Gesundheit

"Virus mutiert" – Biontech-Chef warnt vor neuer Pandemie

Biontech-Chef Uğur Şahin geht davon aus, dass die Omikron-Impfung Anfang September ausgeliefert werden kann.

Christine Scharfetter
Uğur Şahin warnt davor, zu lange mit den neuen Impfstoffen zu warten.
Uğur Şahin warnt davor, zu lange mit den neuen Impfstoffen zu warten.
apa/picturedesk ("Heute"-Montage)

Vor gut einem halben Jahr hat die erste Omikron-Variante alle anderen Vorgänger des Coronavirus weltweit erfolgreich verdrängt. Seitdem ist das Virus stetig mutiert und hat mit seinen Sublinien sogar für eine Sommerwelle gesorgt. Allerdings wäre es nach den sechs Monaten – wenn sich das Coronavirus weiterhin so verhält wie bisher – Zeit für eine neue Variante. Eine Problematik, die derzeit auch Biontech-Gründer Uğur Şahin Sorgen bereiten zu scheint.

"Können sich ungestört optimieren, bis sie einen komplett neuen Satz von Escape-Mutationen besitzen, die regional oder sogar global eine neue Pandemie auslösen können."

Im Interview mit dem "Spiegel" merkt der 56-Jährige zwar auch an, dass sich Omikron mit seinen Subvarianten wohl nicht so leicht verdrängen lassen wird: "Omikron mutiert stetig. Diese Evolution über neue Sublinien haben wir bei Delta auch gesehen, sie ist aber bei Omikron viel stärker ausgeprägt." Dennoch schließt er eine neuerliche Pandemie nicht aus.

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    Die Entwicklung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes machte&nbsp;<strong>Ugur Sahin</strong> zum Milliardär.
    Die Entwicklung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes machte Ugur Sahin zum Milliardär.
    Reuters

    Virus erfindet sich neu

    "Ein ungelöstes Problem ist der zweite Evolutionsmechanismus: scheinbar aus dem Nichts auftauchende stark mutierte Varianten. Die können wir nicht vorhersehen, weil sich das Virus praktisch neu erfindet." Im "Spiegel"-Gespräch nährt der Wissenschaftler auch die Hypothese, dass sich das Coronavirus in Menschen mit beeinträchtigtem Immunsystem weiterentwickelt. "Dort können sie sich über Monate schrittweise und weitgehend ungestört optimieren, bis sie einen komplett neuen Satz von Escape-Mutationen besitzen, die regional oder sogar global eine neue Pandemie auslösen können."

    "Das Virus mutiert in hoher Geschwindigkeit weiter."

    Umso sinnvoller ist in Şahins Augen der auf dem Omikron-Subtyp BA.1 basierende Impfstoff, der theoretisch bereits Anfang September ausgeliefert werden könnte. Daten hätten gezeigt, dass ein Booster mit einem angepassten Impfstoff deutlich mehr Antikörper gegen Omikron produziere als der Wildtyp-Impfstoff. "Das Immunsystem kann die Variante also besser abwehren."

    Wildtyp-Impfstoff wird wirkungslos

    Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass es sich bei Omikron bereits um eine partielle Escape-Variante handle. "Irgendwann könnten wir eine Variante haben, die überhaupt nicht mehr auf die Antikörper des ursprünglichen Impfstoffs reagiert. Da müssen wir jetzt vorbauen", so der Biontech-Chef. "Das Virus mutiert in hoher Geschwindigkeit weiter."

    Wann alle relevanten Positionen mutiert und damit vom Wildtyp-Impfstoff nicht mehr erkannt werden, sei schwer vorherzusagen. "Aber eher früher als später. Es ist deswegen wichtig, dem Immunsystem bereits jetzt möglichst viele dieser mutierten Positionen zu zeigen, damit es dazulernt und auch nachkommende Varianten erkennt."

    Neue Impfstoffe folgen

    Während noch auf die Zulassung des oben genannten Omikron-Impfstoffes gewartet wird, habe Biontech jedoch schon das nächste adaptierte Vakzin gegen das Coronavirus hergestellt: Der Impfstoff basiere auf dem derzeit in der EU dominanten Subtyp BA.5. "Da reichen wir gerade die letzten Dokumente ein. Dann kann es auch hier schnell gehen. Es hängt davon ab, wie schnell die EMA prüft."

    "Eine klar überlegene Antikörperantwort auf Omikron."

    Großen Unterschied geben es zwischen den beiden angepassten Impfstoffen zwar keinen, da beide im Vergleich zum ursprünglichen Impfstoff "eine klar überlegene Antikörperantwort auf Omikron produzieren". Şahin selbst sei aber dafür, "immer so nah wie möglich am dominierenden Stamm zu bleiben. So wird es auch bei der Grippe gemacht."

    Omikron war noch Glück

    Am Ende sei jedoch ein universeller T-Zellen-Impfstoff das Ziel. Ein Vakzin, dass sich gegen nicht mutierende Regionen des Virus richte und unabhängig von zukünftig zirkulierenden Virusvarianten vor Krankheiten aller Schweregrade schützen solle.

    Grundsätzlich hofft der Wissenschaftler auf einfachere und schnellere Zulassungsprozesse für die Impfstoffe. "Mit Omikron hatten wir doppelt Glück, weil es keine volle Escape-Variante ist und der vorhandene Impfstoff einen Auffrischungsimpfschutz bieten konnte. Außerdem führt Omikron zu milderen Verläufen als Delta. Darauf sollten wir nicht noch einmal setzen."