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Warum die Hamas Israel ausgerechnet jetzt angreift
Die militant-islamistische Hamas hat Israel mit einer beispiellosen Kombination aus Angriffen zu Land, zur Luft und zur See überrascht.
Überraschend feuert am frühen Samstagmorgen die radikalislamische Hamas Tausende von Raketen auf israelische Ortschaften, gleichzeitig dringen zahlreiche bewaffnete Männer über Land, See und Luft am jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) nach Israel vor, obwohl die Sperranlagen an der Grenze als besonders streng gesichert gelten. Bei den Angriffen kamen bislang über 100 Israelis und knapp 200 Menschen in Gaza ums Leben, mehrere Hunderte wurden auf beiden Seiten verletzt.
War die militärische Operation der Hamas wirklich überraschend oder hatte es in jüngster Zeit Anzeichen gegeben, dass die Palästinenserorganisation Gewalt gegen Israel verüben könnte? Laut Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, gibt es drei Gründe, warum ein Angriff der Hamas auf Israel sich lange angekündigt hat. Im "Focus" listet er diese auf:
„Grund 1:“
Bis vor einigen Monaten habe sich Israel stets vereint gegen äußere Gewalt gewehrt – doch diese Situation habe sich geändert, als der Konflikt um die geplante Justizreform der Regierung begann. Die Gesellschaft war plötzlich gespalten. Thomas Jäger erklärt: "In diesem Zustand sind Gesellschaften weniger abwehrbereit." Die Hamas werde sich aber täuschen, wenn sie gedacht habe, dass die Strategie aufgeht. Nach den Terrorangriffen werde das israelische Volk solidarisch hinter den Maßnahmen der Regierung stehen.
„Grund 2:“
Die Hamas werde von Iran und Russland unterstützt – zwei Länder, die ein Interesse an Gewalt in den internationalen Beziehungen haben, meint Experte Jäger. Sie wollen beweisen, dass die USA ihre Verbündeten nicht mehr beschützen können. Gleichzeitig werde die Parteinahme der USA zugunsten Israels erwartet, was direkte Auswirkungen bis nach Europa hat. Eines der Ziele Russlands sei, dass man sich für die "palästinensische Sache" solidarisiere. Dies könne auch gegen die weitere Unterstützung der Ukraine genutzt werden, so Jäger.
„Grund 3:“
Die Hamas wolle die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien boykottieren, schätzt der deutsche Experte. Saudi-Arabien mit den zwei heiligsten Stätten des Islams – Mekka und Medina – gilt in der arabischen Welt als wichtige Schutzmacht der Palästinenser. Allerdings laufen derzeit Gespräche zwischen dem einflussreichen Ölstaat und Israel unter US-Vermittlung über eine mögliche Normalisierung ihrer Beziehungen. Dies könnte Experten zufolge folgenreiche Veränderungen in der Region auslösen.
Der Großangriff der Hamas bringe nun Saudi-Arabien in eine schwierige Lage, so Thomas Jäger. Das Außenministerium in Riad forderte am Samstag ein "sofortiges Ende der Eskalation", gleichzeitig warnte das sunnitische Königreich vor einer "Entziehung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes".
Wie stehen die Chancen der Hamas?
Überhaupt nicht gut, meint der Experte. "Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die israelische Antwort hart ausfallen wird", schreibt er im "Focus". Die Hamas werde am Ende der Operationen massiv geschwächt sein.