Was als scheinbar glückliche Beziehung begann, verwandelte sich schnell in einen Albtraum. Andrea B. (Name von der Redaktion geändert) aus Wien, nach dem Verlust ihres Verlobten von Trauer gezeichnet, traf einen neuen Mann, der ihr anfangs Liebe, Aufmerksamkeit und Geborgenheit schenkte. Doch bald zeigte er sein wahres Gesicht.
"Er schickte mir jeden Tag zig Nachrichten und rief ständig an. Ich dachte, er sei der Richtige", erinnert sie sich. "Er sagte mir immer, wie sehr er mich liebt und wie toll ich bin. Doch dann begannen die ersten kleinen Anzeichen, dass etwas nicht stimmte. Er wurde eifersüchtig, kontrollierend und vor allem gewalttätig. Am Anfang dachte ich, es sei Liebe, aber es wurde schnell zu etwas anderem."
Schon nach wenigen Monaten bekam Andrea die erste Ohrfeige. "Es war plötzlich, ohne Vorwarnung. Er schlug mich aus Eifersucht", sagt sie. "Ich war schockiert. Mein ganzes Gesicht blutete. Es war die erste Ohrfeige, aber nicht die letzte."
"Er begann, mich zu kontrollieren. Ich durfte mit keinem anderen Mann sprechen, nicht mal alleine das Haus verlassen. Es war, als würde er mein Leben in seinen Händen halten", sagt sie. "Er hatte Angst, dass ich von anderen Männern Aufmerksamkeit bekäme, und das ging so weit, dass er mich immer wieder in meinen eigenen vier Wänden einsperrte."
Die Kontrolle über ihr Leben ging immer weiter. Ihr Ex-Partner versuchte, sie auch in religiöser Hinsicht zu beeinflussen. "Er wollte, dass ich dem Koran folge, dass ich mich bedecke und ein Kopftuch trage. Außerdem zwang er mich, IS-Videos auf Youtube zu schauen", erzählt Andrea. "Er übte immer mehr Druck auf mich aus. Er sagte mir, dass es eine Pflicht sei, sich dem Islam zu unterwerfen, und er versuchte mich zu zwingen, ihm zu folgen."
Obwohl ihre Familie sich weigerte, diesen Schritt mitzugehen, hörte der Druck nicht auf. "Ich wollte das nicht. Es war nicht mein Glaube, aber er ließ mir keine Wahl", sagt sie. "Ich fühlte mich von ihm gezwungen, meine eigene Identität und meinen eigenen Glauben aufzugeben."
Die körperliche Gewalt nahm immer schlimmere Ausmaße an. Nach nur fünf Monaten war die Situation für sie lebensbedrohlich. "Er hat mich fast zu Tode geschlagen", sagt Andrea B. mit zitternder Stimme. "Er packte mich, zog mich durch die Wohnung, trat mir ins Gesicht. Es war unvorstellbar. Ich hatte nie geglaubt, dass so etwas passieren könnte."
"Es war der Moment, in dem ich wusste, ich muss weg. Ich sprang aus dem Badezimmerfenster, rannte weg und versuchte verzweifelt, meine Familie anzurufen. Doch er schlug mir das Handy aus der Hand", erinnert sie sich. "Ich dachte, er würde mich umbringen. Es war wie in einem Albtraum."
In ihrer Verzweiflung wandte sich die Frau an die Polizei. "Ich ging mehrmals zur Polizei und habe Anzeige erstattet", sagt Andrea B. "Aber statt mir zu helfen, fühlte es sich an, als würde niemand wirklich zuhören. Er kam immer wieder zurück, und ich konnte nichts dagegen tun.
Die Polizei nahm ihre Anzeige auf und ergriff Maßnahmen zum Gewaltschutz, doch für die Frau fühlte es sich nicht wie genug an. "Ich habe Angst, was passiert, wenn er wieder rauskommt. Die Polizei hat zwar gesagt, sie schützen mich, aber ich hatte nie das Gefühl, dass sie genug tun", sagt Andrea B. verzweifelt.
Die Frau wurde von einem Frauenhaus sowie ihrer Anwältin tatkräftig unterstützt. Diese Unterstützung war entscheidend, um die unmittelbare Gefahr für sie vorübergehend zu stoppen.
Trotz der erreichten Schutzmaßnahmen bleibt die Angst jedoch bestehen. Die Frau lebt nach wie vor mit der ständigen Sorge, dass der Täter wieder auftauchen könnte. Doch sie klammert sich an die Hoffnung, dass der Albtraum eines Tages zu Ende geht, und dass sie schließlich in Sicherheit leben kann. Der Weg zur Heilung ist noch lang, doch der erste Schritt aus der Gefahr wurde dank der Unterstützung der Institutionen und ihrer Anwältin gemacht.
"In Fällen von häuslicher Gewalt, wie im Fall meiner Mandantin, ist es entscheidend, dass die Justiz konsequent handelt und die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden, um Täter effektiv zu verfolgen und Opfer zu schützen", erklärt Talia Çetin, Rechtsanwältin und Expertin für Opferschutz. "Leider sehen wir immer wieder, dass solche Delikte nicht mit der nötigen Dringlichkeit behandelt werden. Besonders bei Beziehungstaten wird häufig die Möglichkeit einer Versöhnung unterstellt, was zu Verfahrenseinstellungen führt, weil zunächst oft nur Aussage gegen Aussage steht. Diese Praxis verhindert eine angemessene rechtliche Bewertung und schützt die Opfer nicht ausreichend."
Im vorliegenden Fall wurde der Täter mehrfach mit einem Annäherungsverbot belegt, dennoch setzt Talia Çetin auf konsequentes Handeln: "Wenn es zu einem Verstoß kommt, muss sofort und konsequent reagiert werden, um den Schutz der betroffenen Frau sicherzustellen. Der Täter darf nicht ungestraft davonkommen. Frauen müssen wissen, dass sie sich immer auf die Polizei verlassen können, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Wiederholte Verstöße gegen das Annäherungsverbot im Rahmen einer einstweiligen Verfügung führen zu immer höheren Verwaltungsstrafen, was eine abschreckende Wirkung auf den Täter hat."
"Ich arbeite eng mit Organisationen wie dem Weissen Ring, TAMAR, den Gewaltschutzzentren und anderen zusammen, um sicherzustellen, dass die Rechte und das Wohlergehen von Gewaltopfern stets an erster Stelle stehen. Unser Ziel ist es, diese Straftaten nicht nur konsequenter zu verfolgen, sondern auch sicherzustellen, dass den betroffenen Frauen die nötige Unterstützung und Hilfe zur Verfügung gestellt wird", so Çetin weiter. Sie betont aber, dass Gewalt und auch Gewalt in der Familie, oder zwischen Ex-Lebensgefährten nichts mit religiöser Überzeugung zu tun hat, sondern stets Ausdruck von Macht ist.
Auf "Heute"-Anfrage erklärte die Polizei, dass in diesem Fall Anfang des Jahres eine umfassende Anzeige aufgenommen und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Es wurden Schutzmaßnahmen zum Gewaltschutz ergriffen, darunter ein Betretungs- und Annäherungsverbot im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes. "Wir haben alle notwendigen Schritte eingeleitet, um das Opfer zu schützen", erklärte die Polizei in ihrer Stellungnahme.
"Die Polizei entscheidet nicht über die Einstellung oder den Verlauf von Strafverfahren", heißt es weiter. "Dies obliegt der Staatsanwaltschaft. In diesem Fall wurde der Verdacht strafbarer Handlungen zur weiteren Prüfung weitergeleitet."
Neben der ständigen Gewalt gegen sie persönlich, setzte er ihre Familie ebenfalls unter Druck. "Er drohte, auch meiner Familie etwas anzutun", erzählt Andrea B. "Es war, als wäre es nicht nur mein Leben, das er kontrollierte, sondern auch das Leben meiner Mutter, meiner Geschwister." Die Drohungen gingen so weit, dass sie in ständiger Angst lebte, dass ihm nie genug Strafverfolgung widerfahren würde.
"Er ist bekannt bei der Polizei. Mehrmals wurde er vorbestraft, aber trotzdem haben sie nie wirklich etwas gegen ihn unternommen", erklärt sie. "Und jetzt sitzt er in U-Haft, nicht wegen dem, was er mir angetan hat, sondern wegen Schulden. Was passiert, wenn er wieder draußen ist? Was dann?"
Trotz all der Misshandlungen und der Frustration mit dem System will sie sich nicht weiter in Schweigen hüllen. "Ich habe Angstzustände und Depressionen, aber ich werde nicht aufgeben", sagt Andre B. kämpferisch. "Ich möchte den Frauen, die das Gleiche durchmachen, Mut machen. Sie dürfen sich nicht verstecken, sie müssen sich wehren."
Hilfe für gewaltbetroffene Frauen
- Die Frauenhelpline gegen Gewalt 0800 222 555 steht rund um die Uhr, mehrsprachig, anonym und kostenlos allen Frauen, Angehörigen und Interessierten zur Verfügung: https://www.frauenhelpline.at
- Onlineberatung HelpChat "Halt der Gewalt" (tägl. 18-22 Uhr und jeden Fr. von 9-23 Uhr): https://haltdergewalt.at
- Sofortige Hilfe und Beratung finden Frauen beim 24 Stunden Frauennotruf der Stadt Wien (01/71719)
Sie fordert eine stärkere und konsequentere Strafverfolgung von Tätern wie ihren Ex-Partner, damit solche Geschichten nicht ungehört bleiben. "Es muss endlich ein Umdenken bei den Behörden stattfinden. Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden und Frauen brauchen echten Schutz", sagt sie entschlossen.