Eingriff am Notfallort

Wiener Berufsrettung macht Mini-Ops am offenen Herzen

Ein spezieller chirurgischer Notfalleingriff wird nun vermehrt von der Wiener Berufsrettung angewandt. Dabei wird der Brustkorb am Unfallort geöffnet.
Jana Stanek
18.02.2025, 10:52

Schwere Stich- und Schussverletzungen sollen in Zukunft durch die Rettungskräfte der Wiener Berufsrettung vermehrt selbst behandelt werden. Das geschieht dann in einer spektakulären "Mini-Operation" am Notfallort. Bei der sogenannten "Clampshell-Thorakotomie" wird der Brustkorb noch vor Ort geöffnet, wenn ein Patient einen Kreislaufstillstand erlitten hat.

Wien ist Vorreiterin

Das Verfahren kann man sich vorstellen wie das "Aufklappen einer Muschel" – daher der Name. In Österreich ist diese Behandlungsmethode noch relativ jung, sie ist aber hilfreich, um "lebensgefährliche Verletzungen notdürftig zu reparieren", wie Chefarzt Mario Krammel bei einem Hintergrundgespräch mit der APA skizzierte. Inspiriert wurde Krammel in Berlin, dort habe er die Methode beobachten können. Mittlerweile können die Clampshell-Thorakotomien bereits in ganz Wien durchgeführt werden, 100 Notärzte sowie 80 Notfallsanitäter wurden bisher ausgebildet, weitere sollen folgen.

Wien ist damit österreichweit Vorreiterin. "Wir wagen uns damit an ein Feld, das bisher in der präklinischen Versorgung nicht in dieser Form verbreitet war", ergänzte ein Sprecher.

Bloße Notfallmaßnahme

Die Behandlung wird nur dann durchgeführt, wenn es durch Schüsse oder Stiche lebensbedrohliche Verletzungen am Herz, der Lunge oder an anderen großen Gefäßen in Verbindung mit einem Herzkreislaufstillstand gibt. Auch bei Patienten mit "Pfählungsverletzungen wie bei einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle" sei eine "Clamshell-Thorakotomie" ein möglicher Anwendungsfall.

Dabei wird ein waagrechter Schnitt zwischen den Rippen gesetzt. Im zweiten Schritt geschieht die behelfsmäßige Versorgung der inneren Verletzungen - unter anderem durch eine interne Herzdruckmassage genauso wie durch Nähte. Die Ärzte der Berufsrettung setzen diese selbst. Krammel betont jedoch: "Wir sind keine Chirurginnen und Chirurgen." Weiter sagt er: "Das, was wir hier machen, ist wirklich eine absolute Notfallmaßnahme im Rahmen der Wiederbelebung, wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen." Denn oft seien Sekunden über Leben oder Tod eines Patienten entscheidend, erklärte Krammel der APA.

Überlebensrate bei 35 Prozent

Erfahrungen aus der Vergangenheit im Rettungswesen hätten gezeigt, dass vor allem akuter Blutverlust, ein Lungenkollaps, Sauerstoffmangel oder eine Blutansammlung im Herzbeutel zu einem - oft letztlich tödlichen - Kreislaufstillstand geführt hätten. "Und da bringt halt die Herzmassage und der Defibrillator nichts. Wir können unseren Patienten nicht anders helfen - außer mit dieser Notfallmaßnahme, um sie dann schnellstmöglich ins Krankenhaus zu bringen", so Krammel. "Sie hätten ansonsten keine Überlebenschance."

Er verwies in diesem Zusammenhang auf Studien zur Überlebensrate nach einer "Clamshell-Thorakotomie" bei einem Kreislaufstillstand infolge einer Herzverletzung. Demnach überlebten 35 Prozent der Patienten dank dieses Eingriffs. Nach jahrelangen Überlegungen wurde 2022 schließlich ein Ausbildungsprojekt für die "Clamshell-Thorakotomie" ins Leben gerufen.

Erfolgreicher erster Einsatz

Im Jänner 2023 griff die Berufsrettung zum ersten Mal auf die neue Maßnahme zurück. Ein 60-jähriger Mann hatte damals in der Kienmayergasse in Penzing mit einer Schusswaffe an der Tür seines Nachbarn geklopft. Es kam zu einem Schusswechsel mit der Polizei, der Mann wurde von Cobra-Beamten erschossen und verstarb letztlich trotz erfolgter Notfallbehandlung.

Insgesamt seien 2023 drei Einsätze mit Clamshell-Thorakotomie gezählt worden. 2024 erfolgten Behandlungen an fünf Personen. Zwei davon überlebten ihre Verletzungen, zuletzt eine junge zweifache Mutter im August 2024 in Wien-Penzing nach lebensgefährlichen Stichverletzungen.

{title && {title} } JS, {title && {title} } Akt. 18.02.2025, 14:45, 18.02.2025, 10:52
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