Schwere Vorwürfe

"Wir haben die Quoten-Türkin!" – Kritik an ORF-3-Chef

Rassismus, Homophobie und Mobbing: Das sind nur einige der Vorwürfe von rund 60 ORF-3-Mitarbeitern gegen Geschäftsführer Peter Schöber.

Christine Ziechert
"Wir haben die Quoten-Türkin!" – Kritik an ORF-3-Chef
Schwere Vorwürfe gegen ORF-3-Chef Peter Schöber
Ferrigato Roland / Verlagsgruppe News / picturedesk.com

Eines kann man ORF-3-Chef Peter Schöber (54) mit Sicherheit nicht vorwerfen: Zurückhaltung. Zumindest, wenn es nach den Aussagen von rund 60 Mitarbeitern bei einer Untersuchungskommission der Compliance-Stelle des ORF geht. Die darin erhobenen Vorwürfe wiegen schwer: Von Beleidigungen und Antisemitismus über Rassismus und Homophobie bis hin zu Mobbing und Psychoterror reichen die Anschuldigungen, wie Unterlagen, die "Heute" vorliegen, zeigen.

Der gebürtige Steyrer trägt sein Herz offenbar gerne auf der Zunge: So wurde etwa eine Moderatorin mit migrantischem Background gesucht – "aus einem Kulturkreis, den man nicht mag. Am besten eine Türkin oder eine aus Tschetschenien", soll Schöber gemeint haben. Als dann jemand gefunden wurde, soll der ORF-3-Chef gesagt haben: "Jetzt haben wir unsere Quotentürkin". Die offenbar Gemeinte ist Armenierin und bereits seit 2004 im ORF als Journalistin tätig – sie wurde also nicht durch ORF 3 entdeckt.

Antisemitische Vorwürfe

Bereits im September wurden antisemitische Vorwürfe laut: So soll der 54-Jährige "der (Danielle) Spera werde ich mal ihren Judenstern vom Kleidl reißen" geäußert haben – "Heute" berichtete. Und im Zuge der Erweiterung der Räumlichkeiten von ORF 3 soll Schöber folgende Aussage getätigt haben: "Wir erobern uns den Gang nach Judenart. Immer ein Zimmer mehr, bis wir den ganzen Stock haben."

Auch persönliche Beleidigungen wie "der XX ist eine richtige Drecksau", "Die wirklich Bladen sind immer auch faul" zu einer übergewichtigen Kollegin oder "Ich weiß, dass diverse künstliche Befruchtungen nicht geklappt haben, deswegen ist sie so bissig" über eine andere Kollegin soll Schöber von sich gegeben haben.

ORF-Boss Roland Weißmann (l.) mit ORF3-Chef Peter Schöber
ORF-Boss Roland Weißmann (l.) mit ORF3-Chef Peter Schöber
Andreas Lepsi / picturedesk.com

Mitarbeiter sollten ständig erreichbar sein

Nicht zimperlich dürfte der ORF-3-Chef auch mit Arbeitszeitenregelungen umgehen: Laut Aussagen von Mitarbeitern erwartet Schöber ständige Erreichbarkeit – auch am Wochenende: "Und, wenn ich um Mitternacht anrufe, haben Sie ans Telefon zu gehen", soll er in einer Sitzung zu einem Kollegen gemeint haben.

Auch private Aufträge an Mitarbeiterinnen sollen keine Seltenheit gewesen sein: Geburtstagstorten bestellen und abholen, ein Ladekabel in den Urlaub nachbringen oder die Wartung der Gastherme in seiner Wohnung überwachen – zumindest Letzteres konnte nach Intervention abgewendet werden.

"Klima der Angst" bei ORF3

Einzelne Mitarbeiter würden auf aggressive Weise herabgewürdigt und ignoriert werden. Viele werden krank oder verlassen endgültig den Sender – was sich auch in der Fluktuation von ORF3 zeigt. Laut einer Aufzeichnung, die "Heute" vorliegt, gingen in den vergangenen fünf Jahren mindestens 40 Personen.

Es herrsche ein "Klima der Angst", Schöber soll Mitarbeiter vor anderen schlecht machen, sie anschreien, öffentlich demütigen oder häufig ungerechtfertigt kritisieren. Auch von massiver Arbeitsüberlastung bis zum Burnout und manipulierten Arbeitszeitaufzeichnungen ist die Rede.

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    Vorwurf der Einflussnahme

    Kritik gibt es auch an der Filmproduktion "Ganz Wien – 40 Jahre Donauinselfest", die 2023 von ORF mit 60.000 Euro mitfinanziert wurde. Auch die SPÖ-nahe "Pro Event Wien GmbH", die das Event veranstaltet, steuerte 72.000 Euro bei. So wurde ORF3-intern beanstandet, dass der Film grundsätzlich sehr SPÖ-lastig sei und Veranstalterin und Landesparteisekretärin der SPÖ Wien, Barbara Novak, sehr oft darin vorkomme. Trotzdem wurde der Film am 3. Dezember 2023 ausgestrahlt – um 23 Uhr.

    Auch (politische) Einflussnahme auf eine Dokumentation über die österreichische Arbeiterbewegung steht im Raum: Obwohl der Doku-Zweiteiler im August 2023 schon im Rohschnitt und bereits abgenommen war, sollen die Regisseure der mit der Produktion beauftragten Filmfirma unter Druck gesetzt worden sein, Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) noch nachträglich mit einem Interview in der Doku zu platzieren – pro Teil mindestens einmal und mindestens 30 Sekunden lang.

    ORF3-Chef entschuldigte sich bei Mitarbeitern

    Die Regisseure lehnten dies jedoch ab, da bei vielen der Eindruck entstehen könnte, "dass dieser Film mithilfe der SPÖ entstanden ist" und dies der Glaubwürdigkeit der Filme schaden würde. Denn Ludwig wäre dann der einzige Politiker in der Doku. Letztendlich ging die Doku ohne Ludwig auf Sendung.

    Alles in allem also schwere Vorwürfe gegen den ORF3-Chef. Überraschend kam für die Mitarbeiter am 20. November eine Einladung von Peter Schöber zu einem Get-Together. Er gab zwar keine Stellungnahme zu dem Compliance-Verfahren ab, entschuldigte sich aber: "Es tut mir leid, es war nie in meiner Absicht, irgendjemanden von euch oder eine bestimmte Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in irgendeiner Art und Weise zu verletzen", soll Schöber erklärt haben. Der 53-Jährige absolviert zudem nach eigenen Angaben ein Coaching und Sensibilisierungstraining.

    Untersuchungsbericht liegt jetzt vor

    "Heute" befragte den ORF zu den umfangreichen Vorwürfen und erhielt eine ausführliche Stellungnahme: "Zu den einzelnen angeführten angeblichen Vorwürfen an Zitaten von Peter Schöber kann der ORF nicht Stellung nehmen. Die Vorwürfe bezüglich Arbeitszeitregelung wurden bereits vor Jahren untersucht und aufgeklärt", heißt es.

    Was den Film "Ganz Wien – 40 Jahre Donauinselfest" betrifft, meint der ORF: "Wir halten fest, dass der Film von der durch das Redakteursstatut und ORF-Gesetz geschützten Redaktion – nachdem redaktionell entsprechende Adaptierungen vorgenommen wurden – abgenommen und freigegeben wurde. "Abgenommen" bedeutet, dass alle erforderlichen inhaltlichen und technischen Qualitätskriterien erfüllt sein müssen. Der ORF hat die Koproduktion insgesamt mit 60.000 Euro unterstützt. ORF III hat den üblichen finanziellen Anteil in der Höhe von 15.000 Euro übernommen. Auch die RTR hat den Film mit 60.000 Euro gefördert."

    Diskussion um Ludwig in Doku

    Hinsichtlich des Zweiteilers "Die österreichische Arbeiterbewegung" hält der ORF fest: "Selbstverständlich wird im Rohschnitt-Stadium im üblichen Rahmen journalistischer Kriterien über inhaltliche Adaptierungen gesprochen. Es gab die interne Diskussion, Michael Ludwig als thematisch affinen Historiker zu interviewen, letztendlich wurde aus journalistischen Gründen davon abgesehen. Der Film wurde in der gesendeten Fassung ebenfalls vorher von der Redaktion abgenommen. Es gab es in der Finalfassung kein Interview mit Bürgermeister Ludwig."

    Mittlerweile ist zudem auch der Bericht der Untersuchungskommission fertig und wurde Generaldirektor Roland Weißmann übergeben: "Die Compliancestelle hat ihren schriftlichen Bericht zu ihrer Untersuchung im Hinblick auf die Vorwürfe gegen Peter Schöber fertiggestellt. Die ORF-Personalabteilung wurde nun mit der arbeitsrechtlichen Prüfung des von der Compliancestelle festgestellten Sachverhalts beauftragt. Darüber hinaus wird es auch eine ergänzende Beurteilung sämtlicher Unterlagen durch externe Rechtsexperten geben." Sobald diese Prüfungen abgeschlossen seien, werde der ORF über weitere Schritte und Maßnahmen "entscheiden und informieren", heißt es.

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    Auf den Punkt gebracht

    • Rund 60 Mitarbeiter von ORF3 erheben schwere Vorwürfe gegen Geschäftsführer Peter Schöber, darunter Rassismus, Homophobie, Mobbing und persönliche Beleidigungen.
    • Schöber entschuldigte sich bei den Mitarbeitern und absolviert derzeit ein Coaching, während der Untersuchungsbericht noch aussteht.
    cz
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