"Bedenkliche Praktiken"
Was steckt hinter den Vorwürfen gegen TikTok?
In der Diskussion um das mögliche TikTok-Verbot in den USA erhärten sich die Fronten. Experte Thomas Wolfensberger ordnet die Vorwürfe ein.
In wenigen Tagen könnte es in den USA mit TikTok vorbei sein. Wenige Tage zuvor geben sowohl Befürworter eines Verbots als auch Kritiker noch einmal Gas. Befürworter unterstellen der Firma Spionage und Verbindungen zum chinesischen Staat.
Gleichzeitig scheint die USA mit Tencent bereits die nächste chinesische Firma ins Visier zu nehmen. Kritiker hingegen vermuten hinter dem Verbot und den Vorwürfen gegenüber weiteren chinesischen Firmen den wirtschaftlichen Schutz US-amerikanischer Unternehmen.
Thomas Wolfensberger hat langjährige Erfahrung auf dem Gebiet. Gegenüber "20 Minuten" gibt er eine Einschätzung, was hinter den Vorwürfen steckt und ob es auch anderswo ein TikTok-Verbot geben könnte.
Was steckt hinter den Vorwürfen gegenüber TikTok und Tencent?
Die Vorwürfe gegenüber TikTok, insbesondere hinsichtlich Spionage und Datenweitergabe an staatliche Stellen, sind nicht unbegründet. TikTok sammelt Daten, die weit über das hinausgehen, was für den Betrieb der App erforderlich ist. Ein Blick in den App-Privacy-Bereich im App Store zeigt, dass TikTok beispielsweise den genauen GPS-Standort der Nutzerinnen und Nutzer aufzeichnet, selbst wenn die App nicht aktiv genutzt wird.
Zudem werden Netzwerkdaten, einschließlich IP-Adressen und WLAN-Informationen sowie die Browserhistorie, das heißt alle Websites, die ein Nutzer besucht, aufgezeichnet. Solche Praktiken finde ich bedenklich, weil sie ein eigentlich viel zu detailliertes Nutzerprofil ermöglichen.
Spielen in den USA aber auch eigene Wirtschaftsinteressen eine Rolle?
Die USA schützen ihre eigenen Unternehmen klar durch regulatorische Maßnahmen und nutzen Datenschutzbedenken auch als geopolitisches Instrument. Gleichzeitig zeigt die Diskussion um TikTok, wie sehr Plattformen wie Google, Meta und TikTok globale Märkte dominieren.
Laut einer Studie der Interessengemeinschaft Elektronische Medien Schweiz fließen aus der Schweiz jährlich rund zwei Milliarden Franken an Werbegeldern an internationale Plattformen ab. Gleichzeitig ist der inländische Medienmarkt rückläufig. Ein großer Teil der hiesigen Werbegelder fließt also ins Ausland, was nicht nur wirtschaftliche Nachteile bringt, sondern auch den Datenschutz betrifft.
Besteht also auch in anderen Ländern Handlungsbedarf?
Europäische und Schweizer Gesetzgeber sollten die Datensammlung durch Plattformen wie TikTok stärker regulieren und auf ein Minimum begrenzen. Daten, wie der genaue Standort, Informationen über verbundene Geräte oder die Nutzung anderer Apps sollten nicht ohne triftigen Grund erhoben werden dürfen. Diese Art von Datensammlung wirkt invasiv und unverhältnismäßig.
Für die Schweiz wäre es darüber hinaus wirtschaftspolitisch sinnvoll, lokale Alternativen zu fördern. Beispiele aus der Schweiz zeigen, dass es möglich ist, eine innovative Plattform zu betreiben, die gleichzeitig die Privatsphäre respektiert und die heimische Wirtschaft stärkt.
Nein, "Squid Game" gab es nie echt – ein Detail schon
Wie realistisch ist das definitive Verbot von TikTok in den USA und in Europa?
Ein Verbot von Tiktok in den USA halte ich für durchaus möglich, immerhin ist der Fall bei der höchsten richterlichen Instanz der USA angekommen und schlussendlich können die neun Richter des Supreme Court so oder so entscheiden.
In Europa würde ein Verbot schwerer umzusetzen sein, da hier der Fokus stärker auf Regulierung und Transparenz liegt. Die DSGVO bietet eine Grundlage, um Plattformen wie TikTok in die Pflicht zu nehmen. Die Diskussion zeigt jedoch, wie wichtig es ist, Alternativen zu schaffen, die sowohl datenschutzfreundlich als auch wirtschaftspolitisch sinnvoll sind.
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Auf den Punkt gebracht
- In den USA erhärten sich die Fronten in der Diskussion um ein mögliches TikTok-Verbot, wobei Befürworter der App Spionage und Verbindungen zum chinesischen Staat unterstellen.
- Experte Thomas Wolfensberger betont, dass die Datensammlung von TikTok bedenklich sei und dass auch wirtschaftliche Interessen der USA eine Rolle spielen könnten, während in Europa eher auf Regulierung und Transparenz gesetzt wird.