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Nioh im Test: Brutales und forderndes Samurai-Leben
Dass sich Team Ninja intensiv an Dark Souls orientiert hat, merkt man dem Action-Rollenspiel Nioh sofort an.
13 Jahre hat es gedauert, bis das Samurai-Abenteuer das Licht der Videospielwelt auf der PlayStation 4 erblickt hat. Ob sich das Warten gelohnt hat, zeigt unser Test, in dem wir in die Haut des westlichen Kämpfers William im 17. Jahrhundert schlüpfen.
Wilde martialische Szenen, bruchstückhafte Story-Fetzen, der Nioh-Schriftzug, mehr wirft das Rollenspiel dem Zocker anfangs nicht hin. Statt einer ausführlichen Erklärung findet man sich am kalten Steinboden sitzend im Tower von London in einer Zelle wieder. Entkommen ist das Motto - und nachdem man auf Geheiß eines mystischen Wesens eine Steinwand eingetreten hat, sticht auch schon der erste Gegner auf einen ein.
Der Start im Stile Dark Souls ist nicht die einzige Parallele zur Serie von From Software. Steuerung, Menüs, Gameplay, Storytelling und Infos bekommt man ähnlich wie in der Souls-Reihe serviert. Damit wir uns verstehen: Wir lieben die Dark Souls Serie und so ist dies ein Kompliment und keine Kritik, denn solche Spiele sind leider rar gesät. Aber zurück zum Thema: Ich, in Form von William, muss aus dem Kerker entkommen. Wie und wohin der Weg führt, das wird mir nicht gezeigt. Und darüber bin ich froh.
Taktik statt Hack & Slay
Meine kämpferischen Grenzen zeigt mir bereits die erste Wache auf. Während ich bei den Anfangskontrahenten ein schnelles Gemetzel erwarte und mir Gesundheits- und Ausdauerbalken noch fremd sind, geht meiner Spielfigur aber nach ein paar Schlägen die Luft aus und die Gefängniswache bohrt mir ihr Schwert in den Rücken. Gut, dass Nioh kein Brachial-Durchlauf-Titel sein wird, hätte mir als Dark-Souls-Fan schon vorher klar sein können. War wohl keine gute Idee, direkt vor Nioh noch eine Partie God of War einzulegen... Schnell zeigt Nioh aber, dass es etwas mehr verzeiht, als es die Souls-Titel taten - dafür aber umso mehr taktische Möglichkeiten bietet.
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Das erfahre ich aber erst, nachdem ich aus dem Tower entkommen bin. Vorher schleiche, renne und kämpfe ich mich durch zahlreiche Wachen, stelle mich gepanzerten Rittern und stelle fest, dass das Gebet an Schreinen dem Speichern gleichkommt. Effekt: Nach dem Gebet sind alle zuvor besiegten herkömmlichen Gegner wieder da. Auch, was Schreine sonst noch können, bleibt mir hier vorerst verborgen. Doch schon bei der Flucht wartet der erste Boss-Kampf: Ein riesiger Henker in Sadomaso-Kluft will meinen Kopf von den Schultern entfernen. Drei Versuche braucht es, bis ich ihn besiegt habe, dann steht auf einmal eine stärkere Form des Henkers mit neuen Angriffen vor mir. Gut ein Dutzend Mal scheitere ich an diesem, bevor ich frei bin. Hallo Dark Souls, wie hast du mir gefehlt!
Worum geht es eigentlich?
Diese Frage wird sich wohl jeder stellen, der Nioh gerade gestartet hat. Ich kann beruhigen: Auch wenn die Anfangssequenz verwirrend und überfordernd ist, wird einem die Steuerung und die Story danach eingehend erklärt. Zuerst zur Handlung: Nioh spielt in der blutigen Sengoku-Epoche, in der sich Clans um die Vorherrschaft im Reich bekriegen und das Land von dunklen Dämonen, den "Yokai" heimgesucht wird.
In dieser Zeit übernehmen wir die Kontrolle über den herrenlosen Samurai William, der einen mächtigen Feind durch das Land jagt. Auf seiner Reise begegnet man auch zahlreichen mythischen und historischen Figuren wie Hattori Hanzo, Tokugawa Ieyasu oder Yagyu Munetoshi. Und langsam stellt sich auch mein Gegenspieler Edward Kelley vor, der mir mit seinen magischen Kräften schier haushoch überlegen scheint.
Wundervolle taktische Tiefe
Zuvor gibt es dann aber nach der erfolgreichen Flucht aus dem Tower ein Tutorial, das die Steuerung erklärt. Das ist, wie sich zeigt, auch bitter nötig. Im Irrglauben, dass es nur zwei Angriffsarten - schwer und leicht - sowie eine Blockfunktion und eine Ausweichfunktion gibt, werden wir in der Samuraikunst geschult. Hier offenbart sich erstmals die taktische Tiefe: William kann Waffen nämlich in hohen, mittleren und tiefen Positionen schwingen, jeweils in zwei Varianten und mit unterschiedlichen Angriffs- und Verteidigungseffekten.
Zudem lerne ich die ersten Waffenarten und ihre Besonderheiten kennen: Äxte schlagen voll ein, verhindern aber rasches Blocken. Lanzen wiederum halten Gegner auf Abstand, in engen Räumen sind sie aber nutzlos, weil sie an Wände und Säulen prallen. Zudem verfügt jede Waffe über einen Vetrautheitsgrad, der je nach Nutzung steigt. Hinzu kommen noch Fernwaffen wie Büchsen und Bögen sowie Wurfgegenstände, Bomben und Items, die unsere Gesundheit, Ausdauer, Geld oder Amrita erhöhen - Amrita ist ein Stoff, der uns leveln lässt. Apropos leveln: Einen eigenen Charakter kann man sich zwar nicht erstellen, aber den bestehenden je nach Belieben beim Hochleveln in der bevorzugten Spielweise - etwa Stärke oder Schnelligkeit - ausbilden. Das Tutorial ist schnell absolviert, von den Spielmöglichkeiten die es aufzeigt bin ich aber tief beeindruckt.
Lernen macht Spaß
Wie in Dark Souls wird man anfangs in Nioh zwangsläufig scheitern und das ist auch der Sinn des Ganzen. Nur wer aus den Gefechten lernt, wird Nioh bis ans Ende überstehen können. Dabei ist vor allem Geschick gefragt, denn Lernmöglichkeiten gibt es an allen Ecken und Enden. So lassen sich scheinbar unbezwingbare Gegner einfach Ausschalten, indem man sich auf einen Vorsprung über sie schleicht und mit dem Schwert voran auf sie herniederspringt. Bei anderen Gegnern wiederum sucht man solange Deckung, bis ihre Ausdauer aufgebraucht ist, schickt sie mit einem Angriff zu Boden und rammt ihnen die Klinge in den Körper. Die Angriffe lassen sich vor allem deswegen perfekt planen, da auch die Gesundheit- und Ausdauer der Gegner angezeigt wird. Andere Gegner wie die Yokai haben starke Nebenwirkungen im Kampf, lassen William zum Beispiel nicht seine Ausdauer aufladen, bevor die dunkle Aura durch Spezialattacken gereinigt wird. Hier sind neue Angriffstaktiken notwendig.
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Angriff- und Verteidigung sind immer ein Abwägespiel: Blockt man und springt hinter einen Gegner, kann sich ein Todesstoß ergeben - oder aber man gibt dadurch seine Deckung vollkommen auf und erleidet selbigen. Sehr positiv bewerte ich das Levelsystem von Nioh, das ebenfalls anderen Hardcore-Titeln nachempfunden ist. Das gesammelte Amrita, das man unter anderem von besiegten Feinden oder gefundenen Truhen gewinnt, kann gegen Levelerhöhungen an Schreinen getauscht werden. Hier muss man als Spieler selbst entscheiden, wann man an einen Schrein zurückkehrt und dies tut - denn stirbt man davor, ist das Amrita wieder weg und man startet beim letztbenutzten Schrein. Im Umkehrschluss muss man sich aber nach jedem Schreinbesuch wieder durch alle Gegner kämpfen. Klingt wie der Albtraum jedes Gute-Laune-Zockers, Souls- und Bloodborne-Fans werden es aber lieben.
Einfaches Inventory, nervöse Kamera
Beim über das Touchpad aufgerufenem Inventory findet man sich in Nioh schnell zurecht, muss aber darauf achten, dass das Spielgeschehen während der Nutzung nicht stoppt. Gegner lassen immer wieder Waffen und Rüstungsgegenstände fallen, die an der jeweiligen Körperstelle ausgerüstet werden beziehungsweise den Effekt-Unterschied zur bisher getragenen Ausrüstung zeigen. Im Inventory kann man sich auch Gegenstände "binden", heißt auf die Steuerkreuztasten des Controllers legen. Zudem kann man sich bei Nah- und Fernkampfwaffen je zwei Waffen auswählen - diese werden im Kampf schnell durch das Drücken der Schultertaste und des jeweiligen Steuerkreuz-Buttons gewechselt. Drückt man nach Angriffen zudem rechtzeitig die R1-Schultertaste, kann man die Ausdauer in Form von "Ki" ein Stück weit wieder aufladen und verhindert, dass William Angriffen schutzlos ausgeliefert ist.
Generell wird es etwas dauern, bis einem alle Steuermöglichkeiten vom Blocken über das Zurückweichen, das Einsetzen von Gegenständen oder der Angriff mit Waffen ins Blut übergeht. Umständlich oder kompliziert ist das System aber nicht, nur eben etwas schwerer erlernbar. Hat man es heraußen, steuert man William ohne überlegen durch die Gegner und macht ihnen flüssig den Gar aus. Etwas eigenwillig ist dagegen das Anvisieren von Gegnern geraten. Per Druck auf den R3-Stick wird ein Kontrahent anvisiert und im Bildmittelpunkt festgepinnt - aber nur, wenn man nahe genug dran ist. Nervös wird die Kamera dabei in Innenräumen oder wenn man mehr als einem Kontrahenten gegenübersteht. In der Hektik funktioniert der Wechsel zwischen Gegnern per Schwenk des rechten Sticks nicht ganz einwandfrei und man verliert den Kontrahenten aus den Augen. Eine Sache, die sich aber wohl mit einem Update beheben lassen wird.
Spirituelle Begleiter und die Qual des Rückzugs
Schreine offenbaren mir schnell auch die Möglichkeit, einen spirituellen Begleiter auszuwählen, dessen Kraft ich im Kampf nutzen kann. Vor allem Boss-Gegner verlangen diese Attacke ab, den mit "normalen" Angriffen ist vielen nur nach einem Kampf-Marathon beizukommen. Zudem verstärken die Begleiter gewisse Eigenschaften der Figur, etwa die Gesundheit, die Stärke oder die Ausweichfähigkeit. Ihre Spezialattacken werden durch einen einfachen Knopfdruck ausgelöst und sie entfesseln eine ebenso zerstörerische wie effektgeladene Kraft. An Schreinen können übrigens auch noch nicht gebrauchte Gegenstände für einen kleinen Lohn geopfert werden.
Grafisch ist Nioh ein kleiner Tiefstapler. Ist man in den Anfangsszenen im Tower nicht sonderlich von der düsteren Atmosphäre beeindruckt, offenbart der Titel später sein ganzes Potenzial. Die Umgebung ist mit Liebe zum Detail gestaltet, die Figuren bewegen sich flüssig und die Licht- und Wettereffekte begeistern bis in Kleinigkeiten. Es muss nicht der feurig glühende Dämon sein, der die Felswand schrecklich erleuchtet, es reicht schon eine im Kampf zerschnittene Laterne, die einen wunderbaren Lichtwechsel verursacht. Grafisch wurde tolle Arbeit geleitet und die Spieler können aus drei Grafik-Modi wählen. Der "Movie Mode" nutzt starke Kantenglättung bei 30 Frames pro Sekunde und 1.920x1.080p, der "Action Mode" bietet eine stabile flüssige Auflösung bei 60 Frames pro Sekunde und 1.920x1.080p, ein weiterer "Movie Mode" stabilisiert die Auflösung bei variabler Framerate und PlayStation-4-Pro-Nutzer können sogar in 3.840x2.160p zocken. Für das reine Gameplay-Gefühl hatte ich mit dem "Action Mode" das beste Erlebnis.
Fazit: Ein fantastisches Samurai-Abenteuer
Man mag es bereits aus den Zeilen herausgelesen haben: Nioh ist kein Titel für Spieler, die ein Hack & Slay wie in God of War bevorzugen. Actionmäßig wird zwar ebenso Großes geboten, doch der Vergleich mit Dark Souls ist von der Qualität des Titels ebenso wie von der (vielleicht etwas geringeren) Schwierigkeit und dem Gameplay überaus passend. Ich fand mich in einem überraschend intensiven Titel wieder, der jederzeit fordernd, aber nie unfair war. Jede gelernte Angriffabfolge, jeder besiegte Gegner fühlte sich wie ein hart erkämpfter Erfolg an. Jede Angriffsmöglichkeit, jeder Gegenstand, jede Waffe hat ihre ganz eigene Bedeutung und ihren ganz individuellen Einsatzzweck. Während ich bei vielen Spielen einfach an meiner Lieblingswaffe festhalte, fordert mich Nioh dazu auf, Waffen zu wechseln und neue Angriffe auszuprobieren. Dafür möchte ich ein riesiges Lob aussprechen.
Auch, dass das von der Umgebung doch eher linear aufgebaute Spiel die gangbaren Wege und zu erfüllenden Ziele nicht oft einschränkt, war eine mutige und weise Entscheidung. So müssen manche Gegner, die dem Spieler vielleicht unbesiegbar erscheinen, gar nicht bekämpft werden, sondern man umgeht sie einfach. Im Endeffekt ist der Vergleich mit Dark Souls im Fazit etwas unfair. Wer das eine liebt, wird auch das andere mögen, so viel ist klar. Dark Souls und Nioh sind aber zwei fantastische Vertreter von gnadenlosen Rollenspielen, und Nioh ist auch ohne den Vergleich zu Souls ein brillanter Vertreter dieses Genres. Es steht in keinem Schatten, es wirft vielmehr einen riesigen. Nioh ist herausfordernd, brutal, blutig und grandios. Wer sich der Herausforderung stellt, auf den wartet ein Abenteuer, das atemberaubend ist und in Erinnerung bleibt.