Wirtschaft

Boykott Hunderttausende zahlen Stromrechnung nicht mehr

Gegen die Horror-Rechnungen der Stromversorger steigen in Europa immer mehr Menschen auf die Barrikaden. Jetzt wird zum Zahlungsboykott aufgerufen.

Die Initiative "Wir zahlen nicht" ruft zum Boykott der horrenden Stromrechnungen auf.
Die Initiative "Wir zahlen nicht" ruft zum Boykott der horrenden Stromrechnungen auf.
Screenshot Facebook

Die kommende Jahresabrechnung der Energieversorger löst bei vielen Österreichern einen Preisschock aus. In mehreren Ländern Europas regt sich nun Widerstand gegen die Horror-Kosten. Wenn die Menschen die Rechnung nicht bezahlen können, sollen sie es einfach sein lassen, sagen Initiatoren der diese Woche in Deutschland gestarteten linken Initiative "Wir zahlen nicht".

Ziel ist es, mit dem Zahlungsboykott den Strompreis pro Kilowattstunde auf 15 Cent zu deckeln. Das wäre der derzeitige Durchschnittspreis für erneuerbare Energien und deutlich weniger als in Deutschland oder Österreich – Wien Energie etwa verrechnet derzeit mit rund 43,5 Cent pro Kilowattstunde fast das Dreifache.

"Keine Profite mit Grundbedürfnissen"

Die Initiatoren wollen, dass nur noch erneuerbare Energie genutzt wird. Denn der Strompreis bemisst sich dank des Merit-Order-Prinzips an der teuersten Herstellungsart. Einige Energiekonzerne erzielen dadurch Rekordgewinne. Deshalb fordern die Initiatoren eine Verstaatlichung. "Keine Profite mit Grundbedürfnissen", sagt einer zur "Berliner Zeitung".

Doch wer die Rechnung nicht bezahlt, bekommt keinen Strom mehr. Das wollen die Initiatoren verbieten und verweisen auf die hohen Kosten von Stromabschaltungen bei einer Massenbewegung. Frühere Fälle hätten gezeigt, dass es die Regierung nicht wagen würde, Zigtausenden den Strom abzustellen

Vorbilder in Italien und den Niederlanden
Die Initiatoren der Initiative "Wir zahlen nicht" wollen mit einer Massenbewegung Stromabschaltungen verhindern. So hätten sich in den 1970er-Jahren Hunderte Haushalte in den Niederlanden erfolgreich gegen eine neue Gebühr für die Finanzierung von Atomkraftwerken geweigert. Ebenfalls zu dieser Zeit boykottierten 18.000 Menschen in Italien die Hälfte ihrer Stromrechnung, bis es zu Verhandlungen kam.

Boykott startet bei einer Million

Die Idee: Wenn eine Million Menschen die Initiative unterzeichnet, soll der Zahlungsboykott beginnen. Seit Dienstag haben aber erst etwas mehr als zweitausend Menschen unterzeichnet. Doch in Großbritannien verweigern seit Dezember bereits über 260.000 Menschen die Zahlungen.

Laut den Initiatoren braucht es eine internationale Vernetzung, weil sich der Strommarkt nicht nur an nationalen, sondern an europäischen Regularien bemisst. In der Schweiz gibt es bisher keine solche Initiative.

Von politisch linker Seite gibt es Zuspruch. Beim Thinktank Denknetz heißt es auf Anfrage der Schweizer Pendlerzeitung "20 Minuten", sollte der Staat die "Übergewinne der Stromkonzerne nicht der Bevölkerung zurückgeben", sei der Boykott ein legitimer Akt des zivilen Widerstands gegen die Auswüchse des gegenwärtigen Wirtschaftssystems.

Was tun, wenn Rechnung nicht mehr zu stemmen ist?

Wer sich nicht gleich einem Boykott anschließen will, die Rechnungen aber dennoch nicht bezahlen kann, sollte zuallererst Kontakt zu seinem Energieversorger suchen, rät die Arbeiterkammer Österreich. Strom-Kunden in Zahlungsnot hätten einen gesetzlichen Anspruch auf Ratenzahlung von bis zu 18 Monaten. Achtung: Das gilt nicht beim Gas!

Armutsbetroffene Haushalte, die GIS-befreit sind, hätten laut den Experten zudem einen Anspruch auf Befreiung der Ökostromförderkosten. Sie müssen aber einen Antrag stellen, und zwar beim Gebühren Info Service.

Und: Wer vor der Abschaltung von Strom und Gas steht, hat das Recht, sich auf die sogenannte Grundversorgung zu berufen. Diese ist das letztes Sicherheitsnetz für Menschen, die es sich nicht mehr leisten können, ihre Wohnung mit Strom und Gas zu versorgen.

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    Screenshot Facebook / Klimaschutzministerium

    Streit um Spar-Trick Grundversorgung

    Die Arbeiterkammer mahnt aber Sparfüchse, die hier eine Chance wittern, zur Zurückhaltung: "Zur Grundversorgung ist grundsätzlich zu sagen, dass diese kein Instrument für Jede und Jeden ist, um sich Geld zu sparen."

    Der Verbraucherschutzverein VSV und der Prozessfinanzierer Padronus hatten im Oktober genau diese Gesetzeslage als Trick für billigeren Strom enthüllt. Denn der angebotene Tarif der Grundversorgung "darf nicht höher sein als jener Tarif, zu dem die größte Anzahl ihrer Kunden, die Verbraucher sind, versorgt werden."

    Allerdings ist ein Antrag der Grundversorgung nicht an die eigene finanzielle Situation gebunden – nach gültiger Rechtslage könne wirklich jeder Haushalt einen Antrag stellen. Dagegen sperren sich aber die Energieanbieter immer mehr, obwohl sie jedem Grundversorgung gewähren müssen. Deshalb ist die Causa nun auch schon ein Fall für die Justiz.

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      Karl Schöndorfer / picturedesk.com
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