Vorfall in Pakistan

Wut-Mob droht Frau wegen Kleid – aber keiner kann lesen

Hunderte Männer sollen in Pakistan eine Frau wegen eines "blasphemischen" Kleider-Aufdrucks bedroht haben. Lesen konnte die Schrift aber keiner.

Roman Palman
Wut-Mob droht Frau wegen Kleid – aber keiner kann lesen
Wegen ihres bedruckten Kleides wurde eine Frau in Lahore zum Opfer eines Wut-Mobs. Nur die Polizei konnte sie retten.
X / Polizei Punjab

Unfassbar: Ein wütender Mob hat am Sonntag ein Restaurant in der pakistanischen Millionenstadt Lahore umstellt und eine darin befindliche Frau bedroht. Und das alles nur, weil diese ein mit arabischen Schriftzeichen bedrucktes Kleid trug. Das schreibt die Pakistan-Korrespondentin der BBC, Caroline Davies, am Montag. 

Die Kalligrafie wurde demnach von der religiösen Hass-Menge als Koran-Suren und somit als gotteslästerlich gedeutet. Lesen konnte die Schrift aber offenbar keiner, denn auf dem Kleid stand laut Bericht u.a. das Wort "halwa" (حلوى), "süß" auf Arabisch.

Rufe nach Enthauptung

Die Situation vor dem Lokal wurde schnell brandgefährlich. Auf Blasphemie steht in dem muslimischen Land die Todesstrafe, Beschuldigte wurden in mehreren Fällen bereits vor ihrem Prozess Opfer von Lynchjustiz. Als die Polizei kurz nach 13 Uhr Ortszeit eintraf, sollen bereits 300 Personen das Gebäude umstellt gehabt haben – und es sollen immer mehr geworden sein.

Wie BBC berichtet, zirkulieren mehrere Videos des Vorfalls in den Sozialen Medien. Eines zeigt die Frau, die sichtlich verängstigt im entferntesten Eck des Restaurants kauerte und sich die Hände schützend vor das Gesicht hält. Ein anderes eine Reihe von Polizisten, die sich als einzigen Schutz zwischen ihr und der wachsenden Menge postiert hatten. Der Wut-Mob forderte brüllend die Entfernung des Kleidungsstücks. Dazu Zwischenrufe, dass Blasphemie mit Enthauptung zu ahnden sei.

Tapfere Polizistin stellte sich gegen alle

Die Rettung gelang nur mit Hilfe einer anderen Frau: Syeda Shehrbano, Assistant Superintendent bei der Polizei von Lahore. 

"Keiner wusste, was in Wirklichkeit auf dem Kleid geschrieben stand", schilderte sie BBC die bizarre Situation. "Die große Herausforderung war, die Frau aus dem Lokal zu begleiten und dabei für ihre Sicherheit zu sorgen." Dazu hätte sie den Eingang blockieren und mit der aufgebrachten Mengen regelrecht "verhandeln" müssen.

 "Wir haben ihnen gesagt, dass wir die Frau mitnehmen, ihre Taten festhalten und jeden Gesetzesverstoß entsprechend ahnden werden." Eines der Videos zeigt schließlich Shehrbano, die mit ihrem Arm über dem Kopf der Frau dieselbe durch die aufgebrachte Menschenmenge leitet. Das Aufreger-Kleid hatte sie vorher aber gegen ein einfärbig schwarzes tauschen müssen. 

Religionsgelehrte mussten Irrtum bestätigen

Auf dem Polizeirevier wurden schließlich gleich mehrere Religionsgelehrte zu Rate gezogen, die schließlich auch in einer Videobotschaft für die Öffentlichkeit bestätigten, dass es sich bei dem Print nur um arabische Kalligrafie und keine Koran-Suren handelte. 

Der Fall nahm vor seinem Ende aber noch eine weitere bizarre Wendung. Anstatt der Verantwortlichen des Lynchmobs entschuldigte sich die Frau (!) öffentlich: "Ich hatte keine solche Absicht, es war ein dummer Fehler. Ich entschuldige mich für alles was passiert ist und werde sicherstellen, dass es nie wieder vorkommt." Sie sei selbst gläubige Muslima und würde sich niemals der Blasphemie schuldig machen.

Ganz freiwillig wirkte dies aber nicht (siehe Tweet oben). Sie war flankiert von den Religionsgelehrten, der Polizistin, das Gesicht und Haare mit einem goldenen Tuch Burka-ähnlich verhüllt.

"Dann wäre es hässlich geworden"

Den Behörden zufolge soll sie nur für Einkäufe in Lahore gewesen sein und die Stadt inzwischen auch wieder verlassen haben. Die Lust auf einen neuerlichen Besuch dürfte verflogen sein.

Wie knapp der Vorfall noch gut für sie ausging, verdeutlichen die Worte der tapferen Polizistin Shehrbano: "Hätte ich nicht geschrien, hätte ich die Menge nicht überzeugt, dass wir etwas tun werden, dann wäre es hässlich geworden.... Ich danke Gott."

Lahore ist mit rund 14 Millionen Einwohnern in seiner Metropolregion nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans und die historische Hauptstadt der Provinz Punjab an der Grenze zu Indien.

Auf den Punkt gebracht

  • In Pakistan wurde eine Frau von einem wütenden Mob bedroht, weil sie ein Kleid mit arabischer Schrift trug, die als blasphemisch interpretiert wurde, obwohl niemand sie lesen konnte
  • Die Polizei musste die Frau in Sicherheit bringen und sogar Religionsgelehrte konsultieren, um den Irrtum zu bestätigen
  • Die Frau entschuldigte sich öffentlich, obwohl es offensichtlich war, dass sie unschuldig war
rcp
Akt.
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