wurden an diesem Tag 30 Vereinbarungen über 1,5 Milliarden Euro geschlossen, was ja nicht nichts ist, zudem wurden Kooperationen in Sport, Kultur und Wissenschaft unterfertigt.

Dann fuhren die kleinen Leute zur "Großen Halle des Volkes". Dort war die offizielle Begrüßung des Bundespräsidenten und seiner Mitreisenden durch Staatspräsident Xi Jingping angesetzt. Bei Schönwetter sollte die Zeremonie am Platz des Himmlischen Friedens, also draußen, stattfinden, bei Schlechtwetter drinnen. Es war strahlend schön, also ging man rein.

Kinder bejubeln Österreich

In der Säulenhalle warteten die kleinen Leute nun auf die großen Leute. In einem Land, in dem alles ein bisschen wuchtiger dimensioniert ist, ist auch eine Säulenhalle keine Besenkammer. In dem etwa 10 oder 12 Turnsäle großen Raum, durchzogen von roten Teppichen, an denen überall herumgezupft wurde, damit sich ja keine Falte bildet, spielten sich in den nächsten 30 Minuten bizarre Szenen ab.

Zunächst tauchte eine Gruppe mit exakt 75 Mädchen und Buben auf, die österreichische und chinesische Fähnchen (Buben) und Blumen (Mädchen) in der Hand hielten. Die etwa acht Jahre alten Kinder nahmen akkurat in einem Dreierspalier Aufstellung, ein Betreuer stellte sich vor sie und auf Kommando begannen alle zu jubeln, kreischen und springen, so als hätten die Capitals doch noch die Meisterschaft gewonnen.

Auf ein Zeichen waren alle in der Sekunde mucksmäuschenstill. Zweimal noch wurde geübt, dann musste ein Mädchen aus Reihe 1 aufs Klo. Als sie zurückkam, war ihr Blumenstrauß weg. Aufregung, dann stellte man fest: Der Bub in der Reihe neben ihr hatte die Blumen für sie aufbewahrt. Die rührendste Szene des gesamtes Tages, also zumindest für mich als Anhänger der Zurschaustellung mehr der eher kleinen als der großen Gesten.

Eingefroren für eine Stunde

Dann hörte man aus einer benachbarten Säulenhalle, die nicht viel kleiner war, allerlei militärisch klingende Befehle, schwer verständlich, weil, Sie erraten es, auf chinesisch. Ein Vorhang, aber nicht dieses kleine Zeug, das wir daheim hängen haben, sondern zwei richtige Stoffbahnen, wurden zur Seite geschoben und eine militärische Einheit, gut 150 Mann und Frau, in Grün und Weiß, trat in zirkelgenauem Stechschritt ein, angeführt von einem Mann mit Säbel, der so aufrecht ging wie eine Olympiaturnerin, die zur Medaillenvergabe schreitet, und der den Leuten hinter sich laut und deutlich zu verstehen gab, wo sie zu stehen hatten. Die tummelten sich, fanden ihren Platz und froren dort für die nächste Stunde ein.

Inzwischen hatte eine Musikgruppe, ebenfalls im Militäruniform Aufstellung genommen, so dass nun an jeder Seite eine Abordnung stand. Das Militär, die Musikgruppe, die Kinder und die kleine größte Delegation gleich beim Eingang der Säulenhalle, denn jetzt ging die Zeremonie los. Staatspräsident Xi Jingping und Bundespräsident Alexander Van der Bellen schüttelten zunächst chinesischen Vertretern, dann der kleinen größten Delegation aller Zeiten die Hände. Das "Ni Hao" von Kammerpräsident Leitl war quer über die Säulenhalle zur Journalistentribüne hin gut zu hören.

Einladung nach Österreich

Dann schritten die beiden Präsidenten zunächst zu einem Podium in der Mitte, die Bundeshymnen wurde gespielt. Die First Ladys, die sich beide für die Kostümfarbe elfenbein entschieden hatten, blieben zurück. Als die zwei Präsidenten die Ehrengarde abgingen (zum Radetzkymarsch) wirkte VdB neben dem doch etwas korpulenteren Xi reichlich hager. Man wartete darauf zu hören: "Du musst mehr essen, Sascha!" Man wartete vergeblich.

Als die beiden dann bei den Kindern vorbeikamen, brach der erwartete Jubel aus. Zumindest darauf war Verlass.

Vielleicht gibt es bald auch in Österreich ähnliche Szenen? Bei der offiziellen Begrüßungsansprache lud Van der Bellen seinen chinesischen Amtskollegen nach Österreich ein, zu den Salzburger Festspielen, zum Neujahrskonzert oder einfach nach Wien. Vielleicht wird sich Xi mit Ehefrau Prof. Peng darüber noch beraten.

Über den Besuch der größten Delegation aller Zeiten fand der Präsident nur lobende Worte . Das sei Ausdruck einer tiefen Freundschaft und werde die Beziehungen auf "ein neues Niveau heben".

Tofupaste und Dim Sum

Dann wurden erneut Verträge unterschrieben, in einer anderen Säulenhalle, diesmal von den Ministern. Norbert Hofer kam gleich mehrfach dran. Als er einmal dazwischen aufstehen und weggehen wollte, war der Übersetzer zu hören: "Herr Minister Hofer, Sie dürfen hier bleiben". Ob er sich angesichts dieser Perspektive geschreckt hat, blieb unklar, anzusehen war ihm nichts. Ich mutmaße, er will wieder nach Österreich mit, oder besser gesagt nach "Odili", den so hört sich Österreich auf chinesisch an.

Schließlich bekam die kleine größte Delegation aller Zeiten im "Goldenen Saal" endlich etwas zu essen. Ebendort hatte Xi vor wenigen Tagen mit Nordkoreas Machthaber Kim diniert. Diesmal saßen präzise 50 Österreicher an dem länglichen Tisch und daraus folgend auch 50 Chinesen.

Es gab Hühnerbrühe in Kokosschale, Gedämpftes Kalbfilet, Pekingente, Tofupaste mit Toona und Krabben, Gebratenen Kabeljau in Seeigelsoße (also ich denke nicht alles für jeden, sondern zur Auswahl). Danach Dim Sum, Obst und Eis. Gereicht wurde ein 2012er rot trocken und ein 2015er weiß trocken, beide vom Weingut Changyu.

Fast noch opulenter war das Musikprogramm von "Reich mir die Hand, mein Leben" bis zu "Lang lebe die Freundschaft". Star des Abends aber war sowieso die siebenjährige Geigerin Anna Cäcilia Pföß aus Salzburg, die beim Bankett auf Mozarts Kindergeige musizierte. Sie spielte Mozart, ein Salzburger Volkslied und ein chinesisches Hirtenlied. Zu Tränen habe das die Chinesen gerührte, sagte Van der Bellen anschließend mit einem Schmunzeln.

Mehr geht nicht. Ein paar Reserven brauchen wir für den Gegenbesuch ja auch noch, wenn es dann peng macht in "Odili".