Politik
VP: Herbert Kickl soll sich bei Bürgern entschuldigen
Sky Shield und die Neutralität sorgen für einen heftigen Streit zwischen ÖVP und FPÖ. Nun soll sich Herbert Kickl bei den Bürgern entschuldigen.
Was eigentlich der Landesverteidigung gegen anfliegende Raketen dienen soll, wertet FPÖ-Chef Herbert Kickl als direkten Angriff auf die Neutralität Österreichs. Bereits die Ankündigung durch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (VP), das Land an der "Sky Shield"-Initiative zu beteiligen, ließ die Blauen Sturm rennen.
Am Freitag hat Tanner schließlich gemeinsam mit ihrer Schweizer Amtskollegin Viola Amherd in Bern die Beitrittserklärungen für beide neutralen Staaten unterzeichnet. Kickl forderte wegen dieser, laut ihm, "mit unserer immerwährenden Neutralität völlig unvereinbaren Entscheidung" nun eine Volksabstimmung.
Nun schießt der ÖVP-Generalsekretär zurück. Bereits am Vorabend hatte sich Christian Stocker in der ZIB2 gegen den Chef der Freiheitlichen warmgelaufen, am Freitag setzte er noch einmal mit voller Wucht nach: "Herbert Kickl ist ein sicherheitspolitischer Geisterfahrer".
„"Wäre angebracht, dass Herbert Kickl zur Vernunft kommt"“
"Die gesamte letzte Woche haben Kickl und Konsorten damit verbracht, sich pathetisch um die österreichische Neutralität zu sorgen und haben sich gegen den Schutz des österreichischen Luftraums ausgesprochen", donnert Stocker in einer Presseaussendung: "Es ist unredlich und fahrlässig, bewusst mit den Ängsten von Menschen zu spielen und zu glauben, dass man damit parteipolitisches Kleingeld machen kann."
Dass auch die Schweiz Sky Shield unterzeichnet hat, entlarve die "Fake News" Kickls, so der VP-General: "Richtig ist: Nur wer die Neutralität schützt, der kann sie auch erhalten. Und genau das tun wir: Wir schützen Österreichs Luftraum vor Bedrohungen durch Drohnen oder ballistische Raketen."
Die Konsequenz, die Türkis deshalb nun von Blau einfordert: "Es wäre angebracht, dass Herbert Kickl zur Vernunft kommt, seine Propaganda einstellt und sich bei den Menschen in Österreich entschuldigt."
Die Neutralität ist kein enges Korsett
Eines der Grundprobleme ist, dass unserer Neutralität im politischen Diskurs von einigen Akteuren teils viel mehr zugeschrieben wird, als sie per Rechtsdefinition eigentlich ist:
Was unsere Neutralität wirklich ist
Die Neutralität Österreichs ist in einem Bundesverfassungsgesetz klar geregelt. Es besagt, dass Österreich seine Neutralität verteidigen und weder Militärbündnissen beitreten, noch Militärbasen fremder Staaten auf eigenem Territorium zulassen wird – nicht mehr, nicht weniger.
Wörtlich heißt es in Artikel I:
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Quelle: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Neutralitätsgesetz
In diesem Sinne erstaunt es dann auch wenig, dass abseits vom aufgeheizten Polit-Hickhack viele Fachleute die Sky Shield-Teilnahme tatsächlich auch mit der Neutralität vereinbar halten.
Und was ist nun mit Sky Shield?
Grundsätzlich geht es bei Sky Shield nämlich um die Verteidigung des eigenen Territoriums und eine gemeinsame Beschaffung, die es den teilnehmenden Staaten ermöglich, diese Verteidigungsfähigkeit schneller und billiger zu erhalten als mit Alleingängen. Eine Beistandsklausel oder ein Bündnisfall wie in den NATO-Verträgen ist nicht geplant. Und es sollen auch keine Militärbasen anderer Länder in Österreich errichtet werden.
Dass fast alle anderen teilnehmenden Nationen auch NATO-Mitglieder sind, ist kein Widerspruch für eine Teilnahme Österreichs. Das ergibt sich einfach aus der geopolitischen Lage unserer Alpenrepublik inmitten Europas, auch eine Mehrzahl der EU-Länder ist bei der NATO. Österreich bildet mit Zypern, Irland und Malta hier die neutrale Ausnahme.
Souveränität bleibt gewahrt
Auch eine Vernetzung von Radardaten, die die erste Stufe des Abwehrschildes darstellen soll, wäre auch kein Novum. Das gibt es bereits mit Deutschland und der Schweiz seit jeweils mehr als 15 Jahren. Auch das ist kein Bruch der Neutralität, Sky Shield würde das Bestehende de facto nur ausweiten.
Und: Das Bundesheer, das naturgegeben hinter der Initiative steht, betont, dass Österreich die Souveränität über Abwehrmaßnahmen im eigenen Luftraum auch mit Sky Shield nicht abgeben wolle: "Die Entscheidung, ob eine Lenkwaffe über Österreich abgefeuert wird und auf ein Ziel gelenkt wird, die treffen nach wie vor wir", konstatierte der Kommandant der Luftstreitkräfte Österreichs, Gerfried Promberger, am Montag in der ZIB2.