Wehrschütz im LIVE-Interview
"Waffen, Waffen, Waffen" – ORF-Experte schlägt Alarm
Während die russischen Raketenangriffe unvermindert weitergehen, ringt die Ukraine um neue Soldaten und will westliche Waffen in Russland einsetzen.
Bei einem Bombenangriff auf einen Baumarkt in der Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine sind mindestens 14 Menschen getötet worden. "Eine weitere Manifestation des russischen Wahnsinns", so der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski. "Nur Wahnsinnige wie (Kremlchef Wladimir) Putin sind in der Lage, Menschen auf so abscheuliche Weise zu töten und zu terrorisieren"
Das russische Militär behauptet, die ukrainischen Streitkräfte hätten in dem Baumarkt ein Waffenlager versteckt – eine Behauptung, welche, laut ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, nicht unabhängig bestätigt bzw. widerlegt werden kann, aber auch nicht überrascht.
"Erstens, zivile Objekte, wie Krankenhäuser sind von allen Kriegsparteien zu allen Zeiten für militärische Zwecke missbraucht worden. Zweitens, ganz klar, Russland hat zivile Opfer in Kauf genommen, es war ein Baumarkt, ich war vor kurzem erst selbst dort; drittens, wir haben eine Situation wo wir nicht bewerten können, war dort auch militärische Infrastruktur untergebracht oder nicht. Bei Waffenlagern kann man das irgendwie noch abschätzen, weil, wenn es Sekundär- oder Tertiär-Explosionen gibt, dann weiß man, da war etwas", erklärt der 62-Jährige im Ö1-"Journal".
Russland hat die Ukraine nach Kiewer Militärangaben in der Nacht auf Sonntag mit Raketen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen aus der Luft bombardiert. Dabei kamen auch Hyperschallraketen vom Typ Kinschal zum Einsatz, wie die ukrainische Luftwaffe auf ihrem Telegramkanal mitteilte. Die Ziele schienen demnach vor allem im Westen des Landes zu liegen.
"Hat die Ukraine genug Truppen?"
Explosionen wurden aus dem Gebiet Chmelnyzkyj gemeldet, dort liegt auch die wichtige ukrainische Luftwaffenbasis Starokostjantyniw. Im Gebiet Winnyzja wurde nach Angaben der Regionalverwaltung ein Wohnhaus getroffen. Auch die Region Lwiw an der Grenze zu Polen wurde angegriffen, wie der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, auf Telegram schrieb.
In der nordukrainischen Region Sumy werde der nächste russische Vorstoß erwartet, so Wehrschütz. "20 bis 30 Kilometer im Hinterland sieht man vorbereitete Stellungen, die Panzer aufhalten sollen, Gräben werden gebaut. Selenski rechnet dort mit weiterer Angriffslinien. Doch die Stellungen sind nicht besetzt. Die Frage ist nun: kommen die Ukrainer rechtzeitig dort hinein, haben sie genug Truppen?"
Selenski will westliche Waffen in Russland einsetzen
Der ukrainische Präsident ist frustriert, fordert nach den tödlichen Bombenangriffen auf die grenznahe Großstadt Charkiw nun das Recht auf einen Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Gebiet. Darüber wird in den westlichen Geberländern seit langem debattiert. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte die Mitgliedsländer auf, der Ukraine zum Selbstschutz solche Einsätze zu erlauben. Großbritannien hat seine gelieferten Waffen dafür freigegeben, Deutschland lehnt den Waffeneinsatz über die Grenze nach Russland ab.
"Die Ukraine braucht Waffen, Waffen, Waffen und jede Waffe, die sie hat, hilft ihr. Doch das Hauptproblem ist, dass ausgebildete Soldaten fehlen. Es scheint so, als hätten sie es geschafft, den russischen Vormarsch zu stoppen, aber dafür musste die Ukraine aus dem Süden und aus dem Osten Truppen abziehen. Dort sehen wir jetzt einen russischen Vormarsch. Der ist klein, ein paar hundert Meter pro Tag, manchmal 1-2 Kilometer, aber stetig. Die Ukraine muss mit ihren Truppen wie eine Krisenfeuerwehr agieren und hat gleichzeitig Probleme, neue Einheiten aufzustellen", analysiert Wehrschütz.