Wildtiere

Gämsen wird es in Österreichs Hochgebirge zu heiß

Gämse sind perfekt an das kühle und karge Hochgebirge der Alpen angepasst. Durch den Klimawandel leiden sie nun immer mehr unter Hitzestress.

Roman Palman
Gamswild am Gosaukamm, einem Gebirgsstock im Dachstein-Gebirge.
Gamswild am Gosaukamm, einem Gebirgsstock im Dachstein-Gebirge.
Martin Huber / picturedesk.com

Die Alpengämse (Rupicapra rupicapra) ist ein erstaunliches Tier. Mit größtem Geschick kann sie selbst die steilsten Hänge erklimmen, ihr dichtes Winterfell schützt sie vor der Kälte des Hochgebirges und ihr Metabolismus ist derart sparsam, dass sie nur mit geringem Nahrungsangebot ihr Auskommen findet – doch das immer schlechter.

Der Wildbiologe Rudolf Reiner fand gemeinsam mit einem Forscherteam im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien heraus, dass die Gämsen in Österreichs Hochgebirge zunehmend unter Hitzestress leiden. Feststellen konnte er das durch eine Abnahme des durchschnittlichen Körpergewichts über die vergangenen drei Jahrzehnte.

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    Alpengämse (<em>Rupicapra rupicapra</em>) können mit größtem Geschick selbst die steilsten Hänge erklimmen,...
    Alpengämse (Rupicapra rupicapra) können mit größtem Geschick selbst die steilsten Hänge erklimmen,...
    Martin Huber / picturedesk.com

    Pflanzen sprießen früher,... 

    "Mit steigendem Frühlings- und Sommergewicht haben sie rund 13 Prozent an Körpergewicht verloren", wird Reiner in einem ORF-Bericht zu seinen Forschungsergebnissen zitiert. Die Ursache sieht er unter anderem in der starken Erwärmung des Alpenraums durch den Klimawandel.

    ... doch die Gämse haben weniger davon

    "Das Gamswild hat sich angepasst, wie auch andere Tiere, ihre Jungen zu Beginn der Vegetationsperiode zur Welt zu bringen. Da herrschen ideale Bedingungen für die Mutter, sie hat die energiereichste Milch für das Jungtier. Jetzt hat sich der Vegetationsbeginn um zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben, die Kitze kommen aber zum selben Zeitpunkt zur Welt."

    Die früher sprießenden Gräser, Kräuter und Sträucher liefern diese paar Wochen später dann nicht mehr die Qualität, die die Gämsen benötigen. Sie werden früher dürr und verholzen – das schmeckt vermutlich nicht nur weniger leiwand, sondern ist auch schwerer zu verdauen und liefert den Alpenbewohnern weniger Energie.

    Das Fazit des Forschers: Die Evolution kann offensichtlich nicht mit der Geschwindigkeit des Klimawandels mithalten.

    Daten aus drei Jahrzehnten

    Für die Gams-Studie griff das Team um Reiner auf umfangreiches Datenmaterial der Jägerschaft in den Ostalpen zurück: "Jeder Jäger, der ein Stück erlegt, muss das Alter und das Gewicht melden. Daran konnten wir feststellen, dass es über die Jahrzehnte zu der Gewichtsabnahme gekommen ist." Dreißig Jahre reichen die Aufzeichnungen zurück.

    Die Gewichtsabnahme zeigt sich derweil aber nur bei den Gämsen, die auch im Hochgebirge beheimatet sind. Jene Populationen, die in einem Wald leben, seien nicht betroffen. Offenbar kommen diese mit den veränderten Gegebenheiten besser zurecht.

    Weitere Forschung läuft bereits

    Was bedeutet das nun für die Gämsen unserer Alpen? Werden sie allesamt in die Wälder abwandern? Das sei noch unklar, sagt Wildbiologe Reiner: "Das heißt nicht zwingend, dass neue Lebensräume erschlossen werden. Aber die Dichten im Wald könnten höher werden."

    Für weitere Forschung werden jetzt Tiere mit GPS-Sendern ausgestattet, die ihre Wanderungen auch messbar in Relation zur Umgebungstemperatur setzen sollen. Aber: "Die Arbeitshypothese ist, dass die Tiere mit steigenden Temperaturen in die Wälder wandern." Ergebnisse aus dieser Arbeit dürften laut ORF frühestens 2025 vorliegen.

    Ein Rückgang der Population wird deshalb aber nicht erwartet. Im benachbarten Bayern etwa ist die Gams-Population stabil und die vergangenen zwei Jahre sogar gewachsen:

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