Gesundheit

Warum alte Menschen trotz Impfung an Corona erkranken

Deutsche Forscher an der Charité haben herausgefunden, warum es trotz zweifacher Impfung vereinzelt noch immer Covid-19-Fälle in Altersheimen gibt.

Sabine Primes
Teilen
Menschen hohen Alters haben eine verminderte Immunantwort. 
Menschen hohen Alters haben eine verminderte Immunantwort. 
Getty Images/iStockphoto

Senioren zählten in Österreich zur höchst priorisierten Personengruppe bei der Erstellung des Impfplanes. Sie wurden bereits im März 2021 gegen den Coronavirus immunisiert. Soweit, so gut. 

Umso größer war die Überraschung als Bewohner eines Altersheimes - trotz Impfung - an Corona erkrankten. Um dieses Phänomen besser zu verstehen, hat ein Forschungsteam der Berliner Charité – Universitätsmedizin Berlin einen solchen Ausbruch in einer Berliner Einrichtung virologisch analysiert und die Immunreaktion älterer Menschen auf die Impfung untersucht.

20 infizierte Bewohner im Pflegeheim, davon 4 ungeimpft

Für die Untersuchung arbeiteten die Forschenden zunächst einen Ausbruch in einer Berliner Pflegeeinrichtung auf, der im Februar 2021 auftrat. Dabei hatten sich – neben 11 Pflegekräften ohne vollständigen Impfschutz – auch 20 Bewohner mit SARS-CoV-2 angesteckt. 16 von ihnen waren alle vollständig mit dem BioNTech/Pfizer-Vakzin geimpft. Während die vier Ungeimpften so schwer erkrankten, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, zeigte nur rund ein Drittel der Geimpften Krankheitszeichen wie Husten oder Atemnot. Durch eine Bestimmung der Virusmenge in den Abstrich-Proben stellte das Team fest, dass Geimpfte tendenziell weniger Virus im Rachen aufwiesen als Ungeimpfte. Bei ihnen wurde das Virus zudem über einen deutlich kürzeren Zeitraum nachgewiesen, im Schnitt über knapp 8 statt 31 Tage. Vier weitere geimpfte Heimbewohner steckten sich, trotzdem sie dem Virus ausgesetzt waren, während des Ausbruchs nicht damit an. Weitere Übertragungen in andere Bereiche der Einrichtung wurden durch Hygienemaßnahmen verhindert.

Dennoch mussten zwei der 16 geimpften COVID-19-Patienten in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Sie starben - aber laut Charité vermutlich nicht ursächlich an Covid-19.

Wirksamkeit der Impfung kommt bei alten Menschen nicht immer voll zum Tragen 

„Auf der einen Seite sehen wir an diesem Ausbruch, dass die Impfung die Bewohner des Pflegeheims insgesamt geschützt hat, denn ihre Krankheitsverläufe waren deutlich milder“, sagt Dr. Victor Corman, Stellvertretender Leiter am Institut für Virologie der Charité und einer der drei leitenden Autoren der Studie. „Die kürzere Virusausscheidung hat außerdem vermutlich weitere Übertragungen verhindert. Gleichzeitig wird durch die Häufung der Infektionen klar, dass die hohe Wirksamkeit der Impfung bei alten Menschen manchmal nicht voll zum Tragen kommt.“

Einen der möglichen Gründe dafür sehen die Wissenschaftler darin, dass der Ausbruch von der - früher genannten - "britischen Variante" -  jetzt "Alpha" genannten Virusvariante B.1.1.7 ausgelöst worden war, die mit einer höheren Virusmenge im Rachen und einer größeren Übertragbarkeit einhergeht.

Verzögerte und leicht reduzierte Immunantwort

Einen zweiten Grund fanden sie in der Immunantwort der Betroffenen auf die Impfung selbst. Dazu verglich das Forschungsteam die Immunreaktion auf die BioNTech/Pfizer-Vakzine bei über 70-Jährigen mit der von Charité-Beschäftigten, die im Schnitt 34 Jahre alt waren. Dabei zeigten Blutanalysen, dass schon drei Wochen nach der ersten Dosis etwa 87 Prozent der Jüngeren Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hatten, unter den Älteren waren es nur rund 31 Prozent. Einen Monat nach der zweiten Dosis hatten 99 Prozent der jungen Impflinge spezifische Antikörper im Blut, unter den älteren waren es rund 91 Prozent. Zusätzlich reiften die Antikörper bei den Älteren langsamer, sie konnten das Virus also schlechter binden. Und auch die 2. wichtige Säule des Immunsystems - die T-Zell-Antwort - fiel schwächer aus.

Mehr Maßnahmen als nur Impfung empfohlen

Privatdozent Dr. Florian Kurth, der dritte leitende Autor der Studie: „Zwar hat nach der vollständigen Impfung nur knapp jeder Zehnte der über 70-Jährigen keine Antikörper im Blut. Da wir aber derzeit keine Möglichkeit haben, die Personen mit geringem Impfschutz anhand einzelner Messwerte zu erkennen, können wir uns für den Schutz dieser besonders gefährdeten Risikogruppe nicht allein auf die Impfung verlassen. Stattdessen spielen zum jetzigen Zeitpunkt, wo große Teile der Bevölkerung noch nicht immun sind, Hygienemaßnahmen und Testungen noch eine wichtige Rolle. Insbesondere die Impfung des pflegerischen Personals sowie der Besucher ist immens wichtig, um Ausbrüche in Pflegeheimen zu verhindern. Mittelfristig kommt sicherlich auch eine weitere Auffrischimpfung für ältere Menschen infrage, um deren Impfschutz zu verbessern“.