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Visa-Skandal: Polens Regierung unter Schleuser-Verdacht
Hunderttausende Arbeitsvisa sollen von Mitarbeitern des polnischen Außenministeriums gegen hohe Summen verkauft worden sein.
In Polen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sieben Personen wegen des Verdachts, sie hätten gegen Bezahlung die Vergabe von Arbeitsvisa beschleunigt. Drei der Verdächtigen seien festgenommen worden, sagte der stellvertretende Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität und Korruption, Daniel Lerman, am Donnerstag in Warschau. Untersucht würden Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe mehrerer Hundert Arbeitsvisa in mehreren arabischen Ländern sowie in Indien, den Philippinen, Singapur, Hongkong und Taiwan.
Vizeminister derzeit in Klinik
Berichte polnischer Medien und Angaben der Opposition deuten dagegen auf ein sehr viel größeres Ausmaß hin. Innerhalb von 30 Monaten seien in Afrika und Asien 250.000 polnische Arbeitsvisa ausgestellt worden, sagte Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform.
Im Zentrum der Ermittlungen soll das Außenministerium stehen, berichtet "Bild". Am 31. August war der stellvertretende Außenminister Piotr Wawrzyk entlassen worden. Er soll unter anderem in der Regierung darauf gedrängt haben, pro Jahr mindestens 400.000 ausländische Arbeitskräfte nach Polen zu holen. Gemäß dem Justizminister Zbigniew Ziobro soll Piotr Wawrzyk seither einen Suizidversuch unternommen haben. Er werde derzeit in einer Klinik behandelt.
Bis zu 40.000 Dollar für Visa
Nach Berichten des Portals Onet und der Tageszeitung "Gazeta Wyborcz" soll Wawrzyk der Drahtzieher hinter einem System gewesen sein, bei dem Zwischenfirmen für hohe Geldsummen polnische Visa anboten. Häufig seien die Migranten aus Asien und Afrika auf der Basis ihres polnischen Visums im Schengenraum weitergereist.
Besonders begehrt waren demnach Mehrfachvisa. Denn wer ein Mehrfachvisum für den Schengenraum hat, darf auch nach Mexiko einreisen – und kann so in die USA gelangen. Den Angaben nach sollen Menschen in Indien an Zwischenfirmen bis zu 40.000 Dollar gezahlt haben, um in den Besitz eines polnischen Mehrfachvisums zu kommen.
Vor der Parlamentswahl am 15. Oktober setzt das Thema Visa-Vergabe die PiS unter Druck. Denn die PiS-Regierung widersetzt sich dem EU-Asylkompromiss, der eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen vorsieht. Warschau will parallel zur Parlamentswahl in einem Referendum darüber abstimmen lassen. Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess innerhalb der EU.