Ukraine
Vergiftet, erschossen – die Liste der toten Putin-Kriti
Jewgeni Prigoschin soll bei einem Flugzeugabsturz gestorben sein. Vor seinem Ableben wurde er für Wladimir Putin zur Gefahr – wie so viele vor ihm.
Seit Beginn des Krieges lichten sich in Russland nicht nur die Reihen vieler Militäreinheiten, sondern auch jene der Reichen und Mächtigen. Nachdem russische Nachrichtenagenturen am Donnerstag vermeldeten, dass der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in einer Maschine gewesen sei, bei deren Absturz alle Insassen ums Leben gekommen sind, geht auch der britische Geheimdienst davon aus, dass Prigoschin "sehr wahrscheinlich" tot ist.
Spätestens seit seinem Putsch-Versuch am 23. Juni dürfte der Chef der Wagner-Gruppe endgültig ins Visier von Wladimir Putin geraten sein – dabei verdankt der ehemalige Koch seinen kometenhaften Aufstieg in der russischen Elite wohl zu großen Teilen dem Präsidenten. Doch der Imageschaden dürfte schlussendlich zu groß gewesen sein.
Hochverrats-Vorwurf war plötzlich vom Tisch
Denn während Putin nur Stunden nach Prigoschins Ankündigung des "Marsches der Gerechtigkeit" von Hochverrat sprach, musste sich der russische Präsident wenig später wohlwollend zeigen, nachdem der Wagner-Chef eine Einigung mit dem belarussischen Staatschef Lukaschenko erzielt hatte. Der Söldnerchef, der im Zuge seines Putsches zur Beseitigung der militärischen Führungsriege Russlands aufrief, traf sich danach sogar persönlich mit dem russischen Präsidenten.
So viele russische Promis sind bereits gestorben
Jetzt soll Prigoschin auf mysteriöse Weise gestorben sein – und ist damit der Letzte in einer Reihe von mächtigen und vermögenden Persönlichkeiten, die nach Kritik an der russischen Regierung ein jähes Ende finden. Egal, ob ranghohe Militärs, Oppositionspolitiker oder Oligarchen: Vor der langen Hand des Kremls scheint in Russland niemand sicher zu sein, wie "Watson" in einer Übersicht zeigt.
Schon vor dem Krieg wurde Wladimir Makarow, seines Zeichens Generalmajor und bis im Jänner 2023 Leiter der Extremismusbekämpfung im Innenministerium, am 13. Februar 2023 von seiner Frau tot aufgefunden. Als Todesursache führten die Behörden einen Suizid an – Makarow soll demnach an Depressionen gelitten haben.
Oppositionspolitiker leben in Russland nicht lange
Ein jähes Ende fanden auch die beiden Politiker Sergej Juschenkow und Boris Nemzow. Während Juschenkow, der zuvor russischer Informationsminister war und als eher liberaler Abgeordneter galt, im April 2003 im Moskauer Stadtteil Tuschino erschossen wurde, wurde Nemzow in Sichtweite des Kremls ermordet. Am 27. Februar 2015 schoss ihm ein Attentäter vier Mal in den Rücken und Hinterkopf. Nemzow galt als einer der bekanntesten Regierungsgegner und nannte Russland 2014 einen "Mafia-Staat mit Putin an der Spitze".
Auch Mitarbeiter der Geheimdienste, die innerhalb der russischen Regierung als "Königs-Macher" gelten, müssen bei Kritik am Regime um ihr Leben fürchten – sogar im Ausland. So wurde Alexander Litwinenko im November 2006 in einem Londoner Hotel mit dem radioaktiven Material Polonium vergiftet. Während er im Sterben lag, machte der ehemalige KGB-Agent Wladimir Putin für seinen Tod verantwortlich. Vor seinem Tod soll Litwinenko, der 2003 zum britischen Geheimdienst überlief, zum Mord an Anna Politkowskaja ermittelt haben.
Massensterben in der Reihe der Oligarchen
Die größte Gefahr scheint aber für Wirtschafts- und Industrietitanen zu bestehen: Nachdem sein Unternehmen ein sofortiges Ende des Ukraine-Krieges gefordert hatte, soll Rawil Maganow, der Vizepräsident des zweitgrößten russischen Ölproduzenten Lukoil, aus dem Fenster eines Moskauer Spitals gestürzt und dabei verstorben sein. Juri Woronow, der ein großes Transportunternehmen führte, wurde am 4. Juli 2022 mit einer Kugel im Kopf in seinem Heim in St. Petersburg gefunden – am Rand des Pools fanden sich aber gleich mehrere Patronenhülsen.
Gleich eine ganze Reihe von Oligarchen soll sich selbst erhängt haben: So etwa Sergey Protosenya, der zuvor stellvertretender Leiter des Gasriesen Novatek war. Zuvor soll er seine Frau und seine Tochter erstochen haben. Der Öl- und Gas-Magnat Michail Watford, der in der Ukraine geboren wurde, wurde am 28. Februar 2022 tot in der Garage seines Hauses in Großbritannien gefunden – er soll sich selbst erhängt haben.
Ebenso soll sich Alexander Tyulyakow, der stellvertretende Direktor von Gazprom, einen Tag nach Kriegsbeginn in St. Petersburg selbst erhängt haben. Neben seiner Leiche fand sich eine Notiz, die laut der russischen Polizei auf Suizid hindeutet – eine russische Nachrichtenagentur schrieb am Vorabend seines Todes, dass Zeugen beobachtet hätten, wie Tyulyakow von Unbekannten verprügelt worden sei.
Todesursachen vielfältig – Vorgeschichten ähnlich
Nebst den aufgeführten Beispielen verschwanden seit Beginn der 2000er-Jahre unzählige andere Persönlichkeiten aus der russischen Medien-, Justiz- und Politiklandschaft unter mysteriösen Umständen. Während die Todesursachen vielfältig sind – von Vergiftungen mit Krötensekret über Schusswunden bis hin zu brutaler stumpfer Gewalt mit einer Axt –, haben alle Toten die Gemeinsamkeit, dass sie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Störfaktor oder gar einer Gefahr wurden. Dass der Kreml mit dem Absturz des Privatjets, der nach neusten Erkenntnissen wegen einer Explosion an Bord crashte, nichts zu tun hat, ist also zu bezweifeln.