Genuss

Zu obszön? Eis essende Frauen sorgen für Diskussion

Die Kolumne eines syrischen Autors in der "Süddeutschen Zeitung" hat in Deutschland eine Debatte entfacht und zeigt kulturelle Herausforderungen auf.

Sabine Primes
In Syrien gilt Eisessen in der Öffentlichkeit als vulgär und sollte vermieden werden – von Mann und Frau gleichermaßen. Vor allem von Frauen wird erwartet, sich an diese Benimmregeln zu halten. (Symbolbild).
In Syrien gilt Eisessen in der Öffentlichkeit als vulgär und sollte vermieden werden – von Mann und Frau gleichermaßen. Vor allem von Frauen wird erwartet, sich an diese Benimmregeln zu halten. (Symbolbild).
Getty Images/iStockphoto

Wann, wenn nicht im Sommer macht Eisessen am meisten Spaß? Doch was für uns selbstverständlich ist, gilt in anderen Kulturen als verpönt, vulgär oder obszön. So könnte man mit der Geste des Eisschleckens (vom Stanitzel) auch Anzügliches assoziieren. Eine Kolumne in der "Süddeutschen Zeitung" hat kürzlich das thematisiert und sorgt in Deutschland momentan für Diskussion.

Phallusähnliche Lebensmittel nur in Scheiben

In der Kolumne schreibt der syrische Autor Mohamad Alkhalaf, der in Deutschland lebt, von einem Treffen mit Ibrahim, der plötzlich unruhig wird, nachdem sich zwei Frauen mit ihren Eistüten neben ihn auf die Parkbank gesetzt haben. Der Autor kenne diese Unbehaglichkeit, schreibt er. "Es ist ja noch nicht lange her, da hätte mir diese Situation erhebliche Schwierigkeiten bereitet." So gelte in seinem Heimatland Syrien Eisessen im öffentlichen Raum als "vulgäres, obszönes Verhalten". Ebenso das Verspeisen von Lebensmitteln in phallischer (penisähnlicher) Form, wie etwa einer Banane oder einer Karotten gilt als anstößig. Sie sollten vor dem Verzehr in Scheiben geschnitten werden. Vor allem von Frauen wird erwartet, sich an diese Benimmregeln zu halten. Zuwanderern legt der Autor nahe, sich daran zu gewöhnen, dass in Deutschland eben Eis in der Öffentlichkeit gegessen wird.

Welle der Empörung

In den sozialen Medien wird das Thema heiß diskutiert. Auf Tik Tok tun viele ihren Unmut kund.

Aber vor allem auf Twitter reagierten die meisten Nutzer mit Unverständnis auf Ibrahims Verwirrung. So schreibt Twitter-User Ali Utlu: "Weil Ibrahim nervös wird, wenn Frauen am Eis lecken, soll man sich jetzt schämen Eis zu lecken? Entweder schreiben für die Süddeutsche mittlerweile die Taliban oder ein woker Volltrottel." Auch User Aras Nathan hat wenig Verständnis: "In der @SZ wird ernsthaft suggeriert, es könne 'obszön' sein, wenn Frauen in der Öffentlichkeit Eis essen. Für diese Frauenverachtung sollte es kein Verständnis geben - egal wie das gerechtfertigt wird". Ähnlich sieht es Twitter-User Stephan Schorn. Er schreibt "Wer sich bereits von Eis essenden Frauen so sehr sexuell erregen lässt, dass es sich lohnt, einen Artikel darüber zu schreiben, hat oder ist ein Problem."

Der User Emrah Erken postete als Reaktion auf die Kolumne Fotos von Syrern, die in der Öffentlichkeit eine syrische Eisspezialität essen – das sei in Syrien ganz normal. Er erklärt aber auch, dass es in Syrien immer noch Menschen gäbe, die es als anstößig empfinden, ein Eis im Freien zu essen. 

Eine Reaktion der Süddeutschen Zeitung auf die Empörung gibt es noch nicht.

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