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Hier verliert man sich total im Wilden Westen
Das neue Werk von Rockstar Games bietet eine enorme Vielfalt und tausend Wege, die Weiten von Amerika zu entdecken. Ist es zu viel des Guten?
Natürlich beginnt die Geschichte dramatisch: ein Schneesturm. Eisige Kristalle beißen sich in die Haut, die Kälte schleicht in die Knochen. Mitten im Sturm eine Gruppe Outlaws. Ein Überfall ist schiefgelaufen, mehr weiß man zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie sind auf der Flucht, dem Tode nahe. In einer verlassenen Minenstadt wird überwintert, der Protagonist Arthur Morgan erlegt Tiere und hilft seinen Kollegen, einen Zug zu überfallen.
Willkommen in Red Dead Redemption 2. Mit dem Spiel bringt Rockstar Games (GTA V) die langersehnte Fortsetzung des Westernepos aus dem Jahr 2010. Die Geschichte spielt zeitlich vor dem ersten Teil, doch am Ende einer Epoche, die von Pionieren, Revolverhelden und der Wildheit des Westens geprägt war.
Die Zivilisation rückt näher, Outlaws sterben aus. Die Van-der-Linde-Bande, zu der Morgan zählt, ist im Grunde auch auf der Flucht vor der Moderne. Mit Überfällen versucht sie sich über Wasser zu halten und sich irgendwann, so predigt der charismatische Anführer Dutch Van der Linde, auf einem eigenen Fleckchen Land zur Ruhe zu setzen.
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Riesige Spielwelt
Der lineare Einstieg im gedrängten Winterlager dient nur dazu, die ersten Schritte des Spiels zu lernen: jagen, die richtigen Waffen wählen, mit Hilfe von Dead Eye in verlangsamter Zeit die Gegner abknallen, sie ausplündern und mehr. Als die Gang im Frühling ihre Reise fortsetzt, tun sich nicht nur die Weiten Amerikas, sondern auch die immense Tiefe des Games auf – und man wird überwältigt von der Vielzahl an Möglichkeiten, das Spiel zu erleben.
Die Möglichkeiten scheinen zumindest zunächst grenzenlos: Jagen, Kutschen überfallen, Pferd streicheln, sich in Saloons vollaufen lassen, Waffen kaufen, Menschen bei ihren Problemen helfen oder ausrauben und sogar ermorden – Rockstar hat die gigantische Spielwelt mit allerlei Aufgaben, Chancen und Ereignissen gefüllt.
(Video: Rockstar Games)
Fast zu real
Red Dead Remption 2 zeigt eine lebende und atmende Spielwelt, wie man sie in Games so noch nie gesehen hat. 200 Tierarten bevölkern die Welt, eine riesige Anzahl Pflanzen wartet darauf, gepflückt und weiterverarbeitet zu werden. Wo Feuer ist, steigen Rauch und Funken auf, im Wind wehen Blätter von den Bäumen, die Wiesen wiegen sich, Rehe sprinten davon, wenn sie Arthur riechen. Man kommt nicht umhin, bisweilen einfach stehen zu bleiben und zu staunen.
RDR2 hat ein großes Problem oder ein Killer-Feature, je nach persönlicher Vorliebe: Es ist fast zu real. Rockstar schafft episches, interaktives Kino – kleinsten Details, die sich oft erst nach vielen Spielstunden offenbaren (Pferdegenitalien schrumpfen bei kaltem Wetter). Im Game wird endlos geplaudert, die Dialoge brechen kaum ab. Durchsucht man gefallene Gegner, drängen die Gangkumpels zur Eile. Die Reitwege sind atmosphärisch, aber auch lang. Eine "filmische Kamera" kann allerdings jederzeit aktiviert werden. Arthur reitet dann automatisch zum nächsten Ziel.
Dabei geht Rockstar kaum Kompromisse ein. Beinahe jede Aktion – egal ob das Ziehen einer Waffe, das Besteigen eines Pferdes oder das Trinken einer Tasse Kaffe – ist vollständig animiert und dauert etwa so lange, wie sie es in der Realität tun würde.
Freiheit mit Einschränkungen
Eine der beeindruckendsten Neuerungen ist das Interaktionsmenü. Arthur kann mit fast jedem Charakter in der Spielwelt auf irgendeine Art interagieren. Das kann ein freundliches Hallo, eine Beleidigung oder auch eine Drohung sein. Nicht alle Figuren haben viel zu sagen, mit einigen kann man allerdings ganze Konversationen führen.
Das gaukelt eine große Freiheit vor. Und es ist auch viel möglich, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Die Entwickler haben genau definiert, zu welchem Zeitpunkt man einen Charakter ansprechen und nicht ansprechen kann. Oft ist das nachvollziehbar, etwa wenn er sich gerade in einer anderen Konversation befindet, andere Male kann man als Spieler nur rätseln.
(Video: Rockstar Games)
Ein neuer Open-World-Maßstab
Red Dead Redemption 2 ist ein Monster von einem Spiel. Es bietet eine immense Spieltiefe und eine extrem lebendige Welt, begräbt den Spielspaß aber bisweilen unter seinem eigenen Gewicht. Allerdings schafft es das Game auf brillante Weise, laufend neue Ablenkungen in der Welt zu platzieren, um auch abseits der packenden Story fantastisch zu unterhalten. An diese offene Welt werden andere Spiele vermutlich jahrelang nicht heranreichen. (jag/lu)