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"Uns bleiben zehn Jahre, um die Meere zu retten"
Während vor Kanada das Plankton um die Hälfte zurückgegangen ist, warnt ein schottischer Forscher vor dem Kollaps der Meere. Die Folgen wären dramatisch.
Die kanadische Fischerei- und Meeresbehörde DFO hat in den Gewässern vor Neufundland und Labrador ein besorgniserregendes Planktonsterben festgestellt. Laut dem DFO-Forscher Pierre Pepin ist dort die gesamte Biomasse des Zooplanktons in den letzten drei bis vier Jahren um 50 Prozent zurückgegangen. Neben dem Absterben des Zooplanktons, also dem tierischen Plankton, hat Pepin auch einen Rückgang des Phytoplanktons, des pflanzlichen Planktons, festgestellt, wie CBC berichtet.
Plankton ist die Grundlage der gesamten Nahrungskette der Ozeane. Fische, Seevögel, Wale und Seehunde: Sie sind alle vom Plankton abhängig. Was der Rückgang bedeutet, veranschaulicht Pepin mit einem Vergleich: Es sei, als ob man in einen Lebensmittelladen gehe und alle Regale nur halbvoll wären. Er befürchtet, dass sich in der Nahrungskette der Ozeane etwas grundlegendes geändert hat.
Zuerst das Meer, dann das Land
Pepins Besorgnis teilt der schottische Meeresbiologe Howard Dryden. Er warnt in einem Bericht der Umweltorganisation Global Oceanic Environmental Survey, dass die Ozeane bis 2045 so vergiftet sein werden, dass innerhalb fünf Jahren die meisten Fische, Vögel und Meeressäuger aussterben werden. Das hätte laut Dryden auch für das Leben an Land verheerende Folgen.
"Wenn wir es zulassen, dass das Ökosystem der Meere zerstört wird, wird auch das Ökosystem auf dem Festland wenige Jahre später versagen", sagte Dryden zu Express.co.uk. "Uns bleiben nur etwa zehn Jahre um eine Wende herbeizuführen und nicht nur Plastik zu eliminieren, sondern auch giftige Chemikalien, wie sie in tausenden Produkten von Lippenstift bis Sonnencremes enthalten sind." Schaffe man das nicht, werde es zu einem Kollaps des gesamten marinen Ökosystems kommen.
Giftige Chemikalien
Dryden hält fest, dass nicht in erster Linie die Industrie für das Planktonsterben verantwortlich ist, sondern die Menschen, die Kosmetik und andere Produkte verwenden, die voll von giftigen Chemikalien sind. Dazu gehört Oxybenzon, das sich nicht im Wasser löst, sondern sich an kleinere Objekte wie Plankton heftet, dieses langsam tötet und andere Organismen, die sich von Plankton ernähren, vergiftet.
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Die Gefahr für das marine Leben, die von Oxybenzon ausgeht, hat unter anderem auch der US-Bundesstaat Hawaii erkannt. Dort ist der Einsatz der Verbindung in Sonnencremes ab dem 1. Januar 2021 verboten. Ein Jahr früher will der pazifische Inselstaat Palau ein ähnliches Verbot umsetzen.
Darüber hinaus fordert Dryden bis 2020 ein Verbot, Holz zu verfeuern, ein umfassendes Verbot von Einwegplastik und ein Geräte-Recycling ohne Schadstoffemissionen. Zudem müssten bis 2030 alle Industrien frei von giftigen Abfällen sein.
Nur wenn das alles erreicht werde, könnten sich die Meere bis 2050 erholen, so Dryden. Gelingt das nicht, sieht er schwarz. "Um es unverblümt zu sagen: Wenn wir nichts unternehmen, um die Situation zu verbessern, sind wir geliefert."
Wichtigster Sauerstofflieferant
Der Verlust des Planktons hätte nicht nur wegen des Ausfalls einer wichtigen Nahrungsquelle im Meer dramatische Folgen. Denn Phytoplankton produziert auch 50 bis 80 Prozent des Sauerstoffs der Erdatmosphäre und beseitigt den Großteil des Kohlendioxids. Dass das Plankton durch den Einfluss des Menschen seit den 1950er-Jahren weltweit um über 40 Prozent zurückgegangen ist, ist für Dryden denn auch einer der Hauptgründe für den Klimawandel. Vor diesem Hintergrund erscheint das verstärkte Planktonsterben vor Neufundland und Labrador noch dramatischer.
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(jcg)