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Von dem Problem sind "80 Prozent der Mütter betroffen"
Ist ein Kind unterwegs, wird man auf vieles vorbereitet. Nur auf die Einsamkeit nicht, die viele empfinden. Eine Expertin erklärt und gibt Tipps.
Babys machen einsam. Klingt vielleicht seltsam, möchte vermutlich auch niemand hören. Aber eine der unangenehmen Wahrheiten ist, dass hinter jedem Kind eine Person steckt, die sich oft sehr allein fühlt. Freundschaften und Elternschaft sind ein Thema, das eher selten Platz in Ratgebern findet. Dabei geht es laut einer Expertin rund 80 Prozent der frischgebackenen Mamas gleich: Sie alle fühlen sich allein und isoliert von der Außenwelt.
Das Erstgeborene katapultiert Erwachsene aus dem gewohnten Leben in ein Universum aus Hormonausbrüchen und Stilleinlagen. Zwischen den Freuden über das erste Lächeln und tränenreichen Nächten können Sekunden liegen. Sich hier wohlzufühlen, fällt einigen leichter als anderen. Gesellschaft dagegen wünschen sich alle.
Die Gründe sind vielfältig. "Der Übergang zur Elternschaft stellt ein einschneidendes Lebensereignis dar und aus Studien weiß man, dass eine Übergangsphase häufig mit Einsamkeitsgefühlen einhergeht", sagt Psychologin Dr. phil. Simona Palm gegenüber "20 Minuten". Die Schwangerschaft, Geburt und erste Zeit danach seien eine bewegte Zeit, in der man sich auf neue Situationen einlassen müsse. "Der Radius, die Energie und Zeit sind eingeschränkt, was zur Verringerung von sozialen Kontakten, aber oft auch zu weniger Austausch mit dem Partner oder der Partnerin führt", so Palm weiter.
Nie allein und doch einsam
Oft ist es die gebärende Mutter, die erst mal zu Hause bleibt. Den anderen Elternteil schützt das aber nicht vor diesen Emotionen. "Viele Väter berichten, den Anspruch zu haben, nach der Arbeit sofort nach Hause zurückgehen zu wollen, um bei der Familie zu sein oder die Partnerin zu entlasten", sagt die Psychologin. Auch dadurch könne es zu einem Wegfall von sozialen Kontakten kommen. "Man weiß auch, dass die Partnerschaftsqualität im Übergang zur Elternschaft abnimmt, insbesondere in den Bereichen Kommunikation und Sexualität, was wiederum Einsamkeit auslösen kann", so Palm. In ihrer Praxis beobachte sie, dass viele Väter mit ihrer Partnerin nicht über ihre Gefühle sprechen.
Schlechtes Gewissen
Wer sich einsam fühlt, obwohl sie oder er das beste Geschenk der Welt in den Armen hält, hat oft auch ein schlechtes Gewissen. "Häufig denken Frauen, dass sie in dieser Zeit nur glücklich sein dürfen", sagt Dr. Palm. "Da hilft es meist schon aufzuklären, dass bis zu 80 Prozent der Mütter berichten, dass sie diese Emotionen kennen."
Was also tun, wenn man sich in einem Strudel aus Isolation und Schlafroutine befindet? Die Psychologin rät, offen darüber zu sprechen und sich insbesondere dem Partner oder der Partnerin zu öffnen. "Vielleicht beruht es auf Gegenseitigkeit, wurde bisher nur noch nicht angesprochen."
Auf Neues einlassen
Zudem ermutigt sie, Kontakte mit einem kurzen Telefonat oder einer Voicemail wieder aufzunehmen oder aufzubauen. "Es ist hilfreich, den Rollenwechsel zu akzeptieren und sich auf neue Aktivitäten wie Babyschwimmen einzulassen – auch wenn man es sich nicht vorstellen kann, entstehen so durchaus gute Kontakte."
Selbstverständlich muss sich auch Freundin oder Freund engagieren. "Das Leben wurde in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt – jetzt ist es wichtig, zuzuhören, zu fragen statt zu bewerten und in Kauf zu nehmen, dass man nur drei Sätze sagen kann, weil das Kind etwas braucht", sagt Palm. Die eigenen Bedürfnisse müssen aber auch geäußert werden: "Zum Beispiel, dass man sich über einen gemeinsamen Abend freuen würde oder dass man einen Rat braucht."
Auch wenn es oft nicht vorstellbar sei, sei das alles eine Phase. "Mit dem Autonomiegewinn der Kinder gelingt es den Meisten, ihre sozialen Beziehungen wiederaufleben zu lassen, oder sie bauen neue Kontakte auf – die Einsamkeitsgefühle nehmen ab", sagt die Psychologin.