Österreich
Bauchtanz als Fortbildung für KAV-Mitarbeiter
Bei der U-Kommission zum Krankenhaus Nord war das Thema Energetik bestimmend. Detail am Rande: Als Fortbildung hatte der KAV bis vor kurzem Kurse wie „Spiritualität im Bauchtanz" im Angebot.
Vier Stunden und 16 Minuten lang stellte sich KAV-Direktor Herwig Wetzlinger am Dienstag als erster Zeuge den Fragen der Untersuchungskommission zum KH Nord. In mehreren Frage-Runden stellten die Fraktionen abwechselnd je drei Fragen. Ein brennendes Thema: Der "Energiering" um das Spital.
Wetzlinger zu "Energiering": "Weder sinnvoll, noch wirtschaftlich"
Vier Personen haben die Rechnung laut Wetzlinger unterzeichnet: "Gegen drei Personen läuft ein Disziplinarverfahren, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Bei der vierten wurde der Beratervertrag aufgelöst." Trotz Meldepflicht "wurde ich nicht in Kenntnis gesetzt." Die Beauftragung des Energetikers beim Spital Nord "war weder sinnvoll, noch war sie wirtschaftlich", so Wetzlinger.
"Shakren" beim Klinikum Klagenfurt
FPÖ-Gemeinderat Alexander Pawkowicz führte ins Treffen, dass auch beim Klinikum Klagenfurt im Jahr 2004 eine "Geomantische Studie im Rahmen des Um- und Neubaus" in Auftrag gegeben wurde – sie wurde von der BOKU durchgeführt. Wetzlinger war einige Jahre kaufmännischer Direktor des Klinikums. In der Studie sei von "Demeter als Göttin der Fruchtbarkeit" und von "der weißen Göttin", die "für Orte der Ganzheit" stehe die Rede, zitiert Pawkowicz in der U-Kommission die Studie – und fragt Wetzlinger, "ob das wissenschaftlich ist"? Auch von verschiedenen "Shakren" sei die Rede.
"Ich will die Freiheit der Wissenschaft nicht in Frage stellen", so Wetzlinger. Und: "Aus einem gesamtheitlichen Ansatz heraus hat der Vorstand diese Studie in Auftrag gegeben."
Vorsitzende Rech: Spitalswesen "mit Zug zu Bereichen, die spirituell sind"?
U-Kommissions-Vorsitzende Elisabeth Rech stellte die Zwischenfrage: "Gibt es im Spitalswesen einen Zug zu diesen Bereichen, die spirituell sind?", worauf der KAV-Chef antwortete: "Von KAV-Seite gibt es keine Management-Vorgaben, Schritte einzuleiten, die dem Rechnung tragen." Und: "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dieser Studie und meinem Handeln im KH Nord."
Ellensohn: Weisung gegen Energetik-Aufträge nötig?
Auf die Frage von Grünen-Klubchef David Ellensohn, ob es – wegen des "Energiering"-Auftrags – künftig eine Weisung brauche, dass keine Energetiker mehr beauftragt werden, sagt Wetzlinger: "Es bedarf keiner Weisungen, da so etwas für die Errichtung eines Krankenhauses nicht notwendig ist." Nach der U-Kommission ergänzte Wetzlinger noch: "Allein die Tatsache, dass so etwas noch nie stattgefunden hat, zeigt, dass das eine Ausnahmeerscheinung ist." Und: Das sei ein "einmaliger Ausreißer" gewesen. "Angst, dass das am laufenden Band passiert, habe ich nicht." Das Disziplinarverfahren habe "abschreckende Wirkung".
"Die Spiritualität im Bauchtanz" als Fortbildung für KAV-Mitarbeiter
Dass Energetik im KAV offenbar Fans hat, führte FPÖ-Gemeinderat Alexander Pawkowicz ins Treffen: "Beim KAV gibt es als Fortbildung 'Heil-Sein' oder 'Die Spiritualität im Bauchtanz'", las Pawkowicz von der KAV-Homepage ab. Auch "Mitgefühl – Die höchste Form der Liebe" und "Therapeutic Touch und Mandala" standen auf dem Programm. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus ortet einen "Esoterik-Skandal auf Kosten des Steuerzahlers". Es habe sich während der Sitzung der U-Kommission "herausgestellt, dass Esoterik und Hokus-Pokus auf Kosten des Steuerzahlers im Wiener Spitalswesen offenbar weiter verbreitet sind als bisher angenommen", so Gudenus.
Seminar-Programm für die richtige Energie: Der Krankenanstaltenverbund (KAV) hatte bis vor kurzem diese Liste an online: vom "Heil-Sein" über "Die Spiritualität im Bauchtanz" bis zu "Quantenphysikalische Ansätze zur Erklärung von energetischen Heilweisen".
Am Dienstag Nachmittag war das Angebot der KAV-"Akademie für Fortbildungen und Sonderausbildungen" nicht mehr abrufbar.
Laut einem KAV-Sprecher habe es sich bei den von der Homepage entfernten Titeln um "Erfahrungsberichte" von Kursen einer "Fortbildungsreihe im Jahr 2010" gehandelt. Teilnehmerinnen hätten "ihre Erfahrungen mit persönlichen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auch schriftlich dargelegt", so der KAV-Sprecher.
Die Titel bezogen sich auf Angebote aus dem Bereich "Therapeutic Touch als gesundheitsförderliche Maßnahme".
Für die Betriebsführung sei das Seminarprogramm natürlich nicht nötig, so KAV-Chef Wetzlinger nach der U-Kommission, doch: "Dass sich Mitarbeiter über alle möglichen Dinge ausbilden lassen, dient der Motivation und der Persönlichkeitsbildung. Je breiter die Ausbildung, desto besser."
Korosec: "Neurologieabteilung fehlt"
Während der Sitzung der U-Kommission beantwortete Wetzlinger interessante Fragen zum KH Nord. Die geplanten jährlichen Betriebskosten bezifferte Wetzlinger etwa mit 258 Millionen Euro jährlich (für medizinisches, nicht-medizinisches Personal etc.). Von 2.100 Vollzeit-Äquivalenten, die im Krankenhaus Nord künftig arbeiten sollen, seien bereits 1.700 rekrutiert.
ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec fragte den KAV-Chef, warum die ursprünglich für das KH Nord geplante Neurologie samt "Stroke Unit" für Schlaganfall-Patienten nun doch nicht komme. Die Entscheidung sei gefallen, bevor er seine jetzige Funktion antrat, so Wetzlinger. 2013 sei vorgesehen worden, dass es "keine neurologische Abteilung im Krankenhaus Nord gibt". Warum, "entzieht sich meiner Kenntnis", so Wetzlinger. Doch: "Die Entwicklung eines Hauses ist nicht mit dem Start eines Hauses beendet."
Korosec kritisiert: "Eine Neurologieabteilung fehlt, obwohl die bessere Versorgung von Schlaganfallpatienten einer der Gründe zur Errichtung des KH Nord war."
Wetzlinger: Vollbetrieb im September 2019
Auch über die künftigen Schritte beim Krankenhaus Nord gab Wetzlinger Auskunft: Von 14. Jänner bis 8. Februar 2019 laufe das Behördenverfahren zur Betriebsgenehmigung, so Wetzlinger. Und zur geplanten Eröffnung des KH Nord sagt der KAV-Chef: "Der Termin wird halten." Im Juni 2019 soll der erste Patient behandelt werden, im September der Vollbetrieb laufen.
Lange beschäftigte die U-Kommission auch, warum die monatlichen "Jour Fixe", die mit Ex-Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) stattfanden, nicht schriftlich protokolliert wurden.
"Alle Lenkungs- und U-Ausschuss-Sitzungen werden natürlich protokolliert", so Wetzlinger. Doch: Der Übergang von "operativer in politische Verantwortung ist nicht formal geregelt", so der KAV-Chef. Der "Jour fixe" sei lediglich ein Informations-Gespräch gewesen. Es gebe vermutlich "handschriftliche Mitschriften" der Referenten des Büros.
Bis etwa 16 Uhr dauerte am Dienstag noch die Behandlung der 60 Beweis-Anträge der einzelnen Fraktionen. Der nächste Termin der U-Kommission soll am 31. Juli stattfinden.