Hammer-Urteil
Wiener holt sich Lebensmittel aus Müll – Haftstrafe!
Christian A. (50) wurde erwischt, als er Weggeworfenes aus dem Müll fischte. Der Wiener wurde zu vier Wochen Haft, bedingt auf drei Jahre, verurteilt.
Christian A. (50) sieht sich selbst als Lebensmittelretter, für das Gesetz ist er ein (noch nicht rechtskräftig) verurteilter Dieb. Der Floridsdorfer wurde heuer am 20. August am Bezirksgericht Leopoldstadt wegen Diebstahls schuldig gesprochen, weil er am 26. Mai u.a. bereits abgelaufene Nahrungsmittel aus dem Müll einer Supermarkt-Filiale gefischt hatte. Das Urteil: vier Wochen Haft, bedingt auf drei Jahre.
Seit etwa vier Jahren radelt der 50-Jährige in der Nacht durch Wien, holt Weggeworfenes aus Müll-Containern – er ist ein sogenannter Dumpster: "Ich mache das ungefähr einmal pro Woche. Manchmal sind wir zu zweit oder zu dritt, manchmal bin ich allein. Es sind Unmengen an Sachen, die wir finden – rohes Fleisch, fertige Stelzen, Obst, Joghurts, Würstel – alles Mögliche. Es ist so viel, dass wir es oft auf mehrere Kühlschränke verteilen müssen", erzählt Christian A. im Gespräch mit "Heute".
„Wir wurden in eine Zelle gesteckt und wie Schwerverbrecher behandelt“
Einen Teil der Waren behält sich der Notstandshilfebezieher selbst: "Aber das Meiste ist zum Weiterverschenken gedacht." Auch heuer am 26. Mai war Christian A. mit einer Bekannten im Auftrag der Lebensmittelrettung unterwegs: "Um 2 Uhr nachts haben wir angefangen, den Müll eines Supermarktes in Brigittenau aus dem Container zu holen und zu sortieren. Als wir die Sachen gerade in Schachteln verstauen wollten, ist die Polizei aufgetaucht und hat uns festgenommen", erinnert sich der 50-Jährige.
Eine besorgte Anrainerin hatte die Polizei gerufen, diese stellte das "Diebesgut" – u.a. Fruchtsäfte, Äpfel, Mangos, Zitronen, Gurken, Brot, Eier und Würstel, aber auch Pflanzen und Elektronikgeräte – sicher: "Dann wurden wir ins Landeskriminalamt gebracht und in eine Zelle gesteckt. Dort mussten wir bei voller Beleuchtung die Nacht verbringen. Wir wurden wie Schwerverbrecher behandelt", ärgert sich der derzeit arbeitslose Elektronikentwickler.
Anzeige wegen Diebstahls
Am nächsten Morgen fand dann die Befragung der Verdächtigen durch einen Kripo-Beamten statt: "Sie wollten Fingerabdrücke und Speichelproben von uns. Ich habe aber beides verweigert. Sie haben mir dann mit einer Bürste hinten den Hals aufgekratzt und Hautproben genommen", erzählt Christian A.
Wochen danach erhielt der Wiener die Anzeige wegen Diebstahls durch Einbruch (weil er und seine Bekannte angeblich den Müllraum aufgebrochen hatten). Das Landesgericht für Strafsachen erklärte sich allerdings für nicht zuständig, da der Tatbestand des Einbruchs nicht erfüllt war – die Tür zum Müllraum war nicht versperrt gewesen. Die Causa ging daher an das zuständige Bezirksgericht Leopoldstadt.
„Wir haben versucht, den Müll zu trennen und ihn zu vermeiden. Ich habe keinen Schaden verursacht“
Am 20. August wurde der Fall verhandelt – Christian A. vertrat sich selbst: "Bei Gericht hat man mir eine Diversion in der Höhe von 50 Euro angeboten. Ich habe aber abgelehnt, denn ich habe nichts Schlimmes getan. Wir haben versucht, den Müll zu trennen und ihn zu vermeiden. Ich habe keinen Schaden verursacht. Meiner Meinung nach hatten die Sachen im Müll keinen Wert mehr", so der Lebensmittelretter.
Letzteres sahen die Gesetzeshüter allerdings anders: Es wurde ein Warenwert der Lebensmittel in Höhe von 50 Euro angenommen: "Die entnommenen Lebensmittel hatten aufgrund ihrer Menge und Genießbarkeit weiterhin einen Tauschwert und stellten damit eine diebstahlsfähige Beute dar", heißt es im Urteil des Bezirksgerichtes.
Lebensmittelretter geht in Berufung
In der Verhandlung wurde Christian A. vorgeworfen, sich selbst bereichert zu haben. "Die Richterin hat zudem sämtliche Beweisanträge und Zeugen von mir abgelehnt", kritisiert der 50-Jährige, der das Urteil noch immer nicht fassen kann. "Ich gehe über meinen Rechtsanwalt in Berufung und hoffe auf einen Freispruch!"
Auf den Punkt gebracht
- Christian (50) wurde zu vier Wochen Haft, bedingt auf drei Jahre, verurteilt, weil er abgelaufene Lebensmittel aus dem Müll eines Supermarktes fischte
- Der selbsternannte Lebensmittelretter sieht sich im Recht und plant, gegen das Urteil Berufung einzulegen