David Finches "The Killer"
Wie unglamourös ist der Job des Auftragskillers?
David Fincher ("Fight Club") entzaubert auf Netflix den in Thrillern so gerne als Maximum an Coolness beschriebenen Job des Auftragskiller komplett.
Egal ob Tom Cruise in "Collateral", Bruce Willis in "Der Schakal", Jean Reno in "Léon – Der Profi", Timothy Olyphant in "Hitman" oder Jason Statham in "The Mechanic": Auftragskiller sind in der Regel perfekt gestylte Einzelgänger mit edlem Geschmack, die mit dem Privatjet anreisen und dann plötzlich aus dem Nichts auftauchen, eine Waffe ziehen, ihr Opfer ausschalten und genauso elegant verschwinden, wie sie gekommen sind. Und Spuren werden natürlich nie hinterlassen. Diese Art von Killer sucht man in "The Killer" - ab Freitag auf Netflix - umsonst.
Der Killer in "The Killer" hat keinen Namen, auch wenn viele Ausweise hat. Der von Michael Fassbender (Magneto in der jüngeren Generation der "X-Men") gespielte Profikiller fliegt auch nicht in Privatjet, sondern in der Economy Class. Er fährt auch keinen Lexus, sondern einen Kia und beim Essen darf es auch schon mal Fastfood sein. Und seine Outfits sind in der Regel recht farblose Hawaiihemden zu einem beigen Rest. Aber nicht nur seine Outfits und seine Gewohnheiten sind fad, auch sein Job wirkt fad. Denn die die meiste Zeit wird gewartet und geschaut. Wer sich ein Action-Feuerwerk erwartet, der könnte bei "The Killer" schnell aufgeben, aber Geduld zahlt sich aus.
Der Killer in "The Killer" ist ein wie eine große Wildkatze, die mit ihrer Umgebung verschmilzt, während sie auf der Lauer liegt. Sobald man diesen Umstand als Zuschauer verinnerlicht hat, wird das Warten auf die Zielperson unglaublich spannend und das ganz ohne irgendwelche Filmeffekte. Obwohl Killer/Fassbender ein absoluter Profi ist, passiert ihm bei einem Auftrag in Paris ein entscheidender Fehler: Eine unschuldige Person gerät just in dem Moment in seine Schusslinie, in der Killer/Fassbender abdrückt. Zunächst reagiert er so kühl wie immer und verwischt alle Spuren. Aber das missglückte Attentat beginnt an ihm zu nagen. Und nicht nur das ...
Michael Fassbender wird nach einem missglückten Attentat vom Jäger zum Gejagten
Wer als Auftragskiller versagt, der kommt schnell selbst auf die Abschussliste, muss auch der Killer feststellen. Doch nachdem er sich - wie nach jedem Auftrag - verschanzt hat, haben es seine Auftraggeber einfach auf seine Geliebte abgesehen. Also muss der Killer vom Gejagten schnell wieder auf Jäger umschalten und beginnt sich seine ehemaligen Bosse vorzuknöpfen. Und das bedeutet wieder auf die Lauer zu gehen, mitsamt der endlos monotonen, aber grandios inszenierten Warterei.
"The Killer" lebt weniger von der Geschichte der namenlosen Hauptfigur, sondern vom beeindruckenden Hin und Her zwischen der Vorbereitung und Lauer und der tatsächlichen Action, dem Umschalten zwischen einem harmlosen Nerd zu einer emotionslosen Tötungsmaschine, die aber am Ende ja doch aus Liebe oder Rache tötet. So emotionslos kann Killer/Fassbender dann am Ende doch nicht sein. David Fincher und Michael Fassbender spielen hier zwei Stunden lang mit den ständig wechselnden Erwartungshaltungen der Zuschauer. Und wenn diese nicht zu früh - also in den ersten 15 Minuten - aufgeben, werden sie hier wirklich belohnt.