Österreich
Staatskünstler & Co gegen Willkür bei Asyl
Mit Lesungen aus echten Asylbescheiden kritisieren heimische Kabarett- und Schauspielstars die Abläufe von Asylverfahren und fordern mehr Fairness.
"Im Asylverfahren geht es um viel: um den Schutz vor Verfolgung, um Sicherheit, um den Lebensweg von Betroffenen, ihrer Kinder und Familien", betonen Daniel Landau und Oliver Scheiber von der Plattform "Gegen Willkür". Diese Plattform wird von der Zivilgesellschaft sowie von der Initiative "Fairness Asyl" von Andrea Mayerwöger, Doro Blancke sowie Wolfgang Salm getragen.
Doch in der Realität ließen die heimischen Asylverfahren vieles an Qualität und Objektivität zu wünschen übrig. In den letzten Jahren hätten viele Einzelfälle auf Defizite im Asylverfahren in Österreich hingewiesen, die Anzahl dieser Fälle zeige, dass strukturelle Probleme bestehen.
"Kann nicht sein, dass Behörden Menschen verhöhnen"
"Dazu kommen bekannt gewordene Fälle, in denen Asylwerber durch österreichische Behörden höhnische und lächerlich machende Negativbescheide bekommen", erklärt Scheiber im Gespräch mit "Heute". Erst im August wurden zwei Fälle von Asylwerbern bekannt, deren Gesuch aus angeblich fehlender Homosexualität abgelehnt wurde. "Die spöttischen Bescheidformulierungen zeigen klar, dass es im Asylwesen endlich grundlegende Änderungen geben muss", sind Landau und Scheiber überzeugt.
"Auch ein anderes Beispiel zeigt die Systemschwäche auf: So gab es in den letzten zehn Jahren nur einen gerichtlich beeideten Sachverständigen für Afghanistan in ganz Österreich. Diesem wurde vor kurzem und noch nicht rechtskräftig, aufgrund fehlender Qualifikation durch das Landesgericht die Zulassung entzogen", erzählt Jurist Scheiber.
Zivilgesellschaftlicher Theater-Abend
Um Aufmerksamkeit für die Sache zu gewinnen, haben sie bei namhaften österreichischen Künstlern wie den "Staatskünstlern" Florian Scheuba, Robert Palfrader und Thomas Maurer sowie den Schauspielgrößen Harald Krassnitzer, Katharina Stemberger und Cornelius Obonya um Unterstützung angefragt, die sich alle gerne in den Dienst der Sache stellen.
Am Sonntag, dem 7. Oktober werden sie gemeinsam im Theater in der Josefstadt ein Zeichen gegen Willkür in der Asylpolitik setzen. Die "Staatskünstler" werden aus echten Asylbescheiden der 1. Instanz vorlesen, die durch das Netzwerk "Fairness Asyl" gesammelt wurden. Weitere Bescheide wurden durch die Caritas, die Diakonie oder Rechtsanwälte beigesteuert. Diese "Textperlen" werden durch Palfrader, Maurer und Scheuba vor Publikum vorgetragen und geben so Einblicke in Verfahren, die dem Bürger sonst verborgen bleibt.
Auch die Publikumslieblinge Katharina Stemberger (trägt eigenen Text vor) sowie Harald Krassnitzer und Cornelius Obonya lesen Texte zum Thema.
"Die am Sonntag gelesenen Asylbescheide verhöhnen und verspotten Asylantragsteller und ganze Gruppen von Menschen, im Zusammenhang mit ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Ausrichtung. Dagegen setzt dieser Abend ein Zeichen: Vertreter aus Recht, Kunst und Wissenschaft und der Zivilgesellschaft setzen sich mit diesem Abend dafür ein, dass in Österreich weiterhin Sachlichkeit, Respekt und Humanität das Handeln von Gerichten und Behörden bestimmen", betonen die Organisatoren.
Asyl-Betreuer erzählen aus ihrem Alltag
Zu Wort kommen aber auch freiwillige Betreuer, die aus ihren eigenen Erfahrungen in Aslyverfahren berichten. Ergänzt wird dies durch Statements der Co-Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte in der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, Maria Wittmann-Tiwald sowie dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff.
Abgerundet wird der Abend durch zugespielte Videobotschaften bekannter Persönlichkeiten, die ihre eigene Sicht auf das Thema Asyl zum Besten geben. Dazu zählen etwa der ehemalige Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, die Politiker Alev Korun (Grüne) und Othmar Karas (ÖVP) oder Kabarettist Thomas Stipsits. "Wir haben mit Ausnahme der FPÖ von jeder politischen Partei zumindest ein Statement", erzählt Landau.
"Asyl als zivilgesellschaftliches Thema - auch im Livestream"
"Gegen Willkür" soll aber kein politischer Abend und kein Abend der NGOs sein, sondern ein zivilgesellschaftlicher Abend, der unter dem Aspekt des Rechts stehen soll, betonen die Organisatoren. Es gehe ihnen um Sensibilisierung, nicht um Behördenbashing, denn viele Beamte würden bei hoher Belastung ausgezeichnete und korrekte Arbeit leisten.
Dass das Thema auf großes Interesse stößt, zeigt sich auch daran, dass alle Karten bereits verkauft sind. Wer dennoch dabei sein will, kann an der Abendkasse sein Glück versuchen. Aber auch wer keine Karten mehr erwischt hat, kann live mit dabei sein. Das Theater in der Josefstadt zeigt die Vorstellung hier im Livestream.
Forderung nach "Qualitätsoffensive" für Asyl
Daran geknüpft sind auch eine Reihe konkrete Forderungen, die die österreichischen Asylverfahren transparenter und fairer werden können. "Es braucht eine Qualitätsoffensive für Asylverfahren. Alle Beamten, die in der Behörde Asylverfahren durchführen, müssen über die dafür notwendige Qualifikation verfügen, leider ist dies nicht immer der Fall", so Scheiber.
Konkret fordert die Initiative "Gegen Willkür":
- Die Asylverfahren sollen bereits in erster Instanz an unabhängige Gerichte übertragen und von den langjährig ausgebildeten Berufsrichtern geführt werden. Mittelfristig sollen Asylverfahren EU-Behörden übertragen werden, die EU-weit nach gleichen Standards geführt werden.
- In Asylverfahren sollen künftig nur mehr Sachverständige beigezogen werden, die einem neu zu schaffenden, besonderen Zulassungsverfahren unterliegen beziehungsweise ist das bisherige Verfahren der gerichtlichen Zertifizierung zu reformieren. Sachverständige sollten primär aus dem universitären Bereich kommen.
- Als Dolmetschende sollten nur mehr gerichtlich zertifizierte Dolmetscher oder Personen mit Spezialausbildung zum Behörden- und Gerichtsdolmetscher beigezogen werden. Im Falle eines Dolmetschendenmangels sollten verstärkt moderne Techniken (Videodolmetschen) genutzt werden.
- Alle Einvernahmen im Asylverfahren sollten audiovisuell aufgezeichnet werden. Dies ermöglicht Rechtsmittelinstanzen die Überprüfung, insbesondere auch bezüglich der Dolmetschung.
- Auf Grund der Bedeutung des Verfahrens sollte im Asylverfahren grundsätzlich eine Verpflichtung zur Vertretung durch Rechtsanwälte oder spezialisierte NGOs vorgeschrieben sein. Die vorangehende Rechtsberatung sollte ebenfalls von unabhängigen NGOs oder Rechtsanwälte erfolgen.
(lok)