"Europa rutscht in die Sperma-Krise", "Spermienzahl bei Männern nimmt weltweit rasant ab" – solche Meldungen gab es in den letzten Jahren häufiger. Nun zeigen dänische Forscher: Zwischen der Zahl der Spermien eines Mannes und seiner Lebenserwartungen besteht ein Zusammenhang.
Laut dem Team um Lærke Priskorn, Epidemiologin am Universitätsspital Kopenhagen (Dänemark), leben Männer, deren Ejakulat mehr als 120 Millionen Spermien enthält, um zwei bis drei Jahre länger als jene, in deren Samenerguss sich weniger als fünf Millionen Spermien befinden. In der Studie haben Männer mit sehr vielen beweglichen Spermien eine Lebenserwartung von 80,3 Jahren. Bei jenen mit schlechtem Sperma betrug die Lebenserwartung dagegen nur 77,6 Jahre.
Die Studie ist im Fachjournal "Human Reproduction" erschienen.
Priskorn und ihre Kollegen nutzten die Daten von 78.284 Männern, deren Spermienqualität aufgrund von Fruchtbarkeitsproblemen zwischen 1965 und 2015 im öffentlichen Spermienanalyselabor im Großraum Kopenhagen untersucht worden war. Die eingereichten Spermien wurden auf Spermienvolumen, Spermienkonzentration und den Anteil beweglicher und normaler Spermien untersucht. Während einige Männer keine Spermien produzierten, hatten andere eine sehr gute Samenqualität. Die Forscher verfolgten die Gesundheit der Männer über 50 Jahre nach ihren Spermatests. In diesem Zeitraum verstarben rund 8600 der Probanden, was 11 Prozent der Gruppe entspricht.
"Wir haben eindeutige negative Dosis-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen allen Spermienparametern und der Gesamtsterblichkeit beobachtet", so das Team. "Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Überlebensrate umso höher ist, je besser die Spermienqualität ist", sagt Priskorn.
Der Zusammenhang zwischen schlechter Samenqualität und einem früheren Tod ist den Forschern jedoch bislang noch unklar. Er lasse sich jedoch nicht durch Krankheiten oder sozioökonomische Faktoren erklären. Auch Rauchen, Ernährung und Bewegungsmangel dürften in dieser Hinsicht keine Rolle spielen. Das lasse darauf schließen, dass die Qualität des Spermas den allgemeinen Gesundheitszustand eines Mannes widerspiegelt und wie wahrscheinlich es ist, dass er später im Leben an Krankheiten erkrankt.
Laut Priskorn könnten bereits die Bedingungen im Mutterleib eine Rolle spielen. So sei vorstellbar, dass die Faktoren, die die Entwicklung des Babys beeinträchtigen, sowohl dessen Spermien als auch seine Gesundheit im späteren Leben prägen. Auch genetische Defekte, ein geschwächtes Immunsystem oder Schadstoffe könnten eine Rolle spielen, so der nicht an der Studie beteiligte John Aitken, Reproduktionsbiologe an der University of Newcastle (Australien) in einem Artikel zur Studie. Dies, indem sie Prozesse beeinflussen, die die Spermien schwächen und gleichzeitig die Alterung beschleunigen. Etwa durch oxidativen Stress.
Priskorn und ihre Kollegen wollen nun untersuchen, welche Krankheiten bei Männern mit schlechter Samenqualität häufiger auftreten, um mehr über den Zusammenhang herauszufinden.
Männer mit schlechtem Sperma sollten sich angesichts der neuen Erkenntnisse aber nicht sorgen, so der auf Männergesundheit spezialisierte Allan Pacey von der University of Manchester zu theguardian.com: "Es ist wichtig, dass Männer mit schlechter Spermienqualität nicht in Panik geraten. Sie sollten bei Bedenken mit einem Fruchtbarkeitsspezialisten oder ihrem Hausarzt sprechen."