Ukraine
Völlig anders – so erleben Russen Ukraine-Krieg im TV
Der Krieg in der Ukraine ist in Russland gar keiner. Die staatlich kontrollierten Medien zeichnen der Bevölkerung ein völlig anderes Bild der Lage.
Charkiw zerbombt, ein riesiger Militärkonvoi vor Kiew und beinahe weltweite Bestürzung und Verurteilung des Angriffskriegs, den Wladimir Putin am vergangenen Donnerstag gegen die Ukraine gestartet hat. Immer noch ist die Invasion in vollem Gange, doch während westliche Medien Meldungen von Pannen am russischen Vormarsch bringen, erfährt das russische Publikum von all dem nichts.
Putin hat die Medienlandschaft des Staates fest unter Kontrolle, wer kritisch über den Krieg in der Ukraine berichtet, wird abgedreht. Erste Opfer gibt es bereits: Die bekannte Radiostation "Echo Moskau" darf nicht mehr funken, auch der Online-Sender "TV Rain" ist verstummt.
Wer noch übrig ist, ist voll auf Regierungslinie. Welche Berichterstattung der Kreml im Land noch zulässt, hat sich die BBC näher angesehen. Das Ergebnis ist bezeichnend.
In Russland gibt es keinen Krieg
So wurde etwa eine Morgenshow im staatlich kontrollierten und reichweitenstarken "Channel One" zwar für aktuelle Nachrichten zum Geschehen in der Ukraine unterbrochen, aussprechen will das aber niemand. "Wegen weithin bekannter Ereignisse" werde das Programm geändert, so der Moderator.
In dem folgenden News-Beitrag heißt es dann, dass im Internet verbreitete Meldungen über von Ukrainern zerstörtes russisches Kriegsgerät falsch seien. Diese seien in die Welt gesetzt worden, um "uninformierte Zuschauer in die Irre zu führen." Dazu werden Fotomontagen gezeigt, die dabei angeblich verbreitet werden, um die eigene Aussage zu untermauern.
Über einen "Krieg" wird hier sowieso nicht gesprochen, wie auch ein Beitrag des russischen NTV – der Sender gehört zum Kreml-kontrollierten Gazprom-Konzern – zeigt. Dort wird nur über Vorgänge im Donbas im Osten der Ukraine berichtet, wo die russische Armee seit 24. Februar eine "Spezialoperation" zur "Demilitarisierung und Entnazifizierung" durchführt.
"Benehmen sich wie Faschisten"
Die zwei Sender "Rossiya 1" und "Channel One" setzen bei ihren Donbas-Berichten noch nach und beschuldigen die Ukraine, Kriegsverbrechen zu begehen. Die Gefahr für die Bevölkerung komme nicht von den russischen Truppen, sondern von "ukrainischen Nationalisten", welche "sie als Schutzschild missbrauchen".
Die Raketen und Granaten, die Wohnhäuser der Zivilbevölkerung getroffen und zerstört hätten, wurden nach russischer Darstellung allesamt von ukrainischen Truppen abgefeuert. Berichte, die Gegenteiliges sagen, sind in Russland "Fake News". Die russische Armee habe keinerlei Verantwortung für die zivilen Opfer.
Quer durch die Bank zieht sich auch eine "historische Parallele". Die Moderatoren und Berichterstatter vergleichen die russische "Spezialoperation" regelmäßig mit dem Kampf der Sowjetunion gegen Nazideutschland. "Die Taktik der Nationalisten, die Kinder als Schutzschilder nutzen, haben sich seit dem zweiten Weltkrieg nicht geändert", postuliert ein Morgenshow-Moderator auf "Rossiya 24". "Sie benehmen sich wie Faschisten".
Russen-TV: Ukrainer bombardieren sich selbst
Der Beschuss von Charkiw ist im Russen-TV nur eine Fabrikation aus Lügen. "Ausgehend von der Flugrichtung der Raketen, wurden diese im Nordwesten der Stadt abgefeuert wo es keine russischen Truppen gibt", so ein "Rossiya 1"-Nachrichtensprecher um 16 Uhr Ortszeit.
Wenig später sind es die Ukrainer, die sich selbst beschossen haben sollen: "Sie bombardieren Charkiw und sagen, es war Russland. Die Ukraine beschießt seine eigene Stadt und belügt den Westen. Aber ist es möglich, das Volk zu betrügen?", stellt der Beitrag in den Raum. Bei der nächsten Runde ist es dann wieder "die Bedrohung des Westen, die sich der Ukrainer in seinem Kräftemessen bedient", gegen die sich Russland "zur Wehr" setze.
TikTok, Google und Twitter unter Druck
Was im TV über die Mattscheibe flimmern darf, gibt der Medienwachhund Roskomnadzor – der Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation – vor. Weil sich besonders junge Russen aber vermehrt im Internet informieren und so die staatliche Narrative umgehen, werden auch die bekannten Plattformen von den Kreml-Getreuen unter Druck gesetzt.
Tiktok etwa wurde befohlen, sämtliche militärischen oder politischen Content aus der Rubrik der vorgeschlagenen Inhalten zu entfernen. Auch Google soll "falsche Informationen über die russische Armee und ihre Verluste" – aktuell gesteht der Kreml knapp 500 tote Soldaten ein, Kiew spricht von bald 6.000 – löschen. Und auf Twitter wird die Ladezeit für Beiträge über die Ukraine massiv nach oben geschraubt.