Klimaschutz

Was tun gegen die Klima- und Plastikkrise, Herr Boote?

Mit "Plastic Planet" und "The Green Lie" erlangte Werner Boote international Aufmerksamkeit. Der österreichische Regisseur im Gespräch mit "Heute".

Lydia Matzka-Saboi
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Der österreichische Filmregisseur und Autor Werner Boote im Film "Alles unter Kontrolle" (2015).
Der österreichische Filmregisseur und Autor Werner Boote im Film "Alles unter Kontrolle" (2015).
© Chantal Lamarre

Mit seinen Dokumentarfilmen "Plastic Planet" (2009) und "The Green Lie" (Die grüne Lüge, 2018) erlangte der österreichische Regisseur Werner Boote international Aufmerksamkeit. "Plastic Planet" zählt zu den 100 erfolgreichsten Dokus aller Zeiten.

Werner Boote im Gespräch mit "Heute" über grüne Lügen, Klima- und Plastikkrise.

Herr Boote, was ist das größte Umweltproblem unserer Zeit?

Ein Kernproblem ist, dass sich die Menschen nicht als globale Gemeinschaft verstehen, abgeschnitten von der Natur leben, sich nicht um ihre eigene Lebensgrundlage kümmern.

Ein Thema, das mich im Film Population Boom (2013) beschäftigte: Es geht gar nicht so sehr darum, wie viele Menschen die Erde bewohnen, sondern viel eher, wie wir mit uns und der Natur umgehen.

Klingt banal, aber im Kern jedes Problems geht es um den Umgang miteinander und die Art, wie wir unsere Lebensgrundlage, die Natur, behandeln.

Werner Boote 2013 bei der Wien-Premiere von "Population Boom" im Gartenbaukino.
Werner Boote 2013 bei der Wien-Premiere von "Population Boom" im Gartenbaukino.
Manfred Werner

Wir sind mittendrin in der Klimakrise, bekommen aktuell mit den heftigen Hitzewellen und Waldbränden ihre Auswirkungen dramatisch zu spüren, gleichzeitig hat man das Gefühl, alle machen weiter wie bisher…

...na ja, das stimmt so nicht. Ich habe den Eindruck, immer mehr Menschen beschäftigen sich mit dem Thema, geben sich ernsthaft Mühe, klimafreundlich zu leben.

Angesichts der Komplexität des Themas - und tiefgreifende Veränderungen benötigen nun mal Zeit - muss man das als Prozess begreifen. Wir haben es auch mit einer sehr mächtigen Industrie-Lobby zu tun, die uns mit falschen Versprechen einlullt.

Das Thema Greenwashing haben Sie 2018 im Film "The Green Lie" behandelt…

Da habe ich aufgezeigt, wie Konzerne – ausgestattet mit einem enormen Marketingbudget –  uns Ökolügen auftischen. Da wird irre viel Geld in die Hand genommen, viele Menschen angestellt, damit man uns in die Irre leitet und letztendlich zum Konsumieren verführt.

Es braucht seine Zeit, das zu durchblicken, zu erkennen, welche Kaufentscheidungen in welchem Ausmaß klimaschädlich sind.

Zum Beispiel ist die Debatte rund um Diesel- oder Benzinautos versus Elektroautos die völlig falsch geführte, denn eigentlich sollte die Frage lauten: Was ist die umweltschonendste Art, sich fortzubewegen? Dann diskutieren wir nämlich andere Fragestellungen und sprechen darüber, ob es weniger Individualverkehr und mehr Öffi-Angebote geben soll.

Kann gegen irreführendes Marketing denn was unternommen werden?

Die Sorge der Menschen, die es satthaben, über Marketing-Tricks permanent an der Nase herumgeführt zu werden, führt ja auch zu Widerstand und letztendlich dazu, dass politische Institutionen reagieren.

Die EU arbeitet derzeit an Regeln, dass die Begriffe "grün" und "öko" für Werbezwecke nicht mehr so einfach verwendet werden dürfen. Eine sehr positive Entwicklung, die hier aufgrund des Drucks der Zivilgesellschaft geschieht.

"Plastic Planet" ist ihr bekanntester Film. Wie bekommen wir das Plastik aus den Ozeanen raus?

Die einfachste Lösung ist oft die richtige. Plastik ist eine Bedrohung für die Umwelt und unsere Gesundheit. Also müssen wir die Produktion von Plastik herunterfahren. Stattdessen aber wird uns die nächste "grüne Lüge" aufgetischt, nämlich Recycling. Das ist schon wichtig, nur müssen wir vor allem unseren Plastikkonsum drastisch reduzieren.

Man geht davon aus, dass 2050 mehr Plastik als Fisch in den Ozeanen schwimmen wird. Da wird uns auch kein Plastik fressender Pilz oder Wurm retten können.

Beeindruckend finde ich "The Ocean Cleanup" von Boyan Slat. Er hat mich damals als 16-Jähriger via Facebook kontaktiert, nachdem er "Plastic Planet" in der Schule gesehen hatte. Mittels großer Netze werden die Meere vom Plastikmüll befreit. Gerade konzentriert man sich auf große Flussdeltas, etwa auf das Mekong Delta in Vietnam, denn Flüsse sind wesentliche Zubringer von Plastikmüll in die Weltmeere.

Was kann der oder die Einzelne tun?

Der Einzelne kann zum Beispiel sein Hirn einschalten, sich informieren und sich der Konsequenzen seines Handelns bewusstwerden, das System hinterfragen und beginnen, sich einzumischen, aktiv zu werden. Häufig ist ein bewussteres Leben dann auch eine Bereicherung der eigenen Lebensqualität. Es gibt nicht die eine Lösung, für den einen ist es, weniger mit dem Auto zu fahren und für den anderen, Plastik zu meiden.

Eine Lehre, die ich aus "Plastic Planet" gezogen habe: Es reicht nicht, wenn wir kein Plastik mehr kaufen. Die Industrie braucht klare Regeln, denn freiwillig wird sie sich nicht umweltschonend verhalten. Solange die Herstellung von Plastik ein gutes Geschäft ist, wird auch weiter produziert. Plastikkatastrophe hin oder her.

Die Profiteure des alten, kapitalistischen Systems freuen sich jeden Tag darüber, wenn wir untätig bleiben. Deswegen geht es darum, "stopp" zu sagen, der Industrie klare Regeln vorgeben.

Und die Politik?

Ich halte die Einführung einer Steuer auf erdölbasierte Kunststoffe für sehr wichtig. Das eingenommene Geld könnte dann in die Gesundheitsforschung sowie in die Sanierung von Umweltschäden aufgrund von Plastikverschmutzung fließen.

Ist die Welt noch zu retten?

Ich glaube, die Welt müssen wir nicht retten. Die Erde existiert seit über vier Milliarden Jahren, die lacht uns wahrscheinlich aus. Wir müssen vor allem uns retten.

Was spricht dagegen?

Das ist nicht so einfach in einem auf Gier aufgebauten System. Je drastischer die Umweltkatastrophe, desto mehr verdienen große Konzerne daran. Wir müssen diesem Wirtschaften einen Riegel vorschieben, brauchen klare Regeln für Industrie und unsere Gesellschaft.

Sind Sie optimistisch, dass dies gelingt?

Ich bin Optimist, der keiner ist. Lacht. Nein, im Ernst mittelfristig bin ich optimistisch, dass die Menschheit den Ernst der Lage erkennt, dass die Kurve noch genommen werden kann. Nicht zuletzt aufgrund der Pandemie haben viele Menschen ihren Konsum eingeschränkt, auch erkannt, dass die umweltfreundliche Lebensweise die bessere ist. Ökologische Produkte sind gesünder und halten auch länger.

Haben Sie ein aktuelles Projekt in der Pipeline?

Ich arbeite gerade an einem Buch sowie einem Film zum Thema Konsum. Das Buch erscheint heuer noch, so der Plan.

Herr Boote, vielen lieben Dank für das Gespräch!

4Gamechangers Festival in Wien
Ja, er kommt nach Wien: Filmstar und Menschenrechtsaktivist George Clooney.
Mit dabei beim "4Gamechangers Festival" sind auch Wanda, der Regisseur Werner Boote, Bundespräsident Alexander Van der Bellen sowie live zugeschaltet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi.
Das Festival findet von 28. bis 30. Juni statt, wird im ORF und auf Puls24 live übertragen, Donnerstag kann in der Marx-Halle auch physisch teilgenommen werden.
Infos, Tickets und Livestream unter 4gamechangers.io