Klimawandel-Einfluss
Weinlese dank Hitze-Sommmer "so früh wie selten zuvor"
Die Sommer werden heißer mit längeren Trockenperioden. Das hat auch Auswirkungen auf den Wein. Die Weinlese startet 2024 deshalb sehr sehr früh.
Die österreichischen Winzer sind vom Klimawandel gezeichnet. Johannes Schmuckenschlager, ÖVP-Umweltsprecher und Präsident des Weinbauverbandes, bestätigte am Dienstag den "sehr frühen Start" der diesjährigen Weinlese. Im Burgenland finde seit letzter Woche bereits die Hauptlese statt. In Niederösterreich, der Steiermark und Wien werde diese jetzt Anfang September starten. Das sei "so früh wie selten zuvor".
Gleichzeitig dürfte Erntemenge deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr: "Die erwartete Weinmenge wird mit etwa 2,0 Millionen Hektoliter doch deutlich unter dem Durchschnitt der letzten Jahre liegen." Zwischen 2019 und 2023 hatten die Weinbauern im Schnitt 2,41 Millionen Hektoliter eingebracht.
"Reifer, harmonischer Weinjahrgang"
Eine frohe Botschaft gibt es aber: An der Qualität der Trauben gibt es nichts zu meckern. Schmuckenschlager ist damit "sehr zufrieden": "Wir können uns auf einen reifen, harmonischen Weinjahrgang freuen, der punktuell vielleicht auch etwas kräftiger ausfallen wird." Aufgrund der kleinbeerigen, tiefdunklen und konzentrierten Trauben sei von "dichten, vollreifen Rotweinen" auszugehen. Damit deren Geschmackskomposition aber im Einklang bleiben, müssen die schon jetzt sehr reifen Trauben schleunigst vom Stock geholt werden.
Der Reifezeitpunkt ist ein wichtiger Indikator für den Verlauf das Sommerwetter. Historische Aufzeichnung über den Start der Weinlese und die Güte des Weines ermöglichen Klimatologen Rückschlüsse auf die vorherrschenden Witterungsbedingungen. In manchen traditionellen Weinbauregionen ist anhand dieser phänologischen Aufzeichnungen ein Blick über viele Jahrhunderte zurück möglich.
Rebaustrieb drei Wochen verfrüht
Der heimische Jahrgang 2024 wurde laut Schmuckenschlager von einem ausreichend feuchten und zu warmen Winter, gefolgt von einem warmen Frühling mit fast schon sommerlichen Temperaturen Anfang April stark geprägt. Der Rebaustrieb erfolgte rund drei Wochen vor dem langjährigen Schnitt.
"Ein früher Austrieb birgt immer die Gefahr von Spätfrostschäden", betont der Weinhauer. In der zweiten Aprilhälfte wurden Reben in ganz Österreich schließlich von nächtliche Minustemperaturen erwischt. Besonders betroffen seien davon die Thermenregion, das Kamptal und die Wachau gewesen.
Dem Austrieb folgend, gingen die Reben auch entsprechend früher in die Blüte. Vielerorts startete diese schon in der letzten Maiwoche, dauerte bis in die ersten beiden Juniwochen.
"Eine Folge des Klimawandels"
Mitte Juni begann die erste Hitzeperiode mit Temperaturen über 30 Grad. "Dies führte zu einem sehr raschen Vegetationsfortschritt und Beerenwachstum bis hin zum Traubenschluss", führt der Klosterneuburger weiter aus. "Aufgrund der anhaltenden Hitze im Juli und August hat der Reifebeginn bereits sehr früh eingesetzt und schreitet zügig voran." Der Beerendurchmesser ist durch die extremen Temperaturen aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben, damit ist die Mostausbeute "vielfach niedriger als in normalen Jahren".
Stark eingetrübt wurde die Erntehoffnung von heftigen Hagelunwettern: Neusiedl am See, Gols und Podersdorf, das südburgenländische Güssing sowie einige steirische Weinbaugebiete wie Leibnitz, Deutschlandsberg und der Hartberger Raum, wurden hart getroffen. Zuletzt verwüsteten extreme Unwetter im Raum Hollabrunn und massiver Hagelschlag auf dem Wiener Nussberg auch die Weingärten.
"Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang, dass das verstärkte Auftreten von Unwettern ebenfalls eine Folge des Klimawandels ist", so die Landwirtschaftskammer Österreich.
Rot gegen Weiß – einer zieht den Kürzeren
Die fortschreitende Erderhitzung wird den österreichischen Winzern noch einige gravierende Veränderungen aufzwingen. Über den Weinbau in Österreich an sich braucht man sich wohl keine Sorgen machen, wohl aber über dessen Zukunft in den bisherigen Anbauregionen.
"Im Hinblick auf zukünftige Erwärmungen muss man davon ausgehen, dass sich der professionelle Weinbau polwärts bewegt; für Europa bedeutet dies, dass zukünftige Weinberge in nördlichere Regionen, die gegenwärtig kaum oder keinen Weinbau vorzuweisen haben, wandern", schrieb der Wein-Ökonom Karl Storchmann schon vor zehn Jahren im Wissenschaftsband "Weinbau und Klimawandel".
Schmuckenschlager schätzte schon in einem früheren Interview mit dem ORF, dass das Geschmacksprofil der heimischen Weine wohl "bisschen kräftiger, fülliger" und damit ähnlicher den aktuellen Südtiroler Tropfen werden wird. "Wir sehen, dass wir natürlich in trockenere Phasen kommen, vor allem im Osten Österreichs". Für die heimischen Winzer heiße das: "geringere Erträge, aber trotzdem ein Produkt".
Kühlere Regionen sind neue Gunstlagen
"Derzeit ist der Anbau von kräftigen Rotweinen erleichtert und die Produktion fruchtig-frischer Weißweine erschwert", bestätigte auch Reinhard Eder Anfang 2024 gegenüber "Heute". Er ist Direktor der HBLA für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg (NÖ) und steht somit direkt am Brennpunkt der aktuellen Entwicklungen. Schon jetzt gelten ihm zufolge wärmere Weinbau-Lagen hierzulande aufgrund der Klimaerwärmung als "eher problematisch", kühlere und höhere Regionen avancieren derweil zu den neuen "Gunstlagen".
Den Weinbau in Österreich in seiner Gesamtheit sah auch er aber nicht in Gefahr. Es gebe eine "sehr große Anpassungsmöglichkeit" durch die Wahl der Sorten, Unterlagen, Erziehungssysteme und natürlich auch der Anbaugebiete.
Eder stellte klar, dass es einen Wandel geben wird müssen: "Jede langsam oder rasch kommende Klimaveränderung erfordert innovative und flexible Anpassungen und wird sich im Spiegel der Rebsorten, Weinstyle sowie angebauten Obstarten reflektieren." Er blickte positiv der Zukunft entgegen: "Ich denke, dass mit gut angewandter Weinforschung und dynamischen Betrieben die Anpassungen und Umstellungen in Österreich schaffbar sind."
Auf den Punkt gebracht
- Die österreichischen Winzer erleben aufgrund des Klimawandels ein sehr frühes Weinjahr 2024, mit einer Weinlese, die so früh wie selten zuvor beginnt
- Trotz einer geringeren Erntemenge von etwa 2,0 Millionen Hektolitern im Vergleich zu den Vorjahren, wird die Qualität der Trauben als hervorragend eingeschätzt, was auf einen reifen und harmonischen Weinjahrgang hoffen lässt